Mittwoch, 28. Mai 2014

Streetart in Bogota

Kolumbien ist wahrscheinlich das Land auf unserer Reise, vor dem uns die meisten Leute gewarnt haben. Seinen Ruf hat es sich mit Drogenproblemen in den 80ern erworben, eigentlich so ähnlich wie Frankfurt, nur auf einem ganz anderen Niveau. Um sich eine Vorstellung davon machen zu können, wie sehr ein Staat an den Abgrund gebracht werden kann, sollte man einmal das Buch "Killing Pablo" lesen, dass die Geschichte vom Kokainboss Pablo Escobar und dem Kampf der halben Welt gegen ihn erzählt. In den Strassen wurden regelmäßig Leute erschossen und es gingen öfters Bomben hoch. So etwas ruiniert den Ruf.

Warum wir trotzdem hingefahren sind? Weil Kolumbien auch das Land ist, von dem uns meisten Leute begeistert erzählt haben. Naja, neben Myanmar vielleicht. Und auch diese Leute hatten Recht. Wir finden in Kolumbien unheimlich viele nette und offene Leute. Wir sind wohl in kaum einem Land so oft in Gespräche mit Einheimischen verwickelt gewesen wie hier, und immer wieder hoeren wir den Satz: "Erzählt den Leuten zu Hause, wie Kolumbien ist." Also hiermit: Wir fühlen uns hier sicher, und vor allem Willkommen.

Trotzdem ist die Vergangenheit hier schon noch zu spüren. Auffallend finden wir die vielen in den Städten sichtbaren Sicherheitskräfte, eine Demo von Menschen die auch heute noch in manchen Gegenden Kolumbien's aus ihren Dörfern von Guerilla oder Militär vertrieben werden. Und vor allem in der Straßenkunst. Auf einer Stadtführung in Bogota mit Fahrrädern sind uns die vielen Grafittis aufgefallen, die meistens sehr ernste Hintergründe hatten. Hier eine Auswahl davon:
"Zeig nicht die andere Wange". Eine Graffiti gegen häusliche Gewalt
Keine Ahnung, was das bebedeutet
Diese Figuren sitzen an vielen Stellen in BBogotá


In etwa "Hier endet das Lächeln. Scheißland." Jaime Garzón war ein Komiker, der 1999 vermutlichen wegen zu unbequemer Witze ermordet wurde.
Dieses Bild könnte an Pablo Escobars Nilpferde erinnern. Die Tiere sind die ausgewilderten Überbleibsel seines Privatzoos in Medellin
"Wasser ist mehr wert als Gold". Zum Thema Minen in Kolumbien, die oft Trinkwasser vverschmutzen
Und mal etwas ganz profanes - gesunde Ernährung: "Was isst dein Essen?" 

Die UP ist eine linksliberale Partei, die von rechten Milizen bekämpft wurde, indem tausende ihrer Mitglieder umgebracht wurden - zu 98% ungestraft.
Schwerter zu Pflugscharen und Handgranaten zu Ananas
Niemand gewinnt.

Erinnerung an die Millionen Menschen, die durch Drogen- und Guerillakrieges von ihren Dörfern vertrieben wurden.

Und zum Schluss noch die Erinnerung, dass manche immer noch nicht genug gekämpft haben.


Freitag, 23. Mai 2014

Halbzeit

Am 15. Mai waren in Baracoa und haben einen Ausflug zum Strand gemacht. Eigentlich ein ganz normaler Tag auf der Reise, aber eines war besonders. An dem Tag waren wir genau 5 1/2 Monate unterwegs - die Hälfte unserer Reise. Bergfest. Wir sind jetzt auf dem Rückweg. Dazu passt ganz gut, dass wir jetzt den Nordamerikanischen Kontinent verlassen haben und den Rest der Reise mehr oder weniger auf der Suedhalbkugel verbringen werden.

Von zu Hause hören wir oft, dass die Zeit für uns bestimmt fliegen muss. Könnte man denken, weil wir ja so viel "Spaß haben", während für die anderen bei der Arbeit jede Minute lang wird. Aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Wir haben am Strand in Baracoa überlegt, wo wir vor einem, 3 oder 5 Monaten waren. Alle diese Orte und Erlebnisse scheinen schon so lange her zu sein - wir glauben, die Zeit streckt sich. Und so geht es uns fast immer, wenn wir an die Zeit in Indien, Myanmar oder China zurück denken. Das liegt wohl daran, dass wir so unglaublich viel erleben, und daran, dass wir kaum je Routine haben, die, ohne dass man es merkt, einem ein paar Wochen oder Monate weg frisst. Ohne jetzt allzu philosophisch zu werden: Vielleicht sollte man sich weniger Gedanken drum machen, wie alt man noch wird und mehr darum, wie viel man erlebt?!?

Obwohl so viel passiert ist, wissen wir beide noch genau, wann aus unserer Reise ein Weltreise geworden ist, und zwar in Delhi als wir am Flughafen fuer den Flug nach Bangkok eingecheckt haben. Indien war spannend und anstrengend gewesen, wir hatten am Tag davor meinen Vater getroffen, und irgendwie haette es insgesamt gut gepasst, jetzt den Heimflug anzutreten. Dazu kam noch, dass gleichzeitig mit uns auch ein Flug nach Frankfurt eincheckte. Ein komisches Gefuehl, in die andere Richtung weiter zu fliegen. In den USA war es dann zum ersten mal soweit, dass der Heimflug "rechtsrum" gewesen waere statt zurueck ueber Inden und Arabien. Und so koennen wir mittlerweile auch schon ein bisschen dazu sagen, was eine Weltreise so anders macht als eine normale Reise. Dazu habe ich ein paar Beispiele. Der erste Abend in Bangkok, nachdem wir aus Indien kamen, war krass. Wir sind mit Couchsurfing-Bekanntschaften feiern gegangen, und die laute Musik, der Alkohol in der Oeffentlichkeit, die kurzen Roecke und der lockere Umgang zwischen Maennern und Frauen (damit meine ich ganz normale Unterhaltungen) hat uns umgehauen. Ein zweites Beispiel war der erste Abend hier in Bogota. Uns viel auf, dass es statt Propaganda Werbung gab, statt 50er-Chevies neue koreanische Autos und natuerlich - wie Barbara bereits erzaehlt hat - dass uns Passanten in der Preisdiskussion mit dem Taxifahrer unterstuetzten. Beides mal waren diese ersten Abende in einem Land besonders, weil die Laender so unterschiedlich waren. Wir haben gemerkt, dass wir mittlerweile unsere Reiseziele vielmehr miteinander vergleichen als mit Deutschland. Die Weltreise gibt uns als eine viel internationalere Perspektive als eine Reise von Deutschland aus das jemals koennte. Hier ein paar Vergleiche, die vielleicht trivial sind, aber uns immer wieder auffallen.
  • In Mittel- und Suedamerika sind die Leute emotionaler und koerperlicher als in Asien
  • Indien ist viel aermer als China und Kuba
  • Myanmar und Kolumbien haben mehr Meinungsfreiheit als China, von Kuba ganz zu schweigen.
  • Kuba ist das einzige kommunistische Land auf unserer Reise
  • Eine Frau aus der Unterschicht zu sein ist in keinem der von uns bereisten Laender so schlimm wie in Indien.
  • Man kann viel auf die chinesische und kubanische Regierung schimpfen, aber wenn man die Laender mit ihren Nachbarn vergleicht, haben sie einiges richtig gemacht.
Dazu gibt es ein Thema, dass uns in allen Laendern irgendwie verfolgt hat. Nämlich das in einem Land viel von seiner Regierung abhaengt. In Indien haben wir den Wahlkampf der ersten ernsthaften Anti-Korruptions-Partei verfolgt, Myanmar befindet sich im Übergang von Diktatur zu - hoffentlich - Demokratie, Thailand beim Übergang in die andere Richtung, China entwickelt sich rasant, aber eben nur oekonomisch und nicht politisch und in Kuba ist der kalte Krieg noch immer nicht vorbei. Über die einzelnen Länder haben wir ja schon viel geschrieben, aber es bleibt bei uns natürlich auch im Gesamtbild etwas hängen. Für mich am deutlichsten ist, dass Regierungen oder Regierungsformen doch einen riesigen Einfluss auf das Wohlergehen der Völker haben. Bei uns haben ja oft viele eine "ist doch eh egal"-Einstellung zu Politik. Wenn man wirklich schlechte Politik sieht, denkt man anders darueber. Und um das auch mal zu sagen: ich habe den Eindruck, dass unsere Regierungen in Europa die besten der Welt sind. Auch daran können wir mal denken, wenn wir schimpfen... Schimpfen sollten wir aber trotzdem weiter, damit sie auch so gut bleiben. Erstaunlich war für mich zu beobachten, dass die Liebe der Leute für ihre Regierung durch den Magen (oder eher den Geldbeutel geht) und oft mit Meinungsfreiheit nicht viel zu tun hat. In Kuba ärgern sich die Leute mehr darüber, dass es nie Rindfleisch gibt als darüber, dass ihre einzige Informationsquelle die Parteizeitung Granma ist. Und nur wenige Chinesen kümmert ihr verkrüppelten Internet, solange sie Chatten können und solange das Wirtschaftswachstum stimmt.

Auch für uns geht nach Kuba und China eine längere Zeit mit nur eingeschränktem Internet zu Ende - und siehe da, es geht. Aber oft hat uns die Hand zum Handy gezuckt, um mal eben eine Behauptung zu überprüfen oder einen Hintergrund zu etwas grade Erlebten zu suchen. Daher freue ich mich drauf, jetzt wieder aktuelle und unparteiische Informationen zu bekommen, den Nachrichten zu folgen und die Reise einfacher planen zu können. Und wo wir grade bei Sachen sind, die uns fehlen. Manchmal hatten und haben wir schon Heimweh. Wenn mal eine Unterkunft Mist ist, einer von uns krank ist oder wir einfach reizüberflutet sind. Dann wünschen wir uns unsere Familie und Freunde herbei, denen wir das alles erzählen können oder vielleicht einfach unser gemütliches Bett zu Hause. Wir brauchen also wirklich manchmal Urlaub vom Reisen, oder zumindest ein freies Wochenende. Bisher haben wir dann immer eine Pause nehmen können, am Strand, im Café oder im Zimmer und nach kurzer Zeit haben wir wieder Sachen erlebt und Leute kennen gelernt, die uns wieder Reiselust geben.

Eine Sache stellt sich allerdings als schwieriger heraus als geplant, und das ist das "im hier und jetzt Leben". Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir unterwegs viel zu viel an morgen denken, den nächsten Bus oder die nächste Unterkunft buchen. Während zu Hause meistens die Tage eh verplant sind, haben wir hier oft die Qual der Wahl. Wir werden also weiter lernen, die Dinge gelassener zu sehen und auf uns zukommen zu lassen. Wir üben uns weiter im Schauen und Zuhören im "Nicht ärgern sondern wundern" und sind gespannt, was die zweite Hälfte der Reise bringen wird.

Zum Abschluss des Posts moechte ich euch aber nochmal den Mund waessrig machen und poste einige Erlebnisse, die uns besonders in Erinnerung geblieben sind, und ein paar unserer Lieblingsfotos. Nach einem knappen halben Jahr auf Reisen, koennen wir eine solche Erfahrung nur jedem ans Herz legen. Es erweitert den Horizont, praegt die Persoenlichkeit und macht einen widerstandsfaehiger.

Einige unserer schoensten Erlebnisse:
  • Unser letzter Tag in Bangalore, mit den Praesentationen unserer Schueler und ihren unglaublich stolzen Gesichtern
  • Der Loewentanz zum chinesischen Neujahr auf der Strasse in Mawlamyine/Myanmar
  • In China an der Tigersprungschlucht eine fast fliessende Unterhaltung mit einer uralten Frau auf chinesisch gefuehrt, die uns immer genau die Sachen gefragt hat, die wir im Unterricht gelernt hatten.
  • Teilnahme am Umzug des 1.Mai in Cienfuegos / Kuba und die Party danach.
  • Uns wieder treffen, nachdem Barbara eine Woche ohne zu reden meditiert hat und ich 25m tief nur mit Luftanhalten getaucht bin.
  • Mit Delphinen in Kuba schwimmen
Fotos:

 



Mittwoch, 21. Mai 2014

Häppchen: Willkommen in Bogota

Nach Kuba sind wir nun in Kolumbiens Hauptstadt Bogota angekommen. Der Taxifahrer vom Flughafen zum Hostel wollte uns direkt wieder fast das Doppelte des normalen Preises abknoepfen. So weit so kubanisch. Was aber nie in Kuba passiert waere ist das Folgende: zwei junge Maenner blieben stehen um uns zu fragen ob es ein Problem gaebe. Als wir das Problem schilderten, zueckten sie ihr Handy um den richtigen Preis zu ermitteln. Sie sagtem dem Taxifahrer er solle sich nicht an Touristen bereichern und unterstuetzten uns. Auch der Hostelbesitzer redete auf den Taxifahrer ein. Am Ende bezahlten wir einen fairen Preis. Ein gutes Gefuehl wieder in einem Land zu sein in dem nicht JEDER einen als Geldkuh sieht. Am naechsten Tag ging es so weiter. Die Leute sind freundlich und der Service super. Wir haben das Gefuehl in einem Schlaraffenland zu sein, weil die Supermaerkte voll sind und die Restaurants verschiedenste Gerichte anbieten.

Kuba: unser Fazit

In Kuba gibt es zwei Welten, die wenig miteinander zu tuen haben und wenig mit einander zu tuen haben sollen.

Die beschraenkte Auswahl eines Verkaufstands
Wohnzimmerfenster aus dem Snacks verkauft werden
Schild am Hauseingang: Tomatenpuree zu verkaufen










Auf der einen Seite gibt es den kubanischen Alltag oder den täglichen Kampf der "normalen" Kubaner um alle möglichen Dinge, die wieder mal nicht aufzutreiben sind. Mal ist das Mehl aus, mal das Toilettenpapier, mal die Zahnpasta. Was es aber immer zu kaufen gibt sind Pizza, Rum und Torten. Jedenfalls sieht man die Kubaner immer damit rumlaufen. Auch die Produkte in der Dollar-Währung sind etwas verlässlicher verfügbar, sind aber nur für die wenigsten erschwinglich. Alles muss organisiert werden oder erstanden werden, fast nichts kann man einfach im Geschäft kaufen. Rindfleisch haben die meisten Kubaner seit Zusammenbruch des Ostblocks nicht mehr gegessen. Diese Mangelwirtschaft bringt zwei Symptome zum Vorschein: Zum einen fördert es die Solidarität der Kubaner. Familie, Freunde, Nachbar: alle unterstützen sich und helfen einander ohne auch nur darüber nachzudenken. Zum anderen fördert die Mangelwirtschaft die Illegalität. Da sich alle vom Staat unterbezahlt fühlen, finden sie es normal Dinge aus dem staatlichen Betrieb abzuzweigen und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen um ihr Gehalt aufzubessern. 

Hier wohnt der Nachbarschaftsspitzel
Das Leben in Kuba ist herzlich aber hart, solidarisch aber unfrei. Während der Alltag für manche Leute erträglich ist und sie den Sozialismus noch preisen, fühlen sich grade die Leute die etwas bewegen wollen und die ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen vom Staat bevormundet oder sogar unterdrückt. Ein Gastgeber, der wie viele Kubaner Enkel eines Spaniers ist beantragte die spanische Staatsbürgerschaft, um leichter ein Visum von den USA zu erhalten. Er wollte seinen Sohn, der in die USA geflüchtet ist, besuchen. Nach knapp zwei Jahren hat er seine Staatsbürgerschaft immer noch nicht. Die Kubanische Regierung reagierte aber prompt und teilte ihm einen wesentlich schlechteren und schlechter bezahlten Job zu. Auch seine Frau war bedrückt weil sie kaum Kontakt zu ihrem Sohn hat. Obwohl beantragt erhielten sie, wie fast alle Kubaner, keinen Internetanschluss der den Kontakt vereinfachen würde.

Auf der anderen Seite gibt es die Touristenwelt. Der Tourismus ist die Haupteinnahmequelle von Kuba und nur aus diesem Grund hat man das Land für Ausländer geöffnet. Die Regierung hat die Politik ausgegeben, dass Ressourcen bevorzugt den Touristen zur Verfügung gestellt werden sollen. Und so können Touristen gegen "harte" Währung Rindfleisch und Hummer essen, das Internet  benutzen und das ganze Land erkunden. Sie laufen mit digitalen Kameras und Markenklamotten durch die Städte oder lassen sich in all-inclusive Resorts verwöhnen. Die Kubaner, die mit Touristen arbeiten, sehen deren selbstverständlichen Umgang mit für sie schwer erhältlichen Luxusartikeln. Die, die es sich leisten können, bieten Zimmer oder Fahrten für Touristen an. Ihr Einkommen steigert sich enorm. Neben den seriösen Anbietern gibt es viele Kubaner die das schnelle Geld mit den Touristen verdienen wollen. Statt für 50 Dollar im Monat zu arbeiten, stellt sich ein Psychologe lieber an die Straße und versucht Leute in ein Restaurant zu quatschen. Statt zu studieren gehen junge Männer lieber auf Touristinnenfang in den Salsaclubs. Diejenigen, die weiterhin ihrer Arbeit nachgehen sehen dies mit Argwohn und Missgunst. Die Moral gegenüber Touristen ist niedrig. Genau wie gegenüber dem eigenen Staat haben viele Leute keine Skrupel einem Touristen mehr Geld als recht ist abzuknöpfen und dabei die Grenze zur Illegalität zu überschreiten. Man nimmt was man kriegen kann, denn das Leben ist nicht gerecht. Auch die kubanischen Politiker machen deutlich: wir brauchen das Geld der Touristen, sonst wollen wir nichts von ihnen.

Man spielt Domino oder Schach
Wir fragten uns wieso die Kubaner, die durchweg gut gebildet sind, den Wohlstand der Touristen sehen und gleichzeitig so arm sind, nicht ihr System niederreißen oder zumindest lautstark Reformen fordern. Nach unserer Einschätzung liegt das zum einen daran, dass die Castros immer noch sehr viele Anhänger haben und zum anderen haben die Kubaner einige Ventile. Die Kultur- und Sportförderung ist eine der besten in der Entwicklungswelt und mindestens mit unserer vergleichbar. Überall im Land gibt es Galerien, Konzerte, Tanzschulen, Sportplätze, Stadien, Schachclubs ect. in denen man sich entfalten und Dampf ablassen kann. Ähnlich funktioniert der Rum und das hitzige Nachtleben, in dem mancher Frust ertränkt oder verliebt wird. Ein weiteres Ventil ist der Schwarzmarkt, der die knappen Resourcen zu denen bringt die sie am meisten benötigen. Das wahrscheinlich größte Ventil aber ist die USA. Zum einen hilft ein äußerer Feind, auf den man alles Leid schieben kann, das Volk zu einen und Repressalien gegenüber politisch Andersdenkenden zu rechtfertigen. Zum anderen setzen sich die, deren Drang nach freier Entfaltung zu groß wird, in die USA ab. Und so kommt es wahrscheinlich, dass der brodelnde Kessel bisher nicht übergekocht ist. Nichtsdestotrotz vergrößert der Tourismus im Land die Ungleichheit und auch uns gegenüber wurde ab und zu, hinter vorgehaltener Hand, Kritik am politischen System geäußert. Wenn die Castros sich wirklich ab 2018 aus der Politik zurückziehen wird es vielleicht die von vielen erhoffte Änderung geben. Es bleibt nur abzuwarten wie schnell die Veränderungen eintreten und wie friedlich.

Wir haben uns Kuba als Reiseziel insbesondere wegen Kubas ersteren Seite ausgewählt. Wir waren am politischen System und dessen Auswirkungen, aber auch am Alltag der herzlichen, salsaliebenden Kubaner interessiert. Und tatsächlich hat uns Kuba einiges über den Sozialismus gelehrt. Während der Kubanische Sozialismus einer der humansten und erfolgreichsten der Welt war und ist, kann man doch die Schattenseiten nicht leugnen: Mangelwirtschaft und Verlust der Meinungsfreiheit. 

Malecon in Havana
Das berühmte kubanische Nachtleben haben wir leider nicht entdeckt. In touristischen Bars wurde zwar viel getanzt aber wenn die Kubaner unter sich waren, saßen die Älteren eher an Tischen und hörten Musik und die Teenies saßen im Park oder am Malecon mit Alkoholflaschen oder sammelten sich in einer Discothek. Die Stimmung in den Diskotheken, in denen wir waren, war äußerst seltsam. Die meisten Leute standen nur herum während ein paar zu Reggaeton "tanzten". Dabei lehnt sich der Mann gegen eine Wand während die Frau sich hüftkreisend, mit dem Rücken zu ihm gewandt, an ihn reibt. Wir witzeln schon, dass in Kuba nur Salsa gespielt wird, wenn ein Tourbus vorfährt. Tatsächlich hört man Salsa aber aus sehr vielen Hauseingängen rausschallen... Tanzen sieht man die Kubaner eher abends auf der Straße als nachts in einer Bar. Insbesondere in Cienfuegos am Tag der Arbeit haben wir viele Leute auf der Straße und in Cafés tanzen sehen.

Aber auch Kuba's touristische Seite hat einiges zu bieten. Besonders die Karstlandschaft und die Tabakfelder in Viñales, die Unterwasserwelt und der Strand in der Schweinebucht, das Stadtleben und die freundlichen touristenfernen Kubaner in Cienfuegos und Santa Clara und der Regenwald und der Kakao in Baracoa haben uns am besten gefallen. Kulinarisch spielt Kuba trotz seiner tropischen Vegetation eher im Mittelfeld. Das Essen ist meist wenig kreativ und das Fleisch zu durch gebraten. Zu sämtlichen Gerichten gibt es Reis, dicke Bohnen, einen Salat mit Tomaten, Gurken und Kohl und frittierte Bananen. Gewürze und Kräuter werden meist gar nicht benutzt. 

So schwer es war mit Kubanern ausserhalb der casa particular ins Gespraech zu kommen, umso leichter lernten wir Reisende kennen mit denen wir auf einer Wellenlänge waren. Besonders ins Herz geschlossen haben wir ein Pärchen aus London und aus Neuseeland. Leider hat uns der einheimische Umgang mit den Touristen in Kubas touristischen Zentren wie Havana Vieja und Trinidad aber auch anderswo überhaupt nicht gefallen. Positiv ist, dass die Kriminalität, abgesehen von Gelegenheitsdiebstählen, die selbst in den Casa Particulares vorkommen, niedrig ist. Man kann, im Gegensatz zu den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern, nachts ohne Bedenken durch die Städte gehen. Wir waren aber regelrecht enttäuscht von der niedrigen Moral, die Ausländern gegenüber häufig an den Tag gelegt wurde. Während Kuba für politisch Interessierte äusserst spannend ist, können wir es für Urlauber daher nur eingeschränkt empfehlen.




Praktische Reisetipps für Kuba

Wie reist man in einem Land ohne Internet? Das fragten wir uns als wir in Kuba ankamen. Eigentlich gar nicht so schlecht. Man nutzt einfach die fuer uns bereits vergessenen Methoden: Kontakte, Reisebueros und das Telefon. Das Land ist dank der guten Infrastruktur und den eigens für die Touristen bereitgestellten Viazul Bussen einfach zu bereisen. Die Tickets kann man direkt beim Busbahnhof kaufen oder reservieren lassen. Alternativ koennen meist die Hotels, Casas Particulares oder Reisebueros in der jeweiligen Stadt eine Reservierung machen. In einer größeren Touristenstadt angekommen kann man zu den gaengigen Reisebueros gehen, naemlich Cubaturs und Havanaturs, um Ausflüge zu organisieren oder zu Infotur für jegliche Touristeninformation. Auch die Casas Particulares sind eine gute Quelle fuer Informationen aller Art. Oft haben sie Kontakte zu einem Reisefuehrer  oder Fahrradverleih. Die verlaesslichste und uneigennuetzigste Informationsquelle, da die einzige die keine Kommission erhaelt, sind andere Reisende. Es lohnt sich immer etwas rumzufragen und sich erst danach zu entscheiden. In der Casa de la Musica, Casa de la Ciudad, Artex und Casa de la Trova gibt es Musik und/oder andere kulturelle Veranstaltungen.

Da wir ohne jeglichen Plan nach Kuba gereist sind, konnten wir unterwegs, ohne Internet, nicht wie sonst auf Tripadvisor nach guten Unterkuenften fahnden. Stattdessen fuhren wir entweder ohne Reservierung in einen Ort und klapperten dort einige Casas ab, bevor wir etwas fanden, was uns gefiel. Meist sahen wir uns zwei bis drei Casas an. Oder die Casa Besitzer, die gut vernetzt sind, fragten uns vor der Abreise wohin es gehe und ob sie fuer uns eine befreundete Casa im Zielort reservieren sollten. Meist stimmten wir zu wenn uns die Casa Besitzer sympatisch waren und dann holten uns die neuen Gastgeber am Busbahnhof ab. Das Taxi zur Casa muss man aber selber zahlen, und so hatten wir keine Bedenken das Zimmer abzulehnen, falls es uns nicht gefiel. In diesem Fall empfahlen uns die Besitzer sogar meist die Casa eines Freundes, oder wir liefen einfach etwas rum. Man muss nur nach dem Symbol für eine Casa Particular Ausschau halten: es sieht einem blauen Anker ähnlich. Alternativ holten wir auch gerne Tipps für eine gute Unterkunft von anderen Reisenden ein, die bereits in dem Ort zu dem wir wollten waren.

Noch etwas zum Preislevel: Wir haben für unsere Unterkuenfte meist 20CUC (=20$) gezahlt, fürs Frühstück nochmals 3CUC und fürs Abendessen 6CUC pro Person. Die Preise sind immer auf Verhandlungsbasis. Meist fragten die Besitzer erst nach 25 CUC pro Nacht. In Havana kosten die Casas 30CUC und das Fruehstueck 5CUC pP. Wenn das Fruehstueck mehr als 3CUC und das Abendessen mehr als 6CUC gekostet hat, gingen wir meist in einem Cafe oder an einem Stand essen. Findet man ein staatliches Cafe oder ein Fenster aus dem Privatpersonen Essen verkaufen, kann man Cafe und Brötchen mit Rührei für unter 1CUC fuer zwei Personen kaufen. Das ist natürlich weniger gemütlich, aber schont den Geldbeutel. Mittags aßen wir meist an den vielen Fenstern aus denen heraus Pizza verkauft wurde. Die sind gar nicht schlecht und kosten grade einmal 0,50$. Abends suchten wir uns ein gemütliches Restaurant in dem wir fuer 4-8CUC pro Hauptspeise gut aßen, selbst Hummer und Shrimps. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man in Kuba meist kein besseres Essen bekommt, wenn man mehr bezahlt. Ab 4 CUC bekommt man immer etwas Gutes. Man sollte sich dabei an private Restaurants mit einheimischer Währung, also moneda nacional, kurz MN, halten. MN kann man in der Casa de Cambio wechseln. Taxen kosten für Auslander 0.75-1CUC pro Kilometer. Harte Verhandlungen senken den Preis drastisch. Insgesamt haben wir 45 euro pro Person und Tag in Kuba ausgegeben.

Zuletzt noch unsere Lieblings-Casas:

1) Santa Clara: Hostal Mirador; jamorales@uclv.edu.cu; +53 42 205855
2) Havana: Casa Densil; www.casadensil.com; +53 54 139336
3) Baracoa: Casa Yindra; zindrazruben@gmail.com; +53 21 645193

Bleibt nur noch vor den zahlreichen Betrugsversuchen zu warnen, siehe früherer Blogeintrag.

Buen viaje!

Kubas Topspots

Auf Kuba gibt es mehr als Sozialismus und Touristennepps. 

Ganz besonders bemerkenswert sind Kubas berühmten traumhaften Strände, die Unterwasserwelt und Meeresbewohner. So sind wir an der Schweinebucht direkt vom Ufer aus losgetaucht und haben eine unglaublich schöne Unterwasserlandschaft gesehen. Das Wasser war extrem klar und man konnte meterweit sehen. Korallen in verschiedensten Formen und Farben begeisterten uns und ein paar interessante Meeresbewohner wie Hummer, Tintenfische und Löwenfische rundeten das Erlebnis ab. Ein Meeresbewohner, den ich schon immer aus der Nähe erleben wollte sahen wir in Cienfuegos. Das dortige Delfinario ist wunderschön in einer Bucht gelegen. Und dort konnte ich Delfine nicht nur streicheln sondern auch mit ihnen schwimmen. Die Delphine zogen uns mit ihren Flossen und balancierten uns sogar auf ihren Nasen. Unvergesslich.

 

Delfinario in Cienfuegos, Playa Giron und Strand in der Naehe von Cienfuegos


Eine etwas unerwartetere Seite von Kuba entdeckten wir in Viñales. Dort befindet sich unter Schutz der UNESCO eine märchenhafte Karstlandschaft. Der Blick auf diese Landschaft ist so saftig grün und schön, dass wir uns gar nicht satt sehen konnten und einen ganzen Tag zwischen der Terrasse eines Restaurants und einem Pool mit gleicher Aussicht hin und her wechselten. Natürlich kann man auch durch die Landschaft hindurch wandern. Dann findet man Felder, auf denen, laut der Vermieterin unserer Casa Particular, der beste Tabak der Welt angebaut wird. Man sieht Wasserbüffel den Pflug ziehen, aber auch alte Traktoren, Bauern mit Cowboyhüten und gegerbten Gesichtern und junge Männer auf Pferden. Es ist eine romantische Idylle in der man aber dank der anderen Touristen, die man alle halbe Stunde sieht aber nicht vergessen kann, dass der bescheidene Wohlstand der Region neben der Landwirtschaft vor allem vom Tourismus stammt. Anders als in anderen Regionen profitiert die große Mehrheit der Einheimischen vom Tourismus und heißt die Touristen dementsprechend 
willkommen.


Wandgraffiti in Santa Clara


In Santa Clara haben wir mit Fernando und Marilis endlich die Art von Casa Particular Gastgebern gefunden auf die wir uns in Kuba gefreut haben. Ab dem zweiten Tag gehörten wir mit zur Familie, nahmen an Gesprächen mit Nachbarn und Familie teil, redeten über Politik, das Auswandern und den kubanischen Alltag. Marilis ging sogar mit mir zum Frisör und stellte mich als ihre Nichte vor, damit ich einen fairen Preis bekomme und die Frisur gut wird. Fernando versorgte uns mit bester lateinamerikanischer Musik, seiner Leidenschaft, und wir gaben Tips zum Marketing des Zimmers im Zeitalter des Internets, denn die beiden sind noch neu im Casa-Geschäft. Zum Abschied verdrückte Fernando sogar eine kleine Träne. Auch sonst fanden wir in Santa Clara, obwohl touristisch eher uninteressant, alles was wir suchten: schöne Cafés, gute und günstige Restaurants, hilfsbereite Kubaner und das alternative Kulturzentrum Mejunje, in dem Konzerte für kubanische Studenten statt für ausländischen Touristen gegeben werden.


Zu guter letzt haben wir in Kubas Oriente das entspannt karibische Barracoa für uns entdeckt. Die Landschaft ist malerisch und abwechslungsreich. Der schweißtreibende Aufstieg des nahen Berges El Yunque bietet einen traumhaften Ausblick, einzigartige tropische Flora und Fauna und eine Abkühlung im Fluss. Andererseits laden zahlreiche schwarze und weiße Strände zum faulenzen und wenig befahrene Strassen zum Radfahren ein. Und im Städtchen selbst ist so wenig los, dass man abends ganz entspannt auf dem Balkon mit Meerblick sitzen bleiben kann.