Mittwoch, 7. Mai 2014

Kuba-Kommunismus - pro und kontra

Ob es den Kubanern gut geht? Das kommt ganz drauf an, worauf man den Fokus legt. Wirtschaftlich liegt hier natürlich einiges im Argen, aber das Land ist ganz anders als die Entwicklungsländer Indien oder Myanmar, die wir bisher gesehen haben; es ist kommunistisch. Ob Kommunismus à la Fidel funktioniert? Schauen wir ins Detail.

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Was Kuba von jedem anderen armen Land unterscheidet ist zu allererst die Bildung. Es gibt ein funktionierendes und qualitativ ernst zu nehmendes Schulsystem für alle. Wir finden, dassman das guteBildungsniveauin vielen Interaktionen mit den Leuten bemerkt, aber auch zum Beispiel daran, das wenig Müll weggeschmissen wird. Auch die medizinische Versorgung ist in Lateinamerika einzigartig, und - noch einzigartiger - für jeden Kubaner kostenlos. Das geht so weit, dass Kuba mittlerweile in vielen anderen Ländern Entwicklungshilfe betreibt, indem es seine Ärzte schickt. Selbst der damalige Präsident Venezuelas Chavez fuhr nicht zufällig nach Kuba, um sich operieren zu lassen. Man könnte diese Liste von Erfolgen der öffentlichen Hand noch erweitern, zum Beispiel sind die Straßen garnicht so schlecht, es gibt kaum Stromausfälle und (für Einheimische) trinkbares Leitungswasser. Malaria und Denguefieber sind Dank staatlicher Mückenbekämpfung unter Kontrolle und auch Impfungen rotten viele in anderen Ländern mit vergleichbarer Wirtschaftskraft vorhandene Krankheiten aus.Wir würden also sagen, der Staat erfüllt seine Aufgaben in der Grundversorgung ganz gut. Nur zur Erinnerung: im durch unddurch kapitalistischen und demokratischen Indien schafft der Staat keine dieser Aufgaben auch nur ansatzweise.

Lobeshymne auf die Heimat in Baracoa
Bei uns wird Kuba dagegen oft mit Mangel assoziiert. Die Oldtimer, die in Havanna immer noch rumfahren bestimmen unser Kubabild sehr und dann kommen noch Geschichten dazu, dass Seife mal wieder knapp ist oder billiges chinesisches Plastik Spielzeug hier noch 100mal repariert werden muss, weil es so wertvoll ist. Aber mal ganz ehrlich, Kuba ist ein relativ kleines 11-Millionen-Land mit einem großen Nachbarn, der es effektiv vom Rest der Welt abschirmt und isoliert. Nach Florida sind es zwar nur 90km, bis zum nächsten Handelspartner Venezuela aber tausende. Kubas Zucker, Tabak, Rum oder auch die Früchte könnten auf dem Weltmarkt eine wichtige Rolle spielen, wenn - ja wenn man Kuba ließe. Und wer nicht exportiert, der tut sich mit dem Importieren halt auch schwer so ganz ohne Devisen. Unter diesen Umständen muss man fast den Hut ziehen vor den Sozialplanern in Havanna, dass das Land immer weiter läuft, obwohl Amerika es ganz offensichtlich daran hindern will.

Altstadt von Trinidad
Überhaupt, die Amerikaner. Der Erzfeind. Wer sich ein bisschen mit der Geschichte Kubas beschäftigt, kann wohl verstehen, dass die US-amerikanische Regierung hier nicht beliebt ist. Am Anfang des 20.Jahrhunderts haben sie zwar im Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien geholfen, aber nur, um quasi selber zur kolonialen Macht zu werden. Die kubanische Verfassung wurde in Abwesenheit der Kubaner zwischen den USA und Spanien festgelegt und die Amerikaner bekamen - neben der Bucht von Guantánamo - auch das Recht, jederzeit militärisch im Land eingreifen zu dürfen. Als dann in den 50ern unter Batista das Regime immer mehr zu einer Diktatur mit guten Drähten zur Mafia in Florida wurde, haben die Amerikaner es weiter unterstützt, und zwar mit Waffen und gegen viele Oppositionsgruppen und vom Volk unterstützte Revolutionsversuche. Nachdem dann 1959 die Revolución unter Fidel und Che erfolgreich war, hatten die Amerikaner nicht viel besseres zu tun, als eine Invasion durch Söldner zu planen. Wohlgemerkt, der "sozialistische Charakterder Revolution"wurde erst danach ausgerufen und gefestigt. Und das ist nur verständlich, denn in den 60ern konnte man mit den USA als Feind wohl nur überleben, wenn man die Sowjetunion auf seiner Seite hatte. Bis heute finanzieren die Amerikaner viele Gruppen, die auf einen Umsturz in Kuba hinarbeiten, und die bereits eine ganze Reihe von Anschlägen in Kuba ausgeführt haben. Kuba dagegen hat - trotz all der drolligen Propaganda hier im Land - bisher keinerlei Aggressionen in die andere Richtung gezeigt. Im Gegenteil, nach den Anschlägen von 9/11 hat sich Fidel Castro beeilt, den Amerikanern sein Beileid auszudrücken.

Kuba ist also heute ein Land, dass trotz eines seit 50 Jahren anhaltenden Embargos seinen Bewohnern eine bemerkenswerte Lebensqualität sichern kann. Viele Bewohner haben ein durchaus gutes Leben, Rum, Salsa und die Karibik machen es vielleicht noch angenehmer. Übrigens hat die Naturschutzorganisation WWF 2006 erklärt, dass Kuba als einziges Land weltweit "den Richtlinien für nachhaltige Entwicklung entspricht"die sowohl Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung wie Lebenserwartung oder Bildungsstand als auch den Ressourcenverbrauch bewertet.

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Andererseits: in Kuba gibt es große Unterschiede zwischen der offiziellen Linie und der Realität der Bürger und oft sind die Konsequenzen absurd und hart für die Einwohner des Landes.

Beispielsweise die Währung. Offiziell ist die kubanische Währung der Peso Cubano. Ein Arzt verdient etwa 1000 Pesos, ein Kaffee in der Cafeteria kostet einen Peso, eine Pizza 3-5. Gar nicht schlecht, oder? Stimmt aber nur auf dem Papier. Den es gibt noch eine zweite Währung, den Peso Convertible (CUC). Ursprünglich nur für Ausländer gedacht, ist er 1:1 an den Dollar geknüpft. Nun ist es aber so, dass es immer mehr Güter und Leistungen nur gegen CUC gibt. Hotels und guteRestaurants, klar. Internetzugang, hmmm. Aber sogar Wasser in Flaschen, jegliche importierteNahrungsmittel oder Milch gehören dazu (außer man ist unter  7 oder über 65, dann gibt es Milch auf Bezugsschein). Um ein Leben mit ein ganz klein wenig Komfort fuhren zu können, braucht man also CUC. Doof, dass der Umrechnungskurs der nationalen Pesos zum CUC 1:25 ist. Dann ist das Gehalt des Arztes auf einmal noch 40 CUC im Monat und alle CUC-Güter, also Flaschenwasser, Shampoo, Feuerzeuge, Kekse, Handyverträge, die meisten Früchte, gutes Fleisch und so weiter kosten mindestens so viel wie bei uns. Klar dass das nicht funktioniert. Eine der ironischsten Folgen dieser brillanten Konstruktion ist es daher, dass die Leute riesige Anreize haben, zu Unternehmern zu werden. Entweder auf dem Schwarzmarkt oder durch den Verkehr mit Touristen werden die nötigen CUC verdient.

 
Bilder des Verfalls: Havana (links) und Playa Giron (rechts), der Strand an dem, laut Propaganda, der Imperialismus (sprich USA) seine erste grosse Niederlage erlitten hat.

Kuba wird also - da können sie noch so viele Parolen schreien - vom Kapitalismus im Kleinen am Leben gehalten. Wir sehen hier auch viele Beispiele von der besten Seite der Marktwirtschaft. Eine Frau, die 2 Zimmer als "Casa Particular"vermietet, erzählte uns zum Beispiel von ihren Plänen das verdiente Geld wieder zu investieren undnoch ein drittes Zimmer zu bauen und vielleicht irgendwann einen kleinen Pool. Und der tägliche Bedarf wird auf dem Schwarzmarkt gedeckt. Wir haben zum Beispiel einen Shampoo-Dealer bei der Arbeit zu geschaut. Auf einer Parkbank in Havana wurde das teure Nass dem potenziellen Käufer unauffällig gereicht, der daran roch, die Konsistenz prüfte und sich dann doch dagegen entschied.Der tolle Sieg des Kommunismus besteht also einzig darin, dass fast die gesamte Bevölkerung illegale Aktivitäten betreibt.

überall stehen Leute herum, hier in Viñales
Uebrigens ist nicht an allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten das Embargo Schuld. Im Gegenteil scheint das Embargo eher der Regierung als nuetzliche Ausrede fuer alle moeglichen Schwierigkeiten grade recht zu kommen. Es gibt hier naemlich durchaus Klimaanlagen aus Suedkorea, Nudeln aus Italien und alles moegliche andere zu kaufen. Allerdings nur zu den internationalen Preisen, die sich hier kaum einer leisten kann. Man koennte hoechstens sagen, dass diese Gueter hier etwas teurer sind, weil zum einen natuerlich die internationalen Handelswege komplizierter sind und zum anderen, weil der Verkauf ueber miserabel organisierte kommunistische Lieferketten erfolgt. Ein paar Sachen gibt es dann aber wirklich nicht. Auch wenn man Geld hat, ist es manchmal kaum moeglich eine ganze Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, weil mal wieder das ein oder andere "aus" ist. Das kann dann aber sowohl importierte Waren als auch einheimische Waren betreffen. Und die ganze Organisiererei drueckt natuerlich nochmal zuesaetzlich auf die sowieso schon niedrige Produktivitaet.

Der durch Organisieren und Schwarzmarkt entstehende kleine illegale Kapitalismus heißt außerdem, dass man hier nicht mit seiner Ausbildung Geld verdient, sondern zum Beispiel als Taxifahrer, Touristenführer oder als Gigolo (eine recht große Berufsgruppe hier, die aber keinen eigenen Bereich auf der 1.-Mai-Parade hatte). Ich glaube, das kann langfristig auch nicht gut für die Entwicklung der Bevölkerung sein. Übrigens hat das tolle Gesundheitssystem hier das große Problem, dass Kuba zwar gute Ärzte hat, diese sind aber in großen Teilen in Venezuela auf "Solidaritätseinsatz". Das heißt sie arbeiten dort, um so das Öl zu bezahlen, dass Chavez den Kubanern "schenkt". 

Wenn nicht zum Geld verdienen, könnte man seine Ausbildung vielleicht auch zum Denken benutzen. Aber das geht natürlich in einem totalitären Staat auch kaum. Zwar werden hier nicht massenweise Leute von der Straße weg verhaftet, aber selbst kleine Meinungsäußerungen oder ein Hinweisen auf alltägliche Probleme führen zu Verlust des Jobs, der Wohnung, sozialer Ausgrenzung und Schikanen durch die Behörden. Wie subtil und doch kraftvoll solche Repressionenfunktionierenlesen wir grade im auch als Buch erschienenen Blog "Generation Y"von Yaoni Sanchez. Diese Art der Unterdrückung ist diejenige die wir am meisten verurteilen. Von den Machthabern wird das übertriebene Vorgehen gegenüber Andersdenkenden dadurch gerechtfertigt, dass man in einer umzingelten Festung keine Opposition dulden könne.Die Regierung macht es sich also in der Vergangenheit gemütlich.

Außenpolitik ist eines der wenigen Felder, auf denen man Kuba ein durchweg gutes Zeugnis ausstellen kann. Kuba ist friedlich und eingebunden in gute Beziehungen mit anderen links-regierten Ländern Latein- und Südamerikas. Man kann sich nur manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass diese Länder, die selber meist deutlich mehr auf Marktwirtschaft ausgerichtet sind, sich Kuba als kleines antiimperialistisches Maskottchen halten, um Amerika zu ärgern und um zusammen einwenig linke Folklore zu betreiben.

Alles in allem ist der Kommunismus so erfolgreich, dass jeden Tag hunderte und tausende gehen wollen. Wir finden, dass dieser Fakt für sich spricht.Viele Leute wollen unter großen Mühen,Kosten und Gefahren ihre Heimat verlassen, weil sie einfach keine Zukunft für sich selber in Kuba sehen. Das geht so weit, dass Kuba heutenur noch an Sportveranstaltungen in Ländern teilnimmt,die Auslieferungsabkommen mit Kuba haben. Zu oft sind ganze Sportteams nicht mehr zurück gekommen.

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Wir finden, dass Kuba ein Land mit vielen guten Seiten ist. Die sozialistische Partei hat viele Erfolge zu verbuchen, grade die breite soziale Entwicklung ist beeindruckend und viel besser als in Ländern, die lange von westlich unterstützten Militärdiktaturen regiert wurden. Sie hataber zu lange zu dogmatisch an ihrem Weg festgehalten. Die Errungenschaften der Revolution, wie Mindestlohn, Antidiskriminierungsgesetze,kostenlose Gesundheitsversorgung etc sind heuteauch bei uns selbstverständlich, es braucht keine Diktatur dafür. Die Machthaber hier leben immer noch im kalten Krieg und haben wohl den Moment verpasst, in dem eine Liberalisierung angesagt gewesen wäre. Es gibt aber Hoffnung. Die Reformen,die in den letzten Jahren unter Raul Castro stattgefunden haben,wie die Möglichkeit Autos und Wohnungen legal zu kaufen und zu verkaufen, die Lockerungder Regulierung von privaten Restaurants und Unterkünften, haben einigeKubaner ein ganz klein wenig wohlhabender gemacht. Wobei dieseBesserstellung einiger weniger natürlich eine neue Ungleichheit schafft, die nicht zum Kommunismus passt.

Wir wünschen dem Land einen langsamen und sanften Übergang in ein freieres System und glauben, dass falls dies Übergang gelingt, Kuba eines der interessantesten Länder in Mittelamerika sein wird und eines mit dem Potenzial, stabiler und wohlhabender zu werden als seine Nachbarn es sind.

1 Kommentar:

  1. Tolle Eindrücke einer tollen Kuba Rundreise - Ich habe meine erste Kubareise für nächstes Jahr geplant:) Danke für die Eindrücke

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