Montag, 21. April 2014

Kalifornien: unser Fazit

Zwei Wochen in den USA und noch immer kein ordentlicher Artikel. Wie kommt das? Zum einen war zugegebenermaßen nach Asien die Batterie etwas leer und da war Kalifornien mindestens so sehr zum Ausruhen gedacht wie zum Erleben. Und zum anderen ist Amerika uns dann doch so viel ähnlicher als Asien, dass es auch gar keine so krassen Erlebnisse gibt, die geradezu danach schreien berichtet zu werden.

Der Wert der letzten gut 2 Wochen war daher (neben Erholung vom Unbekannten), dass wir zwischen dem größten kommunistischen Land der Welt und dem vielleicht letzten wirklich kommunistischen Land, Kuba, unser Amerika-Bild wieder etwas auffrischen konnten. Bis auf 3 kurze Tage in Miami Beach kam das nämlich noch von 1997 im Bible Belt bzw 2000 in Neuengland. Beides weit weg von Kalifornien und schon ziemlich lange her.

Um es kurz zu machen, ein einheitliches Bild gibt es weiterhin nicht. Im Gegenteil, ich würde sagen wir haben mindestens 2 verschiedene Länder gesehen. Das erste Land hat San Francisco als Hauptstadt. Die Stadt ist modern, ein bißchen grün-alternativ aber auch posch. Manche Gegenden erinnerten uns ans Frankfurter Nordend und manche an Berlin. San Francisco hat Meer und Parks, Cafés, Radfahrer, gutes Essen und ist sauteuer. Das liegt am Umland, dem Silicon Valley. Dort wird in so vielen Firmen von so vielen Leuten so viel Geld verdient, dass die Mietpreise in San Francisco mittlerweile sogar New York überholt haben. Das heißt aber  auch, dass es dank Google, Apple, Facebook, SAP :), Microsoft,... und Unis wie Stanford oder Berkeley wohl kaum eine Stadt weltweit mit so vielen intelligenten Menschen und hochkarätigen Jobs gibt. Wenn man dazu noch das kalifornische Wetter mischt, dann ist die Lebensqualität wirklich toll.

Zum Umland von San Francisco gehören auch Weingebiete und die spektakuläre Küste südlich der Stadt. Monterey und Carmel sind kleine, schöne, vielleicht leicht spießige Städtchen, in die die Nord-Kalifornier mit Geld am Wochenende ziehen. Man macht Weinproben und probiert biologisch angebaute Produkte vom Markt, man spaziert am Strand, schlendert durch Galerien oder sitzt im Café. Für die etwas weniger Anspruchsvollen gibt es in Santa Cruz Vergnügungsparks direkt am Strand, mit Achterbahnen, Allerlei Fritiertem und 1l Cola refill für nur 99 cent. Wir haben uns an eine der schönsten Beachvolleyball-Anlagen am wunderschönen Strand von Carmel gehalten. Nach einem Tag gehörten wir schon zur Beachscene und wurden von anderen (amerikanischen) Touristen gefragt, ob sie mitspielen dürften.

Folgt man dem Highway One weiter befindet man sich irgendwann südlich vom Nationalpark Big Sur (der einen eine Weile lang mit grandioser Natur ablenkt) wo sich die Atmosphäre ändert. Hier kommt jetzt die etwas proletische Seele des Landes heraus. Die hippen oder idylischen Küstenstädtchen machen langweiligen bis trostlosen Kleinstädten Platz. Gefühlt gibt es noch mehr Burgerläden, der Anteil der Monster-Trucks nimmt noch weiter zu und ein paar Konföderations-Fahnen habe ich auch gesehen. Am besten zusammengefasst wurde dieser Eindruck wohl in Pismo Beach. Dort konnte man mit seinem Auto über den Strand heizen um dann in einen Quad umzusteigen und durch die Dünen zu jagen.

Die Leute hier mögen ihr Auto. Dabei stehen sie nicht auf technische Raffinessen oder Schnelligkeit sondern auf Bequemlichkeit. Sie cruisen gerne durch die Stadt und manchmal hat man das Gefühl, dass ihr Hintern am Autositz festgetackert ist. Man fährt immer bis vor die Haustür um möglichst wenige Meter zu gehen. Am besten man bleibt direkt im Auto sitzen, dann holt man sich sein Essen beim Drive-Through und isst auf dem Parkplatz. Im Motel parkt man direkt vor dem Zimmer. Selbst Sightseeing kann man vom Auto aus machen. Man fährt über den Scenic Drive, biegt kurz vom Highway auf den Vista Point ab um die Aussicht zu genießen, man parkt direkt am Strand und blickt durch die Windschutzscheibe aufs Meer, ganz praktisch weil man da nicht eingesandet wird und einem auch nicht kalt oder heiß wird, oder man fährt eben mit dem Auto - nein warum sich beschränken - mit dem Wohnwagen direkt über den Strand. Das ganze heißt dann Vehicle Recreational Area.

Zu diesem zweiten Gesicht Kaliforniens gehört auch Los Angeles. Los Angeles ist in großen Teilen die Mutter aller langweiligen Kleinstädte. Über bestimmt 40x40km ziehen sich endlose gleichförmige Wohngebiete und Geschäftsstraßen mit den immer gleichen Ketten hin. Burger-Restaurants, Hometown-Buffets, Supermärkte und Apotheken, Autohändler und Motels. Während San Francisco manchmal schon etwas zu stylisch rüberkommt wünscht man sich in Los Angeles ein ganz klein bisschen Identität herbei. Ok, ganz fair ist die Einschätzung nicht. In Beverly Hills und Bel Air gibt es Die Schönen und Reichen und auch in der Nähe des Strands von Santa Monica war es nett. Es bleibt aber dabei, dass man diese Ecken suchen muss, und zwar immer mit dem Auto. Zu Fuß oder mit dem Rad hat man in LA keine Chance. Und allen, die ihr Vorurteil bestätigt sehen wollen, dass die USA im Niedergang begriffen sind, sei Hollywood empfohlen. Ich glaube, ich habe selten so viele kaputte Typen und runtergekommene ehemals glanzvolle Gebäude gesehen wie auf dem Walk of Fame. Selbst an der Strandpromenade von Venice Beach wo wir schicke Cafés und Austern-Restaurants erwartet hatten gab es nur eine an einen Flohmarkt erinnernde Ansammlung von Ramschgeschäften und Obdachlosenstände. Eine nette Bar haben wir dann aber doch gefunden.

Wir waren aber nicht nur an der Küste sondern und auf dem Highway One unterwegs sondern sind auf dem Weg zum Yosemite Nationalpark auch ins Landesinneren gekommen. Besonders aufgefallen ist uns wie dünnbesiedelt es dort war. Die wenigen Städte, durch die wir in unserer 4 Stündigen Fahrt kamen waren nicht sehr weit von den Städten, die wir vor 13 Jahren gesehen hatten, entfernt. Wiedermal weitläufige öde Kleinstädte. Unser Höhepunkt war ein Eingangstor zu einem Messegelände welches verkündete: Rodeohauptstadt der Welt. Leider hatten wir keine Zeit uns umzuschauen, aber immerhin sahen wir einige Leute mit Cowboyhüten.

Eine weitere Sache die sich nicht geändert haben sind die Türsteher. Im Silikon Valley wollten wir Davids letzten Abend in Kalifornien feiern. Wir machten uns schick und fuhren zu einer von der Frau an der Rezeption empfohlenen Bar (Ja natürlich, wir fuhren). Wir stiegen aber nicht aus denn das Viertel war ziemlich runter gekommen und wir wollten doch lieber im Auto sitzen, falls eine Schießerei ausbrechen sollte. Im Nachhinein war die Nachtwächterin vielleicht auch nicht die beste Informationsquelle. Wir fuhren weiter in das schicke Ausgehviertel. Nun ja, es war besser als das vorherige, aber nicht viel. Vor dem ersten Club den wir sahen wurden die Gäste auf Waffen untersucht. Aus den vorbeifahrenden gepimpten Autos kam Rap und schwarze junge Männer lehnten sich aus dem Fenster und checkten die Lage. Es war zwar schon viel los, aber viele der männlichen Passanten auf der Strasse hatten dunkle Kaputzenpullis und Jeans an und die meisten Passantinnen waren leicht bekleidet und stark geschminkt. Thorben und David mit ihrem Hemd bzw Poloshirt und ich mit meinen pinken Schläppchen waren eindeutig fehl am Platz. Ein paar Ecken weiter mischten sich etwas - für uns - normalere Leute unter die Passanten und eine Tanzbar sah auch ganz gut aus. Einziges Problem: man muss 21 Jahre alt sein um rein zu kommen. Naja, sollte eigentlich kein Problem sein. Aber weil ich meinen Ausweis nicht mit hatte liesen uns die Türsteher nicht rein. Mit 15 habe ich in Köln noch jeden Türsteher um den Finger gewickelt, aber die schwarzen Bouncer mit der Figur eines Schwergewichtboxers hatten kein Erbarmen. Unser Ausgehabend endete in einer Sportsbar, ich mit einem Kreuz auf der Hand, das mich als nicht alkoholfähig kennzeichnete, und mit einer Cola in der anderen Hand. Aber gelacht haben wir trotzdem.

So hat Kalifornien uns also zwei sehr unterschiedliche Seiten gezeigt - und ich glaube man kann der Beschreibung anmerken, welche uns besser gefallen hat. Trotzdem hatten aber beide natürlich auch Gemeinsamkeiten. Als erstes die Sprache. Nicht englisch, das ist ja klar, sondern spanisch. In Kalifornien ist aber auch wirklich jeder Farmarbeiter, Koch im Schnellrestaurant, Tellerwäscher und Zimmermädchen Mexikaner. Bei den Kellnern und Leuten an Hotel-Rezeptionen kommt es auf die Preisklasse des Etablissements an. Ab einem gewissen Level machen englisch-Muttersprachler den Service mit Kundenkontakt, abräumen oder Koffer tragen tuen aber immer die Mexikaner. Wir fanden es irgendwie witzig, dass Kalifornien erst zu Spanien, dann Mexico und dann den USA gehört hat und nun wieder in mexikanische Hand gerät.

Eine andere, tolle Eigenschaft in Kalifornien, die uns immer wieder aufgefallen ist, ist die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Amerikaner. Vielleicht waren wir besonders empfänglich dafür, nachdem wir in China doch eher angemuffelt wurden, jedenfalls haben wir die vielen Smalltalks genossen. Und so oft kamen dabei ganz nebenher ein paar wertvolle Informationen bei rum. Was wir meinen ist also nicht nur das sprichwörtliche "How ya doin", dass wir ehrlich-motzigen Deutschen ja immer gerne als oberflächlich abtun. Als wir in Santa Barbara gebeacht hatten und uns von unseren (auch grade erst kennen gelernten) Gegnern verabschiedeten wünschten uns auch die Feldnachbarn rundrum direkt noch einen schönen Tag. Schön, so willkommen zu sein.

Mit etwas Abstand -13 Jahren um genau zu sein- ist uns noch mehr aufgefallen wie wichtig es de Amerikanern ist sich zu vergnügen. Jeder wünscht einem viel Spass, eine glückliche Reise und einen tollen Tag. Irgendwie kommen uns die Amis etwas kindisch vor, wenn sie mit ihren Monstertrucks rumfahren, das süßeste und fettigste Zeug essen, sich im Vergnügungspark wie im Schlaraffenland vorkommen, Basketball Outfits zum Shoppen anziehen und am Strand in einem an einen Kinderspielplatz erinnernden Fitnesspark trainieren. Aber irgendwie bekommt man dann doch Lust mitzumachen und seine kulturelle und sozialisierte Abneigung gegen Kindereien abzulegen. Ach ja: am coolsten war dabei das Discoradfahren: mit einem bunt beleuchtenden und musikplärrenden Fahrrad durch die Gegend cruisen. Have fun!

Was sich geändert hat ist die Einststellumg vieler Amerikanern zur Umwelt. Während Barbara vor 13 Jahren noch beim Anblick von McDonalds Styroporbehältern, die während der Fahrt aus dem Auto geschmissen wurden, der Mund offen blieb, sieht man heute überall Schilder die selbiges mit 1000$ Bußgeld bestrafen. Mittlerweile sieht man kaum noch Abfall auf dem Highway. Es gibt sogar eine Carpool-Lane auf der nur Autos mit mehr als einer Person fahren dürfen. In der privaten Unterkunft in der wir übernachtet haben, wurde der Müll getrennt. Wir wurden auf die Trockenperiode in Kalifornien hingewiesen, mit der Bitte kein Wasser zu verschwenden und unsere Gastgeberin baute jede Menge Gemüse im Garten an. Generell scheinen mehr Leute auf die Qualität ihres Essens wert zu legen. Wir haben Biosupermärkte gesehen und auf Speisekarten immer wieder den Hinweis "organic" gefunden. Andererseits fahren die Amis immer noch viel und mit viel Sprit Auto und produzieren in den Fastfood Ketten weiterhin jede Menge vermeidbaren Müll.

In der Summe bleiben uns von Kalifornien vor allem die wunderschöne Landschaft im Gedächtnis, und die freundlichen, entspannten Leute. Zwischen Stränden, Klippen einerseits, Bergen, Riesenbäumen und Wasserfällen in den Nationalparks andererseits lässt es sich sehr gut die Natur genießen. An der Küste haben wir auch jede Menge Tiere beobachten können: Delphine, Wale, Seelöwen, Seeelefanten, Rehe, Kolibris, Pelikane, Greifvögel und Kormorane. Die lockere kalifornische Art, zusammen mi der Vorstellung nach der Arbeit noch ein wenig an den Strand zu gehen um zu Surfen oder Volleyball zu spielen ist durchaus reizvoll. Übrigens: Damit war San Francisco, vielleicht höchstens neben Bangkok, die erste und bisher einzige Stadt auf der Reise, in der wir uns hätten vorstellen können zu leben.

Für uns war die Zeit in Kalifornien aber auch noch aus einem ganz anderen Grund schön, und zwar weil wir die meiste Zeit mit Freunden verbracht haben. Erst haben wir Oana in San Francisco getroffen und dann hat uns David auf unserem Roadtrip begleitet. Es war schön wieder längere Gespräche mit Freunden zu führen und sich wie zu Hause zu fühlen. Mit ein bisschen Heimweh aber auch mit wieder aufgeladenen Batterien freuen wir uns jetzt auf Kuba.
Thorben und Barbara.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen