Sonntag, 28. September 2014

Ein lohnenswerter Dorfbesuch im Schatten des Kilimanjaros

Nachdem wir beschlossen hatten keine Freiwilligenarbeit zu leisten, brauchten wir einen Plan B. Arusha, im Norden von Tanzania, ist bekannt für seine Safaris in der Serengeti und dem Ngorogoro Krater. Solche Safaris kosten hier mindestens 120 US$ am Tag pro Person und das auch nur wenn man  die super Sparversion nimmt. Die im Lonely Planet aufgelisteten Preise für eine Unterkunft im Serengeti-Nationalpark kosten bis zu 1700 US$ pro Nacht im Doppelzimmer und im Schnitt 500US$. In einem Land in dem das Durchschnittseinkommen bei kaum 100US$ im Monat liegt. Etwas weiter östlich in Moshi, ist die Hauptattraktion der Kilimanjaro. Will man ihn besteigen, muss man pP 1200 - 2000US$ auf den Tisch legen plus den obligatorischen 200US$ "Trinkgeld" für die Träger und Wanderführer.

Gut, dass wir bereits für einen Bruchteil des Gelds Safaris in Südafrika gemacht hatten und den 6088m hohen (und somit fast 200 m höher als der Kilimanjaro) Huayna Potosi in Bolivien bestiegen hatten. Das Problem war nur, dass wir somit bereits zwei der drei Hauptattraktionen von Tanzania auslassen würden. Von Zanzibar, der dritten Hauptattraktion würden wir erst in sieben Wochen nach Hause fliegen. Was sollten wir also mit der verbleibenen Zeit anstellen?

Von Moshis Kilimanjaro fuhren wir ins nur 70km entfernte Dörfchen Usangi, wo wir das Dorfleben sehen und in den Pare-Bergen wandern wollten. Die Fahrt dorthin war eng und holprig. Wir fuhren mit einem etwas größerem Van. In Deutschland hätten hier zwei bis drei Personen in jede Reihe gepasst. In den anderen Ländern die wir bereist haben vier Personen. In Tansania waren es fünf, auf vier Sitzen.

Obwohl das Dorf im Lonely Planet genannt wird, waren wir die einzigen Weißen im ganzen Dorf. Die im Reiseführer aufgeführte Herberge fanden wir aber problemlos und auf einem großen Schild versprach sie "modern rooms and VIP suites" und das im gleichen Gebäude befindliche Restaurant "modern restaurant for fast food". Das ganze sah auf den ersten Blick vielversprechend aus. Auf dem zweiten Blick jedoch eher skurril. Im Restaurant saßen vier Leute, jeder an einem eigenen Tisch, im Halbdunkeln und mit einem Bier in der Hand. Währenddessen versuchte jemand, den Fernseher zu reparieren, der ein dumpfes aber ohrenbetäubendes Dröhnen von sich gab. Als wir eintraten um nach einem Zimmer zu fragen, starrten uns alle an und selbst der Rezeptionist war sichtlich erstaunt uns zu sehen. Wie wir später im Gästebuch sahen, waren wir seit einer Woche die ersten Ausländer. Außer uns schlief niemand im Hotel, aber der Fernseher dröhnte auch ein paar Stunden später immer noch.

Im Reiseführer stand, dass man an der örtlichen Schule nach einem Führer für Wanderungen in die Umgebung fragen sollte. Wir machten uns also auf den Weg. Dabei schauten uns alle Passanten interessiert an und winkten oder grüßten. Einige wirkten auch erst zu schüchtern aber kurz bevor sie an uns vorbei waren sagten sie noch schnell "Good evening". Wir freuten uns jedesmal und erwiderten den Gruß auf Suaheli. Wie zuvor auf der Busfahrt, sahen wir Frauen ihre Ware auf dem Kopf und ihre Kinder auf dem Rücken tragen. Wir sahen auch eine kleine Keramikbrennerei, die hauptsächlich von Kindern aber auch ein paar Frauen betrieben wurde. Vereinzelnt saßen ein Mann oder eine Frau mit ihrer zu Fuß angetriebenen Nähmaschine vor ihrer Hütte. Eine Gruppe von Teenager-Mädchen kam uns mit ihren Hacken zum beackern der Felder entgegen und kicherten laut als Thorben den Gruss eines Mädchen erwiderte. Wir hatten deutlich das Gefühl, dass wir hier einen Ort gefunden hatten, der mit Tourismus noch nicht viel Berührung gehabt hatte.

Am Straßenrand wurde auch Obst und Gemüse angeboten: Tomaten, Gurken, Bananen, Paprika und Mais. Hier sahen wir auch zum ersten mal viel mehr Frauen mit Schleiern und Männer mit muslimischen Gebetskappen als bisher. Insgesamt sah das Dorf, dessen Hauptstrasse noch nicht einmal geteert war, zwar hinterweltlich, aber nicht arm aus. Es gab erstaunlich wenig Müll auf der Straße. Im Gegenteil, wie wir am nächsten Tag feststellten, wird die Straße sogar jeden Tag gefegt. Die Gebäude waren größtenteils aus Steinen mit ein paar Lehmhütten dazwischen. Was vor allem einen guten Eindruck erweckte war die geschäftige Atmosphäre im Dorf. Überall wurde etwas verkauft oder produziert. 

An der Schule angekommen, fragten wir nach dem Direktor. Als dieser irgendwann schick angezogen vor uns stand und mich nur fragend anschaute, als ich ihm erklärte, dass wir gerne wandern möchten, erkannten wir wie seltsam unsere Aussage für ihn klingen musste. Nur weil der Direktor dieser Schule vor fünf Jahren einem LP-Autor einen Guide vermittelt hatte, hieß das noch lange nicht, dass es diesen Direktor noch gab, oder dass er diesen Service für jeden machen würde. Nach einer kurzen Denkpause und mit der Hilfe seiner Assistentin, erhellte sich aber das Gesicht des Direktors und bald darauf stand Herrmann vor uns. Herrmann ist der BWL-Lehrer der Schule, aber weil er jeden Tag 30min zur Schule läuft und Englisch spricht, wurde er zu unserem Wanderführer auserkoren. Kurz hatten wir ein schlechtes Gewissen, weil das wohl bedeuten würde, dass für die Schüler am nächsten Tag der BWL Unterricht ausfallen würde. Aber Herrmann versicherte uns, dass grade Ferien seien und wir verabredeten uns für den nächsten Tag.

Auf dem Rückweg wurden wir noch von einem Mann, der mit uns im selben Van aus Moshi gekommen war, abgefangen und in sein Haus gebeten. Dort saßen wir mit ihm und seinem 16-jährigen Sohn, der uns eine Cola kaufte und ab und zu für seinen Vater Daniel übersetzte. Daniel hatte sich schon ziemlich einen hinter die Binsen gekippt, was ihn sehr redselig aber leider nicht sehr verständlich machte. Er zeigte uns Bilder aus seiner Jugendzeit und ein Bild seiner Mutter. Seine Mutter sah auf dem Bild aus wie eine übelst gelaunte, dicke Mutti. Ich musste scharf nachdenken um etwas positives zu sagen: "Your mother looks like a strong woman". Stolz nickte er.
Danach erzählte uns Daniel noch von den Deutschen und den Engländern, die irgendwann hier waren. Irgenwann schien er uns erklären zu wollen, dass der Holocaust eine gute Sache gewesen wäre, was uns dann ziemlich unangenehm war. Da uns eine Diskussion nicht sehr zielführend erschien, brachten wir ihm dann umständlich bei, dass wir nun gehen müssten.

Bevor wir aber ins Bett gingen, mussten wir noch etwas zu Essen auftreiben. Unser Restaurant hatte auf Grund von zu wenig Nachfrage kein Essen. Aber auch sonst gab es im Dorf, trotz aufwendiger Suche, kein Restaurant und keinen Imbiss. Schließlich kauften wir von einem freundlichen Kioskbesitzer ein Getränk, was wir stilecht vor dem Kiosk tranken. Wir kauften ihm noch etwas Brot ab und aßen es mit der aus Arusha mitgebrachten Marmelade auf unserem Zimmer.

Am nächsten Tag standen wir, typisch Deutsch, mit unserer besten Outdoor-Ausrüstung vor der Schule. Herrmann kam pünktlich und im selben Outfit wie am Vortag: mit Stoffhose, Hemd, Blazer und billigen Lederschuhen. Wir marschierten durchs Dorf und Herrmann wurde fast so oft begrüßt wie wir. Selbst der Pfarrer hielt an um mit ihm einen Plausch zu halten. Wir folgten einem Trampelpfad, der von Dorfbewohnern genutzt wird um Feuerholz zu holen und um zum Markt des Nachbarorts zu gelangen. Ich war überrascht, wie grün es in den Pare-Bergen ist. Überall wurden Bananenbäume kultiviert, auch sonst wurde jede Menge angebaut und oben auf den Berggipfeln gab es einen richtigen Wald, oder das was nach jahrelanger Feuerholzsuche übrig geblieben ist. So hatte ich mir Afrika auf keinen Fall vorgestellt.

Herrmann konnte uns zwar nicht viel über irgendwelche Pflanzen und Tiere erzählen, dafür natürlich um so mehr über das Schulsystem. Wie bereits beschrieben, sind die Grundschulen auf Kisuaheli und die weiterführenden Schulen auf Englisch. Was wir ziemlich unnütz finden, da Herrmann zum Beispiel zwar relativ gut Englisch sprach, aber keineswegs wirklich fließend. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wieviel ein Kind, was kaum Englisch spricht von ihm auf Englisch über BWL lernt: nix. Die Intention ist  natürlich gut, dass die Kinder Englisch lernen sollen, aber ich glaube das geht auf die Kosten des Inhalts sämtlicher anderen Fächer. Und Herrmanns Schule ist noch nicht mal die günstige öffentliche Schule, bei der die Lehrer wahrscheinlich noch schlechter englisch sprechen, sondern eine private Schule. Für die öffentliche Schule müssen die Eltern etwa 100$ im Jahr zahlen, für die private schon 1000$ - fast soviel wie das durchschnittliche pro Kopf Einkommen.

Nachdem Herrmann etwas Vertrauen zu uns gefasst hatte und erfahren hatte, dass wir beide Christen sind, erzählte er uns auch, dass das Zusammenleben zwischen den Christen und den Muslimen zwar friedlich aber nicht ohne Spannungen sei. Er persönlich fand es nicht so gut, dass die Muslime mehrere Frauen haben können und zudem viel zu viele Kinder. Auch die Tatsache, dass es im ganzen Dorf keine Schweine gab, nur weil die Muslime diese nicht mögen, missfiel ihm. Er hatte insgesamt das Gefühl, dass das öffentliche Leben zu viel von den Muslimen dominiert würde. Er erklärte uns, dass die Eltern einer Frau von den Eltern des Manns eine Mitgift erhalten, wenn diese sich vermählen. Dieser Brauch gefiel ihm ganz und gar nicht. Es sei als verkaufe man seine Tochter. Und diese könnte dann nicht mehr zurück nach Hause kommen, wenn sie von ihrem Mann nicht gut behandelt würde.

Generell fand er, dass auch zu viele junge Männer nur rumhängen würden und stehlen würden statt zu arbeiten. Obwohl dies etwas abgenommen habe seitdem es die Motorräder gibt. Die jungen Männer würden jetzt oft als Motorboys arbeiten. Wenn jemand etwas Geld übrig hat, kauft er sich ein Motorrad und heuert einen Motorboy an. Dieser muss dann jeden Abend einen Teil des eingenommenen Geldes abgeben. Manchmal erinnerten mich seine Ansichten verdächtig an deutsche Stammtische, aber sie waren auch sehr interessant.

Als wir wieder im Dorf ankamen, war grade Markt und wir guckten uns mit Herrmann dort um. Es gab Obst, Gemüse, Stoffe, getrocknete Fische, fritierte Bananen oder Teigtaschen, ganz billige Flipflops, 2nd-Hand Schuhe und Klamotten. Das ganze wurde meist von Frauen feilgeboten und eingekauft. Da hier alle Frauen Röcke tragen, wollte ich mir einen Rock kaufen um nicht unsittlich zu wirken. Weit und breit gab es aber keine Röcke. Das einzige was ich fand, waren die typischen Sackkleider die vornehmlich von kräftigen afrikanischen Mamas getragen werden. Herrmann fragte für mich überall und kam zu dem Schluss, dass ich mir den Rock wohl nähen lassen musste. Er stellte mich seiner Schneiderin vor, die mir einen Stoff und einen Schnitt vorschlug, die mir gut gefielen. Ich fragte Sie, ob Thorben ein Foto von uns machen dürfe und sie nickte schüchtern. Am Ende fragte sie Herrmann, ob ich ihm das Foto emailen könnte. Als wir von ihrem Stand weggingen, kamen auch direkt ein halbes Dutzend Frauen um neugierig mit ihr zu quatschen, wahrscheinlich über uns. Wir kauften noch ein paar frittierte Bananen von einer Mama mit mobiler Kochstelle.

"Mama" ist übrigens der gängige Name für alle Frauen mittleren Alters. Falls sie einen Sohn haben, werden sie nach ihm genannt, sonst nach der ältesten Tochter, z.B. würde Thorbens Mutter "Mama Thorben" und meine "Mama Angela" heißen. Falls man die Frau nicht näher kenn sagt man einfach nur: "Gib mir zwei Bananen, Mama!". Das ist sehr respektvoll gemeint. (Zu mir haben auch schon ein paar mal Leute Mama gesagt und einen bösen Blick dafür kassiert. Jüngere Frauen werden Schwerster genannt.) Herrmann drückte einem Kind auch noch ein paar Münzen in die Hand, was dann loslief um uns Getränke zu kaufen. Er kam, was in Deutschland wohl kaum denkbar ist, mit den Getränken und dem Wechselgeld wieder. Etwas, was in Afrika normal ist, wie wir schon öfters mitbekommen haben. Kinder werden von allen Erwachsenen des Dorfs mit kleinen Botendiensten beauftragt, unentgeldlich natürlich.

Bevor wir uns von Herrmann verabschiedeten, fragten wir ihn noch nach einem Restaurant für das Abendessen. Er runzelte die Stirn, und brachte uns in ein kleines Häuschen in dem mehrere Bänke und Tische aufgestellt waren. Dort wechselte er einige Worte mit der Mama des Hauses. Die guckte wenig glücklich, und sagte ab und zu etwas. Auf unsere Nachfrage, erklärte Herrmann, dass die Mama eigentlich nur Mittags kocht und nun überlegt ob sie nur für uns am Abend kochen wolle. Da sie offensichtlich keine Lust hatte, lehnten wir dankend ab, dann eben doch wieder Toastbrot... . Aber Herrmann hatte noch einen Plan B. Etwas weiter vom Markt entfernt, kannte er eine Mama die für die Motorboys kocht. Diese Mama war dann auch recht glücklich über unseren Besuch und wir vereinbarten, dass wir abends zum Essen wieder kommen würden.

Das Essen war kulinarisch, wie bisher immer in Tanzania, nicht sehr ausgereift. Aber es war trotzdem spannend dort zu sein. Die Mama kochte in ihrer Lehmhütte auf der offenen Holzkohlestelle. Die Wände waren mit Zeitungspapier tapeziert und verrußt. Wir waren offensichtlich die Hauptattraktion an diesem Abend, und die Schwester der Mama setzte sich zu uns und versuchte sich mit uns auf Kisuaheli zu unterhalten. Als das nicht so gut klappte, versuchte sie uns ein paar Wörter beizubringen, was ganz lustig war. Wir aßen Ugali, was es hier fast immer gibt. Ugali besteht aus Mais, sieht so ähnlich aus wie Kartoffelbrei, ist aber viel fester und hat überhaupt keinen Geschmack, macht aber für wenig Geld sehr satt. Es dient dazu die Soße aufzusaugen. Dazu gab es Spinat und getrockneten und in Tomatensoße gekochten Fisch. Der ganze Fisch war ganz schön schwer zu essen mit dem Löffel den wir bekommen hatten. Die Tanzanianer essen eigentlich, zumindest hier in der Gegend, mit den Händen. Was wir dann auch taten, weil wir sonst den Fisch nicht hätten von den Gräten trennen koennen.

Am Abend fiel ich erschöpft ins Bett, obwohl es erst 21 Uhr war. So viele neue Eindrücke und soviel Aufmerksamkeit von allen Seiten machen müde. Auch wenn wir die spektakulärsten Highlights von Tansania bisher ausgelassen haben, hatte ich den Eindruck einen sehr interessanten Teil Tansanias kennengelernt zu haben. Und das ganz ohne ein Vermögen auszugeben. Denn wenn man nicht in einen Nationalpark geht oder auf den Kilimanjaro möchte, dann ist Tanzania recht günstig. Die 70km Fahrt nach Usangi kostet zum Beispiel 2 Euro pro Person (dafür dauert es dann aber auch 6h), eine frittierte Banane kostet 7 Cent, unser Abendessen hat 1,50 Euro gekostet, mein maßgeschneiderter und todschicker Rock kostete 7,50 Euro inkl. gutem Trinkgeld und Herrmann hat 30 Euro von uns beiden bekommen.

Die Pare-Berge sind auf jeden Fall einen Besuch wert!

Dienstag, 23. September 2014

Das Geschäft mit dem guten Gewissen

Es ist schwierig ein Land im Vorbeifahren oder während einer geführten Tour kennenzulernen. Daher wollten wir wie in Indien eine Zeit für ein soziales Projekt arbeiten. In Arusha, Tanzania, hatte Kirsten Barbara eine Hostel empfohlen die Freiwillige und Projekte zusammenbringt.

Schon bevor es los ging, auf dem Weg vom Flughafen zur Hostel, fielen uns die vielen Schilder für Waisenhäuser, Schulen und andere von Ausländern gesponserten sozialen Einrichtungen auf. Auch die meisten Autos dort waren, wenn es keine Safarijeeps waren, von  Hilfsorganisationen. Die T-Shirts, die von vielen Männern getragen wurden, waren offensichtlich aus der Altkleidersammlung: Aus Deutschland sahen wir zum Beispiel T-Shirts mit Aufdrucken wie "Volksbank Kurpfalz" oder "Deutschland bewegt sich". Aus den USA waren unsere Highlights ein T-Shirt von einem High-School-Cheerleaderteam und von einem Familientreffen von 2012. Auf den ersten Blick erschien uns das etwas sehr viel, man hört und liest ja dass zu viel Hilfe oft irgendwann nur noch Korruption und Nehmermentalität fördert. Ein Eindruck, der sich bald verfestigen sollte.

Unser ungutes Gefühl wurde noch verstärkt als wir uns am Wochenende mit anderen Gästen in der Hostel unterhielten, die teilweise auch als Freiwillige gearbeitet hatten. Wir hörten von einer Schule, in der der Unterricht  ausschließlich von ausländischen Freiwilligen, meist ohne entsprechende Ausbildung und nur für relativ kurze Zeit vor Ort, bestritten wurde. Auch bat oder besser gesagt drängte der Schuldirektor die Freiwilligen am Ende ihres Aufenthalts, etwas zu kaufen oder zu spenden. Die Sachspenden verschwanden danach jedoch regelmäßig und die Vermutung lag nahe wo man sie finden könnte. Auch die Erfahrungen von anderen gingen in die Richtung. Viele Organisationen schienen wenig durchdachte Konzepte zu haben, stattdessen aber genaue Vorstellungen, wieviel materiellen Beitrag Freiwillige liefern sollten.

Wir nahmen uns also vor, uns die Hilfsorganisationen genau anzuschauen, und falls nichts sinnvolles dabei wäre, nicht zu volunteeren. Unser Touristenvisum haben wir daher am Ankunftstag auch noch nicht in ein Volunteer-Visum umgewandelt.

Als erstes gingen wir zum Pippi-Haus (ich glaube Pippi heißt hier etwas anderes als bei uns...). Es ist ein Haus, in dem Mädchen und junge Frauen wohnen, die vorher obdachlos waren. Viele haben Erfahrungen mit Vergewaltigung und Prostitution, einige leben mit ihren kleinen Kindern dort. Der Gründer, Aristide, wohnt auch im Haus und erklärte uns, dass er dieses Projekt gestartet hat, als er in einer anderen Hilfsorganisation arbeitete. Damals sei ihm aufgefallen, dass es meist nur Hilfe für Jungen aber nicht für Mädchen gab. Er gab seinen Job auf und nahm mehr und mehr Mädchen bei sich und seiner Frau zu Hause auf, bis aus der Idee selber eine richtige Hilfsorganisation geworden war. Wir waren überzeugt von der Integrität des Besitzers und bewunderten seine Hingabe. Die Frauen und Mädchen mit ihren schweren Schicksalen erfahren nun Sicherheit und Geborgenheit und erhalten dank der vom Pippi-Haus bezahlten Schule eine zweite Chance. Das Projekt gefiel uns sehr. Vielleicht waren wir etwas voreilig gewesen, als wir der Hilfsindustrie so skeptisch gegenüber gestanden hatten.

In den nächsten eineinhalb Tagen schwankten wir noch ein wenig, ob wir voluntieren wollten. Einerseits konnten wir uns durchaus vorstellen, im Pippi-Haus zu helfen, andererseits fragten wir uns, ob unsere Hilfe dort wirklich gebraucht wurde. Denn laut dem was wir von anderen hörten, ist die Freiwilligenarbeit hier für die meisten Organisationen eher so etwas wie PR. Die Mzungu (suaheli für Weiße) kommen, entwickeln eine Beziehung zu den Leuten und spenden deshalb dann umso lieber. Wenn also die Arbeit selber eher eine Selbstfindung für uns Europäer ist, dann ist es natürlich auch folgerichtig, dass wir dafür zahlen sollen. Viele Freiwillige hier werden über Organisationen verschickt, die mehrere tausend Euro für die Vermittlung verlangen und die Hilfsorganisationen hier vor Ort verlangen oft, dass man zum Antritt auch 100-500$ und einen Koffer voll Sachspenden mitbringt. Auch der Staat will etwas vom "Geschäft mit den Freiwilligen" oder vielleicht doch eher vom "Volunteering-Tourismus" abhaben: das Visum für Freiwillige kostet 200$.
Da uns unsere Zeit zu wertvoll ist, und wir auch nicht dafür zahlen wollten um zu arbeiten, sank unser Interesse. Was uns allerdings den Rest gab, waren die Ratten in unserem Hostel. Sie flitzten nach Einbruch der Dunkelheit zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, was und ziemlich anekelte.

Wir hatten unsere Entscheidung also bereits getroffen, wollten uns aber trotzdem noch die anderen Projekte anschauen, weil wir in jedem Land, das wir bereisen, später etwas spenden wollen. Also begleiteten wir am Montag morgen zwei Neuseeländerinnen, die unter Führung von einem Hostelangestellten ein paar Schulen anschauen wollten, um eventuell dort zu spenden. In der ersten Schule bekamen wir die Klassen gezeigt. Es war eine Vorschule in der die Kinder Englisch lernen sollten, damit sie in der auf Englisch unterrichteten weiterführenden Schule besser mitkämen- die Grundschule ist jedoch auf Suaheli. Irgendwie fanden wir das Konzept nur semi-überzeugend. Die Schulleiterin erklärte uns noch, wie sehr Hilfe gebraucht würde, da im Moment für vier Klassen nur eine Lehrerin da sei. Wir sahen allerdings drei Lehrerinnen, die auf dem Schulhof saßen und mit ihren Handys beschäftigt waren. Als wir die Klassen (alle im Vorschulalter) anschauten kamen sie dazu und zeigten, wie schön die Kinder Englisch gelernt hätten. Das Wissen war aber doch sehr begrenzt, vor allem weil die Lehrerinnen selber kaum Englisch konnten. Wir dachten bei uns etwas überheblich: Wieder einmal kein tragfähiges Konzept, aber die Mzungu können es ja richten.

Nach etwa 20 min verabschiedeten wir uns wieder und gingen. Wir kamen aber nicht weit, weil uns etwa 100m von der Schule entfernt ein Mann mit Anzug anhielt und sich als Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde auswies. Ohne weitere Erklärung wurden wir aufgefordert, wieder zur Schule zurück zu gehen, wo zwei weitere Beamte dazu trafen. Wir wurden im Büro der Direktorin versammelt, wo wir alle vier wie Verbrecher aufgestellt worden. Die Herren Immigrationsbeamten setzten sich dagegen auf drei der vier Stühle. Ich überlegte kurz, ob es die Dynamik der Situation sehr ändern würde, wenn er sich auch setzen würde, entschied mich dann aber doch gegen das Experiment.

Recht unwirsch wurden wir gefragt, was wir an der Schule machten. Wir erklärten, dass wir sie nur besucht hätten. Als nächstes fragten sie, welche Visa wir hätten. Die beiden Neuseeländerinnen sagten, dass sie ein Volunteer-Visum beantragen wollten. Als sie dann auch noch versicherten, dass sie dem Hostelbesitzer schon die 200$ gegeben hatten, damit er das mache, durften sie gehen. Wir waren nun alleine mit den Beamten.

Wir hielten uns an unsere Wahrheit, das wir Touristen seien und somit auch nur ein Touristenvisum hätten, und waren damit schnell als Hauptziel auserkoren. Uns war klar, dass es bei der ganzen Geschichte nur um Geld ging, und daher konnte ich mir das dann folgende Theater relativ gelassen anschauen - Barbara ging es genau so und wir sagten uns, dass wir uns möglichst viel merken wollten, um einen schönen Blogpost daraus zu machen, wenn wir schon zahlen müssten. Und wir bekamen wirklich etwas geboten. In den Hauptrollen gab es den Bad Cop (der,der uns eingesammelt hatte), den Good Cop und den erstmal noch wenig sagenden aber böse guckenden Boss.

Der Bad Cop eröffnete das Verhör und bellte uns an: "Was macht ihr hier?", "Sieht das wie ein Touristenort aus?", "Ist das Tourismus für euch?", "Wisst ihr nicht, dass ihr zum Arbeiten ein anderes Visum braucht?". Während er sich dann kurz aus Suaheli mit dem Boss besprach, erklärte der Good Cop uns, dass es ja nur um die Sicherheit des Landes ging. Wir sollten Verständnis haben. Ist klar, deswegen haben sie zum Beispiel eine andere Deutsche, die dort wirklich arbeitete nicht mal angesprochen. Er meinte auch, hätte er uns in der Serengeti oder am Kilimandjaro getroffen, wäre es ja kein Problem gewesen. Aber eine Schule, sei doch kein Ort für Touristen. 

Nach etwa 20 Minuten sprach dann der Boss. Dieser Ort sei ja nicht touristisch, und daher müsse er davon ausgehen, dass wir gearbeitet hätten. Wir versuchten es noch einmal mit Logik. Wer Montags morgens um halb 11 eine Schule verlässt nachdem er am Wochenende eingereist ist, der hat dort ja ganz offensichtlich nicht gearbeitet. Es half nichts. Wir würden jetzt zur Hostel fahren, damit er in unseren Pass gucken könne. Ein etwas mulmiges Gefühl hatten wir schon, als wir alleine, ohne die Neuseeländerinnen und den Hostelangestellten, 'abgeführt' wurden und los fuhren. Trotzdem hatte die Situation immer wieder auch etwas skuriles, fast lustiges. Und das lag an der Mischung aus übertriebenem Ernst der Beamten einerseits und jeglichem Fehlen von Professionalität andererseits. Das Auto mit dem fuhren zum Beispiel sah mit seinen plüschigen, zart rosa Sitzkissen auch eher wie das Auto eines Zuhälters aus als wie das eines Offiziellen.

Auf dem Weg zur Hostel wurde dann die Preisverhandlung eröffnet, indem auf einer schlechten Schotterstraße der Boss fragte, ob die Straßen in Deutschland auch so schlecht seien. Als ich sagte, ja manche schon, glaubten sie mir natürlich nicht und betonten noch ein paar mal, wie gut es Deutschland wirtschaftlich gehe. Die beste Antwort darauf lieferte Barbara: "Das liegt daran, dass bei uns die Beamten nicht korrupt sind." Als sie mir das auf deutsch sagte, war es nicht einfach ernst zu bleiben. Überhaupt - deutsch reden - sehr praktisch. Wir konnten im Auto alle Details unserer Version der Ereignisse abgleichen, absprechen, wie viel Bargeld wir noch wo hatten und so weiter. Wie unpraktisch wäre es gewesen, wenn wir englische Muttersprachler wären.

Den letzten Akt der Verhandlungen leiteten die Herren ein, indem sie sich unsere Pässe zeigen ließen. Natürlich war da nichts überraschendes drin zu sehen, wir hatten ja schon gesagt, dass wir ein Touristenvisum hatten. Viel wichtiger war aber, dass sie jetzt unsere Pässe hatten und erst heraus geben würden, wenn wir einen Deal gefunden hatten. Sie wiederholten auch nochmal ihre Preisvorstellung. Eigentlich 600$ pro Person Strafe aber weil sie so nett seien und Verständnis für uns hätten müssten wir nur 200$ pro Person zahlen.

Aber einen Pfeil hatten wir auch noch im Köcher. Während ich mir weiterhin die Argumentation anhörte, schaffte Barbara es, sich ein Handy mit Guthaben auszuleihen (gar nicht so einfach) und die deutsche Botschaft anzurufen. Nachdem sie den Sachverhalt erklärt hatte, sprach der Botschaftsmitarbeiter mit dem Bad Cop. Was genau geredet wurde konnten wir nicht verstehen, weil es auf Suaheli war, aber es gefiel dem Bad Cop nicht. Trotzdem war der Rat des Botschaftmitarbeiters an uns, zu zahlen, denn wir könnten unsere Unschuld auch nicht beweisen.

Danach ging es recht schnell. Die Konfrontation mit einer offiziellen Stelle gefiel den Beamten offensichtlich gar nicht. Sie waren sauer, fragten ob das wirklich nötig gewesen sei und wollten jetzt eher schnell weg. Sie fragten, wieviel Bargeld ich mit mir hätte. Nach Übergabe von 120$ bekamen wir unsere Pässe wieder, versprachen, die Stadt am nächsten Tag zu verlassen und die Herren fuhren.

Das Versprechen, die Stadt zu verlassen hat uns gar nicht weh getan. Neben unserem etwas enttäuschenden Bild von der Freiwilligenarbeit und dem größeren Rattenproblem in der Hostel, war mein Gepäck erst 2 Tage nach mir angekommen und zwischendurch hatte sich noch ein Insektenbiss an meinem Fuß so entzündet, dass der Fuß dick wie nach einem Bänderriss war, aber röter, und ich mir im angeblich besten Krankenhaus des Ortes Antibiotika holen musste. Wir reservierten also einen ganz besonderen Platz in unserer Erinnerung an die Weltreise für Arusha und zogen am nächsten Tag weiter.

Samstag, 20. September 2014

Südafrika: unser Fazit

Unser erster Eindruck von Südafrika war nicht so positiv. In den ersten Tagen sind uns die Trennung und gegenseitigen Vorbehalte zwischen den Hautfarben deutlich aufgefallen - vielleicht vor allem weil wir aus Brasilien kamen, wo der Umgang ganz anders ist.

Und drängte sich der Eindruck auf, dass die Weißen die Schwarzen noch immer in Kolonialmanier dominieren obwohl das Land eigentlich den Schwarzen gehört. Was wir nicht wussten ist, dass Südafrika viel komplizierter und vielschichtiger ist. Dass die weißen Südafrikaner Britischer, Holländischer und Deutscher Herkunft in vielen Gegenden bereits genauso lange wie die schwarzen Bantu-Südafrikaner wohnen. Oder dass es mit den "Coloured" noch eine weitere Gruppe gibt, die eben nicht nur die Mischung aus schwarz-weiß ist. Wenn man noch die große indisch-stämmige Minderheit und (je nach Schätzung) 2-7 Millionen illegale Einwanderer aus anderen afrikanischen Ländern dazu nimmt, dann ist klar, dass die südafrikanische Realität keinesfalls so schwarz/weiß ist wie wir anfangs dachten und wir in den vier Wochen nur ein paar kleine Ausschnitte erleben konnten. Es ist nicht klar ob es den Schwarzen ohne die Weißen besser oder schlechter ginge, da die Weißen das Land  entwickelt haben. Sie haben  Infrastruktur und Landwirtschaft aufgebaut, wovon die Schwarzen zumindest in den letzten beiden Jahrzehnten auch profitieren können. Was aber  wissenschaftlich bewiesen ist, ist das starke Ungleichheit unglücklich macht. Vermutlich ein Grund für die hohe Kriminalitätsrate.

Für uns ist das Leben der weißen Südafrikaner natürlich am einfachsten zugänglich, weil es unserer Kultur so ähnlich ist und es auch recht bequem ist. In Johannesburg und vor allem in Kapstadt fühlt man sich wie in Europa. Obwohl ich doch, mehr als unsere Freunde die hier wohnen, den Eindruck habe, dass einen die Bedrohung beraubt zu werden ziemlich einschränkt. Man kann durchaus Dinge unternehmen, aber man hat doch stets die Sicherheitslage im Hinterkopf. Zum Beispiel hätte ich mich gerne mit dem Tablet in einen Park gesetzt um diesen Blog zu schreiben, was ich aber aus Sicherheitsgründen nicht getan habe. Auch muss man wissen in welches Viertel man nach Anbruch der Dunkelheit noch gehen kann. Bei einer groß organisierten Radtour durch Johannesburg nach Einbruch der Dunkelheit, hatte Thorben in einer nicht besonders guten Gegend einen Platten. Von einem Herumstehenden wurden wir zunächst freundlich angesprochen und als Thorben das nicht direkt mitbekommen hat, wurde derjenige recht aggressiv. Alleine wäre ich dort nicht gerne rumgelaufen. Vor allem in Johannesburg, aber auch in Kapstadt bewegt man sich am besten mit dem Auto fort, da es sicher und bequem ist.

Im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern sind südafrikanische Städte aber teilweise ein Traum. Sie sind sauber, haben einen einigermaßen funktionierendes Verkehrssystem und zumindest ausserhalb der Townships gute Wohnmöglichkeiten. Kapstadt ist wirklich toll gelegen. Zwischen Bergen und Meer bietet es allen Outdoorliebhabern genügend Abwechslung: wandern, surfen, kayaking, ect. Die nahen Weingüter sorgen auch noch für Genuss. Und das beste ist natürlich das Wetter. Zu mindest als wir dort waren, strahlte die Sonne im Winter bei 26 Grad.

In Kapstadt haben wir dann auch zum ersten mal gespürt, dass das Land dabei ist, langsam zusammen zu wachsen. Es gibt eine schwarze Mittelschicht und gemischte Paare. Vielleicht ist dies sogar ein Erfolg der Regierung, die durch Quoten von schwarzen Mitarbeitern in der Managementebene für neue Vorbilder und Aufstiegsperspektiven sorgen möchte. Allerdings ist Kapstadt auch historisch gesehen der liberalste Teil Südafrikas gewesen. Dort wurde z.B. als erstes die Sklaverei abgeschafft und für gewisse Rechte der schwarzen Bevölkerung gesorgt.

Dank Bobby, unserem Couchsurf-Gastgeber, haben wir einen kleinen Einblick in den landwirtschaftlich geprägten Osten des Landes bekommen. Hier hatten wir den Eindruck, dass Schwarze und Weiße zwar miteinander bzw die ersteren für die letzteren arbeiten, sie jedoch noch sehr unterschiedlich und separat leben. Die Weißen besitzen oft die Farmen und die Schwarzen sind - wenn sie Arbeit haben - dort angestellt. Hier versucht die Regierung mit den Aufkäufen von Ländereien und der Überschreibung an Schwarze für Durchmischung zu sorgen. Laut Bobby mit nur mäßigem Erfolg, da die schwarzen Farmer aus mangelnder Erfahrung oft direkt wieder Pleite gingen.

Von den traditionellen Sitten der Schwarzen haben wir eine kleine Kostprobe im Xhosa-Dorf Bulungula und einem Siswati-Dorf das wir in Swasiland besucht haben, bekommen. In diesen Gegenden schien die Zeit noch still zu stehen und das Leben geht seit Jahrzehnten seinen gewohnten Gang. Von Modernität und Fortschritt konnten wir dort wenig spüren, dafür aber umso mehr von Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit. Insgesamt ist dieser Teil Südafrikas wesentlich schwerer zu erreichen und zu erfahren als der städtische Teil des Landes. Wären wir ohne Mietwagen und dafür mit den Minivan-Taxen unterwegs gewesen, hätten wir mit Sicherheit einen besseren Einblick in diesen Teil der südafrikanischen Gesellschaft bekommen - dafür aber vielleicht ein wenig "informelle Vermögensumverteilung" oder nennen wir es "Entwicklungshilfe" geleistet. Sprich, wahrscheinlich wären wir um unsere Rucksäcke erleichtert worden.

Wir haben in Südafrika aber auch mehr als in anderen Ländern einfach Urlaub gemacht und zum Beispiel einen großen Teil unserer Zeit  in Nationalparks verbracht. Da wir beide noch nie in Afrika waren, waren Zebra, Elefanten und Co für uns etwas ganz besonderes. Dazu kommen noch schön gelegene Lodges, guter Wein und leckere Steaks, so dass Südafrika absolut gute Erholungs-Qualitäten hat. Allerdings haben diese auch ihren Preis - dadurch, dass wir in den letzten vier Wochen mit Mietwagen unterwegs waren und uns auch sonst eher das Urlaubsprogramm als den Abenteuertrip gegönnt haben, hat Südafrika unsere Reisekasse bisher von allen Ländern am stärksten belastet.

Alles in allem war Südafrika ein idealer Einstieg für unsere weitere Reise in Afrika. Wir konnten soviel Neues erleben wie wir wollten und uns doch auch wieder in eine uns vertraute Welt zurückziehen, wenn uns danach war.

Freitag, 5. September 2014

Safari!

"Lass uns nicht so lange in Südafrika bleiben. Da kann man nur auf Safari gehen. Der Rest des Landes ist total europäisch und hat mit Afrika nix zu tun!" Wie man sich täuschen kann. Das Südafrika sehr wohl eine schwarze Seele hat, haben wir ja bereits beschrieben. Das man hier auf Safari gehen kann, stimmt allerdings. Was uns aber überraschte war, dass uns das Tiere Beobachten so einen Spaß machte. Wir waren insgesamt sieben Tage in vier verschiedenen Nationalparks mit wilden Tieren. Aber was genau finden Menschen toll daran Tiere zu beobachten?

1) Exotische Tiere, die man nur aus dem Fernseher oder dem Zoo kennt, in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen ist beeindruckend.

Unsere ersten afrikaninschen Tiere waren Antilopen, Zebras und Gnus im Golden Gate Park. Das fanden wir schon ziemlich beeindruckend, vor allem als wir auf einer Wanderung, fern ab von anderen Leuten, auf Gnus gestoßen sind. Zugegebenermaßen waren sie noch recht weit weg, ca. 500m, aber die Tiere können ganz schon schnell rennen und haben eine Statur wie ein sportlicher Bulle. Ich jedenfalls war froh, dass sie uns nicht bemerkten.

Danach ging es in den Addo Elephant Park, wo wir uns mit Co, Ira, Kimi und Verena trafen. Weil wir uns verpasst hatten fuhren Thorben und ich schon mal eine kleine Runde alleine durch den Park. Und sammelten jede Menge Endorphine. Erst schauten wir uns völlig verzückt die elegant tänzelnden und gleichzeitig plump wirkenden Warzenschweine an - die alle anderen links liegen ließen. Als wir dann nur ein wenig weiter fuhren blieb und fast das Herz stehen. Ein Elefantenbulle steckte seinen Kopf aus dem Gebüsch und betrat vorsichtig die Straße nachdem er gesehen hatte, dass wir anhielten. Was für ein riesiges Tier. Und was für eine intime Begegnung, denn außer uns war niemand auf der Straße. Wir fühlten uns als hätten wir im Lotto gewonnen.



Impalas sind hier so ziemlich das langweiligste Tier, das es gibt. Wir fanden sie trotzdem schön

Kurz danach folgte ein weiterer Elefantenbulle und dann eine Elefantenfamilie. Mit der waren wir zwar nicht alleine, aber sie gingen so nah an unserem Auto vorbei, dass wir nur die Arme aus dem Fenster hätten halten müssen um sie anzufassen. Danach bekamen wir den Tipp zu einem Wasserloch zu fahren. Dort gab es ca. 100 Elefanten, große und kleine, Männlein und Weiblein, junge und alte. Überall gab es etwas zu sehen: einige badeten, andere fraßen, andere schmusten und wieder andere kämpften. Und wir so nah daneben, dass wir es nicht nur sehen, sondern auch hören und riechen konnten. Was für ein Spektakel.



2) Man freut sich wie ein Honigkuchenpferd wenn einem ein Tier unverhofft über den Weg läuft nachdem man die Hoffnung auf eine Tiersichtung schon aufgegeben hatte.
Wenn man den ganzen Tag rumfährt und nichts beeindruckendes sieht - wie gesagt, Warzenschweine gelten in Südafrika als langweilig, genau wie die meisten Antilopenarten, Strauße und Zebras, weil es einfach zu viele von ihnen gibt - und wenn man dann ein seltenes Tier sieht, hat man das Gefühl ein Glückspilz zu sein. Das passierte uns am zweiten Tag: 6h fuhren wir im Schneckentempo umher und sahen nichts besonderes. Eine halbe Stunde bevor das Tor zum Nationalpark zumachte, wollten wir dann einfach nur schnurstraks zum Camp fahren. In der kurzen Zeit sahen wir dann nicht nur Elefanten und Zebras hautnah, sondern erst zwei Büffel und dann sogar ein seltenes Spitzmaulnashorn. Und zwar beide direkt auf der Straße. Wir strahlten vor Glück als wir an unserer Unterkunft ankamen.




Am übernächsten Tag fuhren wir eine letzte kleine Runde in den Park bevor wir weg mussten. Am letzten Wasserloch an dem wir anhielten stockte uns der Atem. Wie für uns drapiert, tronte ein Löwe auf einem kleinen Hügel und ruhte sich von seinem Frühstück aus, einer Antilope die er gerissen hatte und die noch vor ihm lag. Ein majestätischer Anblick und gleichzeitig eine Erinnerung daran, dass die Tiere hier wirklich wild sind und keine süßen Hauskatzen.




3) Das Adrenalin schiesst einen in die Adern wenn man ein Tier in Aktion erlebt

Die meisten Tiere, die man sieht, grasen entweder oder dösen in der Sonne. Wenn sich ein Tier aber mal regt, wird es umso spannender.

Einen ersten Eindruck davon bekamen wir auf einer Sonnenuntergangsfahrt mit Ranger. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchteten wir mit grossen Scheinwerfern aus dem Auto um nachtaktive Tiere zu suchen. Zunächst sahen wir einige schlaftrunkende Antilopen. Noch als wir uns eine Herde Kudos anschauten, die uns der Ranger zeigte, rief dieser "Oh, shit" und stieg voll auf die Bremse. Er hätte fast einen riesigen Elefantenbullen angefahren, weil er zur Seite geguckt hatte. Der Bulle war "in Mast", was soviel wie "geil" heißt, und somit ziemlich aggressiv. Der Ranger setzte sofort 30m zurück und wir hielten die Luft an, als der Elefant auf uns zu kam und waren erleichtert, als er von der Straße runterging und im Gebüsch verschwand. Schon kurz danach sahen wir eine kleine Herde mit einem jungen Elefanten. Die Tiere sahen entspannt aus und wir schauten uns die Gruppe an. Als wir dann aber unsere Scheinwerfer auf das Elefantenkind richteten, wurde eine Elefantenkuh sichtlich aufgeregt. Sie flatterte mit den Ohren und kam auf uns zu gestürmt. Wir riefen dem Ranger nur zu: go, go, go! Und fuhren davon. Meine Halsschlagader pochte noch stark als wir im Camp ankamen.

Im Krügerpark hatten wir dann unsere aufregendste Begegnung mit Elefanten. Die Elefanten im Krügerpark sind etwas nervöser als in anderen Nationalparks, weil sie vor ein paar Jahren bejagt wurden, als es zu viele von ihnen gab. Und da Elefanten bekanntermassen ein gutes Gedächtnis haben, sind sie bis heute nicht so gut auf Menschen zu sprechen. Nur etwa eine Woche zuvor hatten zwei verschiedene Elefanten zwei Autos auf den Kopf gedreht und die Insassen dabei stark verletzt. Wir waren also noch etwas vorsichtiger beim Beobachten von Elefanten als wir es ohnehin schon waren, und hielten immer Abstand.

Manchmal kann man es aber nicht vermeiden nah an ihnen vorbei zu fahren, nämlich dann, wenn sie dicht an der Strasse stehen und man sie erst sieht nachdem man um die Kurve gefahren ist. So standen wir also nur wenige Meter von einer kleinen Elefantengruppe entfernt. Einer mittelgroßen Elefantenkuh gefiel das gar nicht und sie flatterte sie mit den Ohren und kam einige Schritte auf uns zu. Wir verstanden und fuhren ein paar Meter weiter. Um dann aber festzustellen, dass wir nur die halbe Gruppe gesehen hatten, der Rest stand nun vor uns auf der Strasse. Um die Tiere nicht zu nerven, hielten wir an und wollten zwischen den beiden Teilen der Gruppe warten bis sie die Strasse räumen würden. Ganz wohl war uns dabei aber nicht. Schließlich hatten wir nun hinter uns und vor uns Elefanten, und somit keinen Fluchtweg.






Zu unserem Unglück hörten wir ein Trompeten hinter uns. Kein gutes Zeichen. Als wir in die Richtung schauten aus dem das Geräusch kam, sahen wir ein kleines Elefantenjunge, was neugierig auf uns zu lief und sehen wollte, was dieses weiße eckige Ding, in dem wir saßen, war. Leider kam das Trompeten aber nicht von dem Kleinen sondern von seiner großen Schwester, die uns schon zuvor weggejagt hatte. Sie kam auf uns zu gerannt und war sichtlich aufgebracht. Wir mussten weg. Aber vor uns und hinter uns waren Elefanten. Das Adrenalin schoss in unsere Adern und unser Überlebensinstinkt war geweckt. Aus der Richtung aus der das Junge kam, sah ich eine kleine Stichstrasse vom Weg abgehen. Thorben setzte zurück und wir hofften vor dem Jungen und vor allem vor seiner großen Schwester zur Stichstrasse zu kommen. Mit zitternden Händen aber trotzdem souverän, fuhr Thorben in die Stichstrasse. Jetzt hofften wir nur, dass uns weder das Junge noch seine große Schwester folgen würden. Die große Schwester schubste das Kleine weiter, kam uns ein paar Meter hinterher, flatterte mit den Ohren und stellte sich auf einen Hügel. Gottseidank blieb sie stehen und ging nach ein paar sehr langen Sekunden weiter. Wir blieben noch 10 min in unserem Versteck bis wir uns langsam hinauswagten. Wir mussten weiter, denn sonst würden wir es nicht mehr rechtzeitig vor der Sperrstunde zum Ausgang schaffen. Die Herde war weitergezogen, aber erst nach ein paar Kilometern setzte die Erleichterung ein. Wir waren zugleich vollkommen fertig und total aufgekrazt. 

Aber auch ohne eigene Beteiligung ist es spannend, Tiere in Aktion zu sehen. Am spannendsten fand ich die Wasserlöcher die von Krokodilen belagert wurden und an denen die Antilopen, Warzenschweine, Zebras und andere trotzdem trinken mussten. Die trinkenden Beutetiere waren sichtlich nervös und sprangen bei der kleinsten Bewegung davon. Auch Kämpfe innerhalb der Tiergruppen konnten wir beobachten. So sahen wir mehrfach wie sich Elefantenbullen mehr oder weniger ernsthaft bekämpften. Wir sahen auch miteinander kämpfende Giraffen, die zwar weniger adrinalinfördernd, dafür aber umso lustiger aussahen.  Beim Kämpfen stehen die Girafen immer ganz dicht nebeneinander und attakieren sich mit ihren Köpfen. Sie schwingen ihre Hälse wie ein Pendel um dann mit Kraft ihre Hörner in die Brust der anderen Giraffe zu schleudern.

Elefantenbullen im Rangordnungskampf



4) Waehrend einer Buschwanderung erlebt man die Tiere hautnah und mit allen Sinnen aber auch mit mehr Respekt.

 Bei der Wanderung hatten wir nochmehr das Gefühl im natürlichen Lebensraum der Tiere zu sein, weil wir uns nicht auf der Straße aufhielten sondern querfeldein liefen. Als wir bei Sonnenaufgang durch den Busch liefen kam ich mir reichlich verletzbar vor, auch wenn zwei bewaffnete Ranger mit uns unterwegs waren. Ich schaute mich permanent um, um nach gefährlichen Tieren Ausschau zu halten. Es ist aber ziemlich schwer diese gut getarnten Tiere mit ungeübtem Blick aufzuspüren. Was aber wesentlich besser funktionierte als mein Sehsinn, war mein Gehör. Immerhin hörte ich den Elefanten bereits als er noch 200m von uns entfernt war. Ich sah ihn aber erst als wir bereits 30m vor ihm standen. Gottseidank störte er sich überhaupt nicht an unserer Anwesenheit, und ich war noch beeindruckter von der Größe des Elefantens als ich es vorher gewesen bin. Kurz danach sahen wir eine kleine Gruppe Nashörner. Sie waren etwas nervös, weil sie uns hörten, aber nicht recht wussten, ob sie vor uns weglaufen sollten. Komischerweise hatte ich gar keine Angst vor den Tieren als ich sie beobachtete. Aber ich war trotzdem froh, dass die beiden Ranger da waren.



Barbara beim Morning Walk, mit Elefant im Hintergrund

Noch eine Bekanntschaft vom Morning Walk

Wie fragten uns, wie schnell die beiden Ranger ihre Waffen im Notfall aufheben koennten
5) Den ganzen Tag in der Natur sein ist Balsam fuer die Seele.

Auf Safari verbringt man den ganzen Tag draußen. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn eigentlich verbringt man die meiste Zeit im Auto. Was da eine bessere Alternative ist, sind die Backpack-Touren. Da wandert man drei Tage mit seinem Rucksack, Zelt und Proviant in einer Gruppe von 8 Leuten im Nationalpark und schlägt sein Zelt dort auf wo es grade passt, völlig ohne Zäune oder Sanitäranlagen. Leider fehlte uns die Ausrüstung dazu, sonst hätten wir so eine Tour liebend gerne gemacht. Aber man braucht ja immer einen Grund um nochmal wieder zu kommen. Am nächsten dran an diesem Erlebnis waren die Bushwalks, siehe oben, und eine Nacht im Safarizelt mit Lagerfeuer. Dort hört man die ganze Nacht die Geräusche der Wildnis und der Sternenhimmel ist so schön zu sehen wie selten.

6) Oder sind es einfach nur unsere Instinkte, die bei einer Safari geweckt werden?

Vielleicht weckt so eine Safari auch unseren Jagdinstinkt. Wir fahren im Park umher, bewaffnet mit unserem Fernglas und unserer Kamera und spüren die Tiere auf um so mit unseren Kameras zu verewigen. Vielleicht ist es aber auch eher unser Sammlerinstinkt. Denn auch das Sammeln von Pilzen setzt Endorphine frei. Hat man nämlich nach langer Suche endlich einen großen Pilz gefunden, ist die Freude groß. Genauso ging es uns mit den Tieren. Es ist das unberechenbar. Man weiß nie ob und wann und wo man was sieht. Und eigentlich hat man auch keinen Einfluss darauf. Und dann die große Freude, wenn man ein Tier besonders nah, oder in einem besonders schönen Moment erblickt. Dann denkt man sich, was für ein Glück man doch grade hatte, dann man grade jetzt genau hier vorbeifährt.

Ein gewissen Voyeurismus ist natürlich auch dabei. Die Tiere ignorieren die Autos meist und nehmen sie gar nicht war. Wir konnten die Tiere also einfach und schamlos beobachten. Wie sie spielen, kämpfen, poppen, fressen und schlafen. Das ganze hat schon was von Big Brother und wenn was spannendes passiert, filmen wir es auch gerne. Peinlich ist uns das ganze höchstens wenn wir von anderen dabei gesehen werden. So sahen wir am Wegesrand einen Pavian und hielten, genau wie ein Pärchen in einem anderen Auto, an. Knappe drei Meter von unseren Autos enfernt setzte sich das Maennchen hin und schaute abwechselnd in unsere Autos. Dann meinte Thorben: "Guck mal, der kratzt sich am Bauch." Nein, es war nicht der Bauch und der Pavian kratzte sich auch nicht. Nachdem wir kapiert hatten, was vor sich ging, schauten wir peinlich berührt aus den Augenwinkeln das Pärchen im anderen Auto an, die das selbe taten. So ein Affe ist dann doch schon zu menschlich. Wir fuhren davon, in unterschiedliche Richtungen.

Auch die Gefahr spielt eine Rolle. Das Wissen, dass es sich um wilde Tiere handelt, von denen uns manche sogar töten könnten, flößt einem Respekt ein und uns lief ein Schauer über den Ruecken als wir den Löwen mit seiner Beute sahen. Denn auch die Tatsache, dass es bei den Tieren hier wirklich ums Überleben geht, macht die Sache viel spannender. Wenn man eine Antilope trinken sieht und sieht, dass sich ein Krokodil auf den Weg in seine Richtung gemacht hat, wird man ganz aufgeregt. Insgeheim hofft man, dass die Antiope das Krokodil nicht sieht und man einen Kampf sehen kann. Die Antilope könnte ja im letzten Moment noch entkommen, aber irgend eine sadistische Fazination für diesen Überlebenskampf hatten wir schon. Den einzigen "kill" den wir sahen, war allerdings nur ein Vogel, der einen Wurm gefunden hatte.

Zur Jagd bewegen sich sogar Loewen

Das einzige Tier, dass wir wirklich beim "Kill" gesehen haben


Gepard auf der Pirsch


Andere Tiere wecken eher als den Jagd- oder Fluchtinstinkt einen Mutterinstinkt. Elefäntchen oder kleinen Affen wuerde man das vielleicht zutrauen. Aber auch einer Hyaene?







Man ist von der Wildnis fasziniert. Aber so richtig erklären, kann ich es nicht. Vielleicht will man auch einfach nur vor anderen mit seinen Tiererlebnissen prahlen :)

Barbara





Mittwoch, 3. September 2014

Swasiland: vom heiligen Geist und heiligen Kühen

Unser beeindruckenstes Erlebnis in Swasiland war ein zionistischer Gottesdienst. Vergesst die leeren Kirchenbänke und die Gläubigen mit ihren ernsten Mienen in Deutschland, vergesst sogar die Glaubensshow in Brasilien mit ihrem Schlagzeug und der Powerpoint-Präsentation in Brasilien. Hier in Swasiland nimmt der Glaube eine völlig andere Dimension ein!

Die Kirche selber ist nur ein etwa 40m2 großer Lehmbau mit Bänken an den beiden Seiten und einem Tisch für den Pastor vor Kopf. Als wir ankamen war sie noch fast leer, und der Pastor begrüßte uns freundlich (unterstützt von einem Guide, der für uns übersetzte). Schon mit den ersten fünf Leuten, die ankamen, fing der Pastor an zu singen. Und zwar im Kanon. Es hörte sich an als ob ein ganzer Chor singen würde. Nach und nach trudelte der Rest ein, die meisten in einer Art Kirchenrobe. Die Männer brachten einen Stab mit, der etwas von einem Speer mit Axt hatte aber das Kreuz symbolisieren soll. Als es dann los ging wurden als erstes zwei neue Mitglieder interviewt und dann von allen anderen Anwesenden per Handschlag willkommen geheißen. Danach wurde die Robe der neuen Mitglieder geweiht, was mich stark an Hexenkunst erinnerte. Denn der Pastor hielt die Neue im Arm, die Robe zwischen ihnen eingequetscht, und betete dazu irgendeine Zauberformel, während die Gemeinde wieder sang. Während all dem verstanden wir natürlich nichts von dem was der Pfarrer sagte, aber wir hörten ihm trotzdem so gebannt zu wie alle anderen, von Jung bis Alt. Er war ein extrem charismatischer Mann, der mich an den alten Medizinmann mit dem Stab bei "König der Löwen" erinnerte.





Danach wurde es dann wirklich wild. Die Bänke wurden rausgetragen. Ein Gemeindemitglied nahm alle Speer-Kreuze, kniete sich in die Mitte des Raumes und begann inbrünstig zu beten - wobei das eher ein mit geschlossenen Augen zum Himmel brüllen war. Dazu begann der Pfarrer im Kreis darum zu gehen, die Gemeinde sang und klatschte. Nach und nach wurde der Gesang immer lauter und viele Leute folgten dem Pfarrer, so dass irgendwann eine Art Polonäse entstand. Die Menschen bewegten sich immer schneller, bis sie fast liefen. Die kleine Hütte bebte vom Rhythmus der Füße und die ganze Luft war erfüllt von einer Energie und Kraft, wie ich es noch nie erlebt habe. Das ganze schaukelte sich zu verschiedenen Texten, Rhythmen und Schrittfolgen immer weiter hoch, irgendwann kamen auch Drehungen dazu.


 


Einige Gläubige verließen vor Erschöpfung den Kreis. Andere hingegen tanzten sich in Trance. So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen und es war sehr beeindruckend. Manche Männer hatten offensichtlich keine Kontrolle mehr über ihren Körper, zuckten und schrien teilweise. Zwei Männer tanzten sich so in rage, das sie miteinander kämpften. Der eine Mann schubste den anderen aus dem Kreis, taumelte dann selber und flog hin. Woraufhin sich der erste Mann auf ihn stürzte, ihn von hinten strangulierte und in die Schulter biss. Daraufhin wurden sie von anderen Gläubigen und dem Pfarrer auseinander gebracht. Danach wurde der Rhythmus wieder langsamer bis sie ganz aufhörten zu singen und zu tanzen. Die meisten kamen wieder zu sich und waren sichtlich erschöpft. Drei Männer waren raus gebracht worden, weil sie immer noch vom "heiligen Geist" besessen waren. Für die anderen ging es nun mit einer Bibelstunde weiter. Wir verließen jedoch das Geschehen, denn der Gottesdienst würde noch vier Stunden dauern. Die ersten beiden Stunden waren jedenfalls wie im Flug vergangen.



Den Nachmittag und die Nacht verbrachten wir dann in bei einer Familie im Dorf. Wobei Dorf es eigentlich nicht ganz trifft, denn die Familien leben sehr verstreut. Eine Familie baut einige Rundhütten, die eng zusammen stehen und den Kraal - oder die Homestead - bilden. Darum ist Platz für die Kühe und ein wenig Anbau von Gemüse und Mais, und die nächsten Nachbarn sitzen unter Umständen erst einen Hügel weiter. Wir lernten einiges über die Kultur der Swasi, wie sie traditionell Hütten bauen, wie Familien zusammen leben und immer wieder, wie wichtig Kühe sind. Auf dem Land dreht sich alles darum, wieviele Kühe man hat. Wenn man gegen die Dorfregeln verstößt muss man eine Strafe in Form von Kühen bezahlen. Will man die Erlaubnis haben ein Haus zu bauen, muss man dem Chief eine Kuh geben, natürlich muss man auch für eine Braut 17 Kühe bezahlen. Das stehlen von Kühen ist zwar weit verbreitet aber auch eines der schlimmsten Verbrechen. Als ich wissen wollte wofür die Leute die Kühe den nutzen, verstand unser Guide meine Frage erst gar nicht. Ich schlug ihm vor: wegen der Milch, wegen dem Fleisch... Das bejahte er. Im Grunde sei eine Kuh aber wie eine Bank. Denn solange man eine Kuh besitze habe man Geld. Meine Frage danach wofür sie ihre Kuehe halten hatte sich also für ihn so angehört wie für uns die Frage wofür wir denn Geld bräuchten. Es ist als wäre die Zeit stehen geblieben in Swasiland. Jedenfalls auf dem Land und schließlich ist fast das ganze Land ländlich.

 
Nachdem wir die ganze Zeit gehört hatten wie wichtig Kühe sind, fanden wir es besonders interessant uns am nächsten Morgen das örtlichen Cattle-Dipping anzuschauen. Einmal in der Woche treiben alle Anwohner der näheren Umgebung ihre Kühe an einem Ort zusammen wo sie sie dann durch ein Desinfektionsbad treiben. Da jeder Kühe besitzt kamen ganz schön Viele zusammen. Offensichtlich gefiel den Kühen die Prozedur nicht, und besonders die Kälber sorgten immer wieder für Blockaden. Wir beobachteten das Treiben und wurden immer wieder sehr freundlich begrüßt. Viele Swazis kamen auch zu uns und begannen - über unseren Übersetzer - eine kurze Unterhaltung. Ausser dem Desinfektionsbad, was gegen Zecken gemacht wird, wurden die Kühe auch gezählt und registriert. Außerdem wurden einige Bullen kastriert. Das sah wirklich schmerzhaft aus, und die Tiere wurden dabei nicht betäubt. Thorben konnte sich das ganze gar nicht anschauen.





In einem wissenschaftlichen Experiment wäre Swaziland die perfekte Kontrollgruppe für Südafrika um die Frage zu beantworten, wie Südafrika aussehen würde ohne den deutlichen Einfluss der Europäer und ohne die Apartheid. Denn in Swasiland hat es nie viele Weiße gegeben, und es hat sich als kleines Land gehalten, dass bis heute von einem absoluten Monarchen regiert wird. Die Menschen in Swasiland sind bestimmt nicht wohlhabender als die Zulus und Xhosa in Südafrika. Sie sind in der Tat weniger entwickelt. Das Experiment würde aber zeigen, dass Menschen zufriedener sind wenn es keine großen Einkommensunterschiede im Land gibt. Selbst wenn das heißt, dass alle wenig haben. Na gut, bis auf den König und seine Familie, aber das ist kulturell akzeptiert.

Ein weiterer Unterschied zu Südafrika, ist das die Menschen wesentlich entspannter miteinander und mit uns umgehen. Südafrikaner sind auch sehr freundlich, aber irgendwie hatten wir den Eindruck, dass es zwischen Schwarzen und Weißen meist eine gewisse Spannung und Distanz gibt. Vielleicht bildet man sich das als Weißer auch nur ein, weil man irgendwie doch ein schlechtes Gewissen hat. Die Freundlichkeit der Swasileute ist dagegen ganz unbeschwert und offen. Man fühlt sich wirklich willkommen. Aber auch hier hat das Leben seine Schattenseite und in Swasiland kommt sie in Form von AIDS. Jeder dritte Swasi ist infiziert und die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei Mitte dreißig. Sei es wegen der Traditionen oder wegen mangelnder Aufklärung, die Ausbreitung der Krankheit kann seit Jahren nicht gestoppt werden.

Wir verließen Swasiland mit dem Gefühl ein Land besucht zu haben, dass noch stark in seinen Traditionen verwurzelt ist, in dem sich das Leben in den letzten 100 Jahren für Viele nicht sehr stark verändert hat und in dem die meisten Menschen respektvoll und freundlich miteinander umgehen.