Montag, 21. April 2014

Kalifornien: unser Fazit

Zwei Wochen in den USA und noch immer kein ordentlicher Artikel. Wie kommt das? Zum einen war zugegebenermaßen nach Asien die Batterie etwas leer und da war Kalifornien mindestens so sehr zum Ausruhen gedacht wie zum Erleben. Und zum anderen ist Amerika uns dann doch so viel ähnlicher als Asien, dass es auch gar keine so krassen Erlebnisse gibt, die geradezu danach schreien berichtet zu werden.

Der Wert der letzten gut 2 Wochen war daher (neben Erholung vom Unbekannten), dass wir zwischen dem größten kommunistischen Land der Welt und dem vielleicht letzten wirklich kommunistischen Land, Kuba, unser Amerika-Bild wieder etwas auffrischen konnten. Bis auf 3 kurze Tage in Miami Beach kam das nämlich noch von 1997 im Bible Belt bzw 2000 in Neuengland. Beides weit weg von Kalifornien und schon ziemlich lange her.

Um es kurz zu machen, ein einheitliches Bild gibt es weiterhin nicht. Im Gegenteil, ich würde sagen wir haben mindestens 2 verschiedene Länder gesehen. Das erste Land hat San Francisco als Hauptstadt. Die Stadt ist modern, ein bißchen grün-alternativ aber auch posch. Manche Gegenden erinnerten uns ans Frankfurter Nordend und manche an Berlin. San Francisco hat Meer und Parks, Cafés, Radfahrer, gutes Essen und ist sauteuer. Das liegt am Umland, dem Silicon Valley. Dort wird in so vielen Firmen von so vielen Leuten so viel Geld verdient, dass die Mietpreise in San Francisco mittlerweile sogar New York überholt haben. Das heißt aber  auch, dass es dank Google, Apple, Facebook, SAP :), Microsoft,... und Unis wie Stanford oder Berkeley wohl kaum eine Stadt weltweit mit so vielen intelligenten Menschen und hochkarätigen Jobs gibt. Wenn man dazu noch das kalifornische Wetter mischt, dann ist die Lebensqualität wirklich toll.

Zum Umland von San Francisco gehören auch Weingebiete und die spektakuläre Küste südlich der Stadt. Monterey und Carmel sind kleine, schöne, vielleicht leicht spießige Städtchen, in die die Nord-Kalifornier mit Geld am Wochenende ziehen. Man macht Weinproben und probiert biologisch angebaute Produkte vom Markt, man spaziert am Strand, schlendert durch Galerien oder sitzt im Café. Für die etwas weniger Anspruchsvollen gibt es in Santa Cruz Vergnügungsparks direkt am Strand, mit Achterbahnen, Allerlei Fritiertem und 1l Cola refill für nur 99 cent. Wir haben uns an eine der schönsten Beachvolleyball-Anlagen am wunderschönen Strand von Carmel gehalten. Nach einem Tag gehörten wir schon zur Beachscene und wurden von anderen (amerikanischen) Touristen gefragt, ob sie mitspielen dürften.

Folgt man dem Highway One weiter befindet man sich irgendwann südlich vom Nationalpark Big Sur (der einen eine Weile lang mit grandioser Natur ablenkt) wo sich die Atmosphäre ändert. Hier kommt jetzt die etwas proletische Seele des Landes heraus. Die hippen oder idylischen Küstenstädtchen machen langweiligen bis trostlosen Kleinstädten Platz. Gefühlt gibt es noch mehr Burgerläden, der Anteil der Monster-Trucks nimmt noch weiter zu und ein paar Konföderations-Fahnen habe ich auch gesehen. Am besten zusammengefasst wurde dieser Eindruck wohl in Pismo Beach. Dort konnte man mit seinem Auto über den Strand heizen um dann in einen Quad umzusteigen und durch die Dünen zu jagen.

Die Leute hier mögen ihr Auto. Dabei stehen sie nicht auf technische Raffinessen oder Schnelligkeit sondern auf Bequemlichkeit. Sie cruisen gerne durch die Stadt und manchmal hat man das Gefühl, dass ihr Hintern am Autositz festgetackert ist. Man fährt immer bis vor die Haustür um möglichst wenige Meter zu gehen. Am besten man bleibt direkt im Auto sitzen, dann holt man sich sein Essen beim Drive-Through und isst auf dem Parkplatz. Im Motel parkt man direkt vor dem Zimmer. Selbst Sightseeing kann man vom Auto aus machen. Man fährt über den Scenic Drive, biegt kurz vom Highway auf den Vista Point ab um die Aussicht zu genießen, man parkt direkt am Strand und blickt durch die Windschutzscheibe aufs Meer, ganz praktisch weil man da nicht eingesandet wird und einem auch nicht kalt oder heiß wird, oder man fährt eben mit dem Auto - nein warum sich beschränken - mit dem Wohnwagen direkt über den Strand. Das ganze heißt dann Vehicle Recreational Area.

Zu diesem zweiten Gesicht Kaliforniens gehört auch Los Angeles. Los Angeles ist in großen Teilen die Mutter aller langweiligen Kleinstädte. Über bestimmt 40x40km ziehen sich endlose gleichförmige Wohngebiete und Geschäftsstraßen mit den immer gleichen Ketten hin. Burger-Restaurants, Hometown-Buffets, Supermärkte und Apotheken, Autohändler und Motels. Während San Francisco manchmal schon etwas zu stylisch rüberkommt wünscht man sich in Los Angeles ein ganz klein bisschen Identität herbei. Ok, ganz fair ist die Einschätzung nicht. In Beverly Hills und Bel Air gibt es Die Schönen und Reichen und auch in der Nähe des Strands von Santa Monica war es nett. Es bleibt aber dabei, dass man diese Ecken suchen muss, und zwar immer mit dem Auto. Zu Fuß oder mit dem Rad hat man in LA keine Chance. Und allen, die ihr Vorurteil bestätigt sehen wollen, dass die USA im Niedergang begriffen sind, sei Hollywood empfohlen. Ich glaube, ich habe selten so viele kaputte Typen und runtergekommene ehemals glanzvolle Gebäude gesehen wie auf dem Walk of Fame. Selbst an der Strandpromenade von Venice Beach wo wir schicke Cafés und Austern-Restaurants erwartet hatten gab es nur eine an einen Flohmarkt erinnernde Ansammlung von Ramschgeschäften und Obdachlosenstände. Eine nette Bar haben wir dann aber doch gefunden.

Wir waren aber nicht nur an der Küste sondern und auf dem Highway One unterwegs sondern sind auf dem Weg zum Yosemite Nationalpark auch ins Landesinneren gekommen. Besonders aufgefallen ist uns wie dünnbesiedelt es dort war. Die wenigen Städte, durch die wir in unserer 4 Stündigen Fahrt kamen waren nicht sehr weit von den Städten, die wir vor 13 Jahren gesehen hatten, entfernt. Wiedermal weitläufige öde Kleinstädte. Unser Höhepunkt war ein Eingangstor zu einem Messegelände welches verkündete: Rodeohauptstadt der Welt. Leider hatten wir keine Zeit uns umzuschauen, aber immerhin sahen wir einige Leute mit Cowboyhüten.

Eine weitere Sache die sich nicht geändert haben sind die Türsteher. Im Silikon Valley wollten wir Davids letzten Abend in Kalifornien feiern. Wir machten uns schick und fuhren zu einer von der Frau an der Rezeption empfohlenen Bar (Ja natürlich, wir fuhren). Wir stiegen aber nicht aus denn das Viertel war ziemlich runter gekommen und wir wollten doch lieber im Auto sitzen, falls eine Schießerei ausbrechen sollte. Im Nachhinein war die Nachtwächterin vielleicht auch nicht die beste Informationsquelle. Wir fuhren weiter in das schicke Ausgehviertel. Nun ja, es war besser als das vorherige, aber nicht viel. Vor dem ersten Club den wir sahen wurden die Gäste auf Waffen untersucht. Aus den vorbeifahrenden gepimpten Autos kam Rap und schwarze junge Männer lehnten sich aus dem Fenster und checkten die Lage. Es war zwar schon viel los, aber viele der männlichen Passanten auf der Strasse hatten dunkle Kaputzenpullis und Jeans an und die meisten Passantinnen waren leicht bekleidet und stark geschminkt. Thorben und David mit ihrem Hemd bzw Poloshirt und ich mit meinen pinken Schläppchen waren eindeutig fehl am Platz. Ein paar Ecken weiter mischten sich etwas - für uns - normalere Leute unter die Passanten und eine Tanzbar sah auch ganz gut aus. Einziges Problem: man muss 21 Jahre alt sein um rein zu kommen. Naja, sollte eigentlich kein Problem sein. Aber weil ich meinen Ausweis nicht mit hatte liesen uns die Türsteher nicht rein. Mit 15 habe ich in Köln noch jeden Türsteher um den Finger gewickelt, aber die schwarzen Bouncer mit der Figur eines Schwergewichtboxers hatten kein Erbarmen. Unser Ausgehabend endete in einer Sportsbar, ich mit einem Kreuz auf der Hand, das mich als nicht alkoholfähig kennzeichnete, und mit einer Cola in der anderen Hand. Aber gelacht haben wir trotzdem.

So hat Kalifornien uns also zwei sehr unterschiedliche Seiten gezeigt - und ich glaube man kann der Beschreibung anmerken, welche uns besser gefallen hat. Trotzdem hatten aber beide natürlich auch Gemeinsamkeiten. Als erstes die Sprache. Nicht englisch, das ist ja klar, sondern spanisch. In Kalifornien ist aber auch wirklich jeder Farmarbeiter, Koch im Schnellrestaurant, Tellerwäscher und Zimmermädchen Mexikaner. Bei den Kellnern und Leuten an Hotel-Rezeptionen kommt es auf die Preisklasse des Etablissements an. Ab einem gewissen Level machen englisch-Muttersprachler den Service mit Kundenkontakt, abräumen oder Koffer tragen tuen aber immer die Mexikaner. Wir fanden es irgendwie witzig, dass Kalifornien erst zu Spanien, dann Mexico und dann den USA gehört hat und nun wieder in mexikanische Hand gerät.

Eine andere, tolle Eigenschaft in Kalifornien, die uns immer wieder aufgefallen ist, ist die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Amerikaner. Vielleicht waren wir besonders empfänglich dafür, nachdem wir in China doch eher angemuffelt wurden, jedenfalls haben wir die vielen Smalltalks genossen. Und so oft kamen dabei ganz nebenher ein paar wertvolle Informationen bei rum. Was wir meinen ist also nicht nur das sprichwörtliche "How ya doin", dass wir ehrlich-motzigen Deutschen ja immer gerne als oberflächlich abtun. Als wir in Santa Barbara gebeacht hatten und uns von unseren (auch grade erst kennen gelernten) Gegnern verabschiedeten wünschten uns auch die Feldnachbarn rundrum direkt noch einen schönen Tag. Schön, so willkommen zu sein.

Mit etwas Abstand -13 Jahren um genau zu sein- ist uns noch mehr aufgefallen wie wichtig es de Amerikanern ist sich zu vergnügen. Jeder wünscht einem viel Spass, eine glückliche Reise und einen tollen Tag. Irgendwie kommen uns die Amis etwas kindisch vor, wenn sie mit ihren Monstertrucks rumfahren, das süßeste und fettigste Zeug essen, sich im Vergnügungspark wie im Schlaraffenland vorkommen, Basketball Outfits zum Shoppen anziehen und am Strand in einem an einen Kinderspielplatz erinnernden Fitnesspark trainieren. Aber irgendwie bekommt man dann doch Lust mitzumachen und seine kulturelle und sozialisierte Abneigung gegen Kindereien abzulegen. Ach ja: am coolsten war dabei das Discoradfahren: mit einem bunt beleuchtenden und musikplärrenden Fahrrad durch die Gegend cruisen. Have fun!

Was sich geändert hat ist die Einststellumg vieler Amerikanern zur Umwelt. Während Barbara vor 13 Jahren noch beim Anblick von McDonalds Styroporbehältern, die während der Fahrt aus dem Auto geschmissen wurden, der Mund offen blieb, sieht man heute überall Schilder die selbiges mit 1000$ Bußgeld bestrafen. Mittlerweile sieht man kaum noch Abfall auf dem Highway. Es gibt sogar eine Carpool-Lane auf der nur Autos mit mehr als einer Person fahren dürfen. In der privaten Unterkunft in der wir übernachtet haben, wurde der Müll getrennt. Wir wurden auf die Trockenperiode in Kalifornien hingewiesen, mit der Bitte kein Wasser zu verschwenden und unsere Gastgeberin baute jede Menge Gemüse im Garten an. Generell scheinen mehr Leute auf die Qualität ihres Essens wert zu legen. Wir haben Biosupermärkte gesehen und auf Speisekarten immer wieder den Hinweis "organic" gefunden. Andererseits fahren die Amis immer noch viel und mit viel Sprit Auto und produzieren in den Fastfood Ketten weiterhin jede Menge vermeidbaren Müll.

In der Summe bleiben uns von Kalifornien vor allem die wunderschöne Landschaft im Gedächtnis, und die freundlichen, entspannten Leute. Zwischen Stränden, Klippen einerseits, Bergen, Riesenbäumen und Wasserfällen in den Nationalparks andererseits lässt es sich sehr gut die Natur genießen. An der Küste haben wir auch jede Menge Tiere beobachten können: Delphine, Wale, Seelöwen, Seeelefanten, Rehe, Kolibris, Pelikane, Greifvögel und Kormorane. Die lockere kalifornische Art, zusammen mi der Vorstellung nach der Arbeit noch ein wenig an den Strand zu gehen um zu Surfen oder Volleyball zu spielen ist durchaus reizvoll. Übrigens: Damit war San Francisco, vielleicht höchstens neben Bangkok, die erste und bisher einzige Stadt auf der Reise, in der wir uns hätten vorstellen können zu leben.

Für uns war die Zeit in Kalifornien aber auch noch aus einem ganz anderen Grund schön, und zwar weil wir die meiste Zeit mit Freunden verbracht haben. Erst haben wir Oana in San Francisco getroffen und dann hat uns David auf unserem Roadtrip begleitet. Es war schön wieder längere Gespräche mit Freunden zu führen und sich wie zu Hause zu fühlen. Mit ein bisschen Heimweh aber auch mit wieder aufgeladenen Batterien freuen wir uns jetzt auf Kuba.
Thorben und Barbara.

Donnerstag, 17. April 2014

Nachtrag: China-Fotos

Endlich haben wir es geschafft, unsere China-Fotos hoch zu laden und ein paar davon auszuwählen. Hier die Highlights:
Party in Hongkong

Hongkong


Bei Barbaras Tai Chi Lehrer. Die Kalligrafie auf dem Tisch wird bei uns in der Wohnung hängen

Kunming bei Nacht - sieht aus wie Hongkong

Tempel in Kunming


Im Stone Forest

Unsere Gastgeber George und Sophie
Beim Pear Flower Day wurde ein Star gesichtet.

Und zwischendurch: chinesisch lernen mit Orchid

Interessanter Transport bei Dali. Mich wollte sie nicht mitnehmen.


Dem Kommunismus zur Ehre. Gedenktafel zur Fertigstellung einer Straße (die man ganz rechts im Bild sieht...)

Wandern in der Tigersprungschlucht


Geschirr wie immer gut eingeschweißt

Beweglichkeit in den Stufen beeindruckend, mittel und peinlich :)

Vögel füttern mit George und Sophie in Kunming


Und immer mal wieder lernen...

Selbst gemachte Dumplings mit stolzer Lehrerin

Das Dorfleben und die tolle Landschaft von Yangshuo



Der ganz spezielle Freund, dem unsere Kamera so gut gefallen hat, dass er sie gar nicht mehr hergeben wollte.

Tolle Show in Yangshuo

Unsere Gastgeberin Jenny (the Best), die geholfen hat, die Kamera zu retten

Vor dem Bild vom guten Onkel Mao

Poesie im chinesischen Alltag in Peking

Der Kaiser, der diesen Tron bauen ließ, hatte Ahnung: die Inschrift kommt bei mir entweder über das Sofa oder über den Schreibtisch


Die Mauer - die ganz große



Montag, 7. April 2014

San Francisco

In Amerikas europäischster Stadt mit Oana Swing getanzt, italienischen Salat mit Pizza gegessen, mit dem Fahrrad über die goldene Brücke gefahren, im alten Hippie- jetzt Alternativ-/Drogen-/Pennerviertel Grass angeboten bekommen und stattdessen einen Kakao bestellt.

In Amerikas teuerster Stadt in einem Zimmer für 60€ Platzangst bekommen, ein Teilchen für 4€ gegessen, keine Hop-on-hop-off Busrundfahrt für 50€ gemacht, den steilen russischen Hügel hochgegangen statt für 6€ das Cablecar zu nehmen, bei einem wie ein Mafiaboss aussehenden Restaurantbesitzer bestes mexikanisches Essen bekommen.

In Amerikas sonnigstem Staat von jedem, ausser den chinesischen Zimmermädchen, verstanden worden, nicht angerempelt worden, freundlich gegrüsst worden.

China, unser Fazit

China hat uns sehr überrascht. Das Land ist moderner, wohlhabender und weniger kommunistisch als wir dachten. Andere Vorurteile wurden hingegen bestätigt.

Was uns während unserer Reise aufgefallen ist und was auch von Alex so empfunden wird, ist dass sich hier vieles ums Geld dreht. Wer Geld hat, stellt es zur Schau. Wer keins hat, versucht irgendwelche Geschäfte zu machen. Vor allem den Leuten unserer Generation ist es sehr wichtig, dass sie möglichst viel Geld verdienen und Karriere machen. Aus dem Grund arbeiten sie oft von früh bis spät - auch wenn sie dabei nicht effizient sind. Um Geld zu verdienen, gehen junge Eltern oft in die Städte und lassen ihre Kinder bei ihren Großeltern im Dorf. Das scheint uns erstmal nicht erstrebenswert, hat das Land in den letzten 20 Jahren aus der Armut geholt.

Zu unseren Vorurteilen: Chinesen essen alles, sie haben keine Tischmanieren und sind unfreundlich. Um es kurz zu machen: es stimmt. In Yangshuo hat uns die Besitzerin unseres Hostels erzählt, dass ihr Hund der letzte aus seiner Familie sei. Grassiert eine Hundekrankheit in Südchina? Nein, Mutter und Geschwister des Hunds, die in der Nachbarschaft lebten verendeten nicht an einer Krankheit sonder verschwanden. Die Hunde wurden von Männern aus den umliegenen Dörfern geklaut um sie zu essen. Nicht weil sie am verhungern sind, sondern weil sie glauben Hundefleisch sei gut für sie. Auch der vorherige Hund der Hostelbesitzerin war diesen Leuten zum Opfer gefallen. Ich will mir nicht vorstellen was mein Vater mit demjenigen machen würde, der seinen Hund tötet. Um die Wogen etwas zu glätten: in den Städten passiert so etwas nicht und das Exotischste was wir auf einer Speisekarte gefunden haben waren Frösche, Hühnerkrallenund Lotusgemüse.

In Sachen Tischmanieren muss man den Chinesen zu Gute halten, dass man mit zwei Stäbchen einfach nicht ordentlich bzw. kniggereif essen kann. Wenn man trotzdem versucht die Stäbchen zum Mund und nicht andersherum zu führen, kleckert man sich insbesondere bei Nudelsuppen voll: Alle meine T-Shirts haben jetzt Flecken, die nicht mehr rausgehen. Entweder man beißt die Nudeln ab, dann fallen sie in die Suppe und machen Spritzer. Oder man saugt sie ein und kleckert sich dabei voll. Wenn man nicht beim Essen verhungern möchte, muss man die Schale an den Mund halten um den Reis in den Mund zu schaufeln anstatt ihn einzeln mit den Stäbchen aufzulesen und zum Mund zu befördern. Die meisten anderen Sachen sind zwar klein gehackt und man kann sie gut mit den Stäbchen essen, oft haben sie aber Knochen. Diese können wir mittlerweile kunstvoll mit den Stäbchen aus dem Mund holen, was nach chinesischer Etikette gar nicht sein muss... ausspucken würde auch gehen, dann liegen sie aber unappetitlich auf dem Teller oder auf dem Tisch. Da es nur kleine Schälchen gibt und man immer mehrere Gerichte bestellt um sich dann alles zu teilen, muss man das Essen nicht nur mit den Stäbchen vom eigenen Schälchen in den Mund sondern auch von den grossen Platten aufs eigene Schälchen befördern. Nach dem Essen sieht der Tisch also aus als hätte eine Wildscheinherde davon gegessen: alles ist voller Soyasoßenspritzer und Knochen. Na gut, vielleicht übertreiben wir, aber nicht viel. Am Besten haben uns hier übrigens Yunnan-Nudeln, Dim Sun und Peking-Ente geschmeckt. Ach ja, wenn wir schon bei Manieren sind: dezentes Rülpsen bei Tisch ist genauso wenig verpönt wie ausgiebiges und geräuschvolles Befreien der Luftwege von Schleim, sprich rotzen.

Zum letzten Vorurteil: Chinesen sind unfreundlich. Vor allem wenn man Chinesen mit ihren äußerst freundlichen Südostasiatischen Nachbarn vergleicht, sind Chinesen wirklich ehr unfreundlich. Aber ganz ehrlich: darf man sich als Deutscher darüber beschweren? Uns ist natürlich bewusst, dass man sich in einer 10 Millionenstadt nicht gegenseitig grüßt, das macht man wohl nirgendwo auf der Welt. Wenn man aber in einer Gegend ist in der man vielleicht 10 Leute am Tag trifft, rutscht uns schon mal ein erfreutes "ni hao" heraus, wenn wir jemanden begegnen. Das wurde oft mit einem regungslosen Gesichtsausdruck quittiert. Vieles kann man vielleicht auf die Sprachbarriere schieben. Unsere chinesisch sprechenden Freunde kamen eigentlich überall ins Gespräch. Und manchmal haben uns auch Leute mit ganz bösem Gesicht und auf ruppige Art sehr nett geholfen. Also nicht vom unfreundlichen ersten Eindruck abschrecken lassen, die Chinesen haben einen weichen Kern. Unsere Gasteltern und alle Leute in der Sprachschule in Kunming zum Beispiel waren großartig. Sie haben sich allergrößte Mühe gegeben, damit wir uns wohl fühlen. Eine grobe Regel, die Thorben gefunden hat ist, dass Menschen die arbeiten unfreundlich sind: Kellner, Busfahrer, Verkäufer... privat sind die Chinesen offener, wenn auch immer noch schüchtern.

Ganz krass ist aber das Drängeln. Chinesen haben gar kein Problem damit, in Schlangen vorzudrängeln und sich mit Ellebogen den Weg zu bahnen. Sie stellen sich auch schon mal einfach vorne an oder klettern über Absperrungen. Thorben war es am Ende so leid, dass er sich unter vollem Körpereinsatz Platz gemacht hat. Keiner hat auch nur einen Mucks gesagt. Vordrängeln gehört einfach dazu und ist anscheinend nicht verpöhnt.

Und noch eine letzte Gelegenheit bei der uns eine gewisse "Kulturlosigkeit" aufgefallen ist. Bei der tollen Licht- und Bühnenshow in Yangshuo kamen Leute zu spät,  blieben dann einfach stehen und unterhielten sich. Nachdem es anfing, kletterten einige auf die besseren Plätze und riefen von dort aus lautstark ihre Freunde weiter hinten.  Die ersten
10min der Show waren also etwas im Trubel verloren,  genau wie die letzten 10min. Dann gingen nämlich schon alle. Beim Abspann mit Verbeugungen und so waren wir dann im 5000-Leute-Stadion fast die letzten...

Wenn vielleicht über die Revolution oder die Aufholjagd der letzten 20 Jahre auch viel der reichen Kultur und des Kulturbewusstseins in China verloren gegangen sind, so haben sich die Chinesen ihre Hochachtung vor ihren Lehrern und Eltern/Älteren bewahrt. Selbst in der Großstadt Peking stehen Jugendliche für ältere Fahrgäste in der Metro auf. Ältere werden in Schlangen auch ohne Murren vorgelassen und selbst die unfreundlichen Schalterangestellten haben eine Engelsgedult mit ihnen.

Eine lustige "Tradition" der anderen Art, sind die hier üblichen untenrum offenen Hosen für kleine Kinder. Für Windeln ist das ganz praktisch, da sie dann schneller gewechselt werden können. Aber meistens laufen die Kleinkinder mit der blanken Futt herum, was wir sehr lustig finden. Wobei herumlaufen nicht ganz das richtige Wort ist. Denn meistens werden sie von ihren zierlichen Müttern herumgetragen bis sie drei Jahre alt sind. Aber das nur nebenbei.

Zuguterletzt: wie hat uns China als Touristenziel gefallen? China ist ein sehr sicheres Reiseland mit guter Infrastruktur. Das Hauptmanko ist, dass kaum jemand abseits der grossen Hotelketten und Backpackerhostels Englisch spricht. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass man kaum ausländische Touristen findet. Spräche man aber Chinesisch, so wäre China sehr einfach zu bereisen.

Die Touriattaktionen fanden wir ehrlich gesagt eher mäßig. Oft werden überhöhte Eintrittspreise für unauthentisch restaurierte oder unspektakuläre Sehenswürdigkeiten verlangt. Das liegt natürlich nicht daran, dass China keine großartige Geschichte und Kultur hat, sondern daran, dass während der Kulturrevolution oder im Bürgerkrieg sehr viel, sehr gründlich zerstört wurde. Selbst von der Verbotenen Stadt in Peking sind nur die Häuser übrig. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie es dort während der Kaiserzeit ausgesehen haben muss, da die meisten Häuser entkernt und schlecht restauriert wurden und viele Wertgegenstände im Bürgerkrieg von den Taiwanesen mitgenommen wurden.

Was das Land aber erlebenswert macht ist zum einen die wunderschöne Landschaft (z.B. Tiger Leaping Gorge bei Lijiang und Karstberge um Yangshuo) und die noch immer praktizierten Traditionen. Selbst in den modernen Städten finden sich insbesondere ältere Menschen zusammen, in Parks, auf Sportplätzen oder auf dem Parkplatz. Dort stellen sie ihre Musikboxen auf, tanzen gemeinsam eine Art Gruppentanz, machen Morgengymnastik, Thai-Chi, Kung Fu oder singen alte Volkslieder. Wir haben auch gesehen wie Leute einen Kreisel mit einer Peitsche angedreht haben und wie alte Männer mit einem überdimensionalen Pinsel und Wasser unsichtbare Poesie auf den Parkboden schrieben.

Das alles zusammen mit dem Erlernen einer komplett anderen Sprache und dem Beobachten einer riesigen Nation im Umbruch, von der wir fast nichts wussten, hat die Reise hierher mehr als lohnenswert gemacht.

Samstag, 5. April 2014

Der allmächtige chinesische Staat

Vieles in China hängt am Staat. Die Kommunistische Partei führt China wie ein großes Unternehmen. Dabei wird meist auf das Wohl der Mehrheit geschaut während Minderheiten zurückstecken müssen. Um es ökonomisch auszudrücken: die Partei agiert wie der optimale Zentralplaner ohne pareto-optimal zu sein. Die Regierung hat es geschafft hunderte Millionen Menschen aus der Armut zu holen und das durchschnittliche pro-Kopf auf ein Level wie in Thailand zu steigrern. Sie hat also einiges richtig gemacht. Wir schwanken also zwischen Bewunderung der Ergebnisse und Ablehnung der Methoden. Einige Beispiele.

Ein besonderes Beispiel für die Mischung aus Effizienz und Rücksichtslosigkeit ist der Umgang mit Minderheiten. Man siedelt Chinesen in den Regionen mit großen Minderheiten an, und bringt sie in die einflussreichen Positionen. Dann werden die Minderheiten freundlich integriert, nur müssen sie dafür Han-Chinesen werden und ihre eigene Identität aufgeben. Viele halten dieses Vorgehen dann sogar für großzügig.  Als wir zum Beispiel unsere Chinesischlehrerin Orchid auf mögliche Probleme zwischen Minderheiten und Han-Chinesen ansprachen, meinte sie, dass es früher einige Probleme gegeben habe, aber dass sich die Regierung nun sehr um die Minderheiten bemühe und diese deswegen zufrieden seien. Die Regierung würde Lehrer schicken, die den Minderheiten Mandarin beibringe und dafür sorge, dass sie sich anständig anziehen, da traditionelle Kleidung in der Schule nicht erlaubt sei.  Wir haben das Gefühl, dass ethnische Minderheiten als lustige, unmündige, etwas dumme Kinder wahrgenommen werden. Man gibt sich interessiert und ist stolz auf das kulturelle Erbe der Minderheiten. In der Nähe von Kunming gibt es ein Minderheitendorf, eine Art Phantasialand in dem die verschiedenen Minderheiten irgendwelche Shows vorführen. Das Hobby unserer Gastmutter Sofie in Kunming ist Minderheitentanz. Nachdem den Minderheiten Jahrzehnte lang ihre Kultur, ihre Traditionen und ihre Sprache ausgetrieben wurde, werden diese für die Touristen zur Schau gestellt. Chinesische Touristen mit riesigen Kameras stellen sich 50cm vor alte Frauen in einer Polyester-Tracht um ein Foto von ihnen zu  machen, als seien sie Affen im Zoo. Die meisten "Minderheiten" kleiden sich aber eh nicht mehr traditionell, sie tanzen auch nicht mehr ihre traditionellen Tänze sondern sind aufgegangen in der Han-Kultur. Im Gegenzug sorgt die chinesische Regierung mit Entwicklungsplänen, Infrastruktur und Tourismus dafür, dass das Einkommen in der Region steigt. Irgendwie muss man ein großes Land, mit einer sehr heterogenen Bevölkerung wohl zusammenhalten. Das Gemeinwohl steht wie immer über dem Wille von Minderheiten. Und um das Ganze in Perspektive zu stellen: In Amerika und Australien wurde wohl schlechter mit der Urbevölkerung umgegangen, und in deutschen Zoos gab es auch mal echte Neger zu bestaunen. Dass die chinesische Strategie aber auch ihre Probleme hat, zeigt sich vor allem in Tibet und Xinjiang. Terroristen aus Xinjang hatten drei Tage bevor wir nach Kunming geflogen sind dort im Bahnhof über 20 Menschen mit Messern getötet.

Weitaus positiver finden wir die Rolle des Staats in der Städteplanung. Nicht nur die Städte an der Ostküste sind heute modern, sondern auch das Hinterland, wie in Kunming und Guilin. Natürlich stehen nicht überall Luxushäuser, aber wir haben auch keine Slums wie in Indien gesehen. Im Gegensatz zu den "organisch" (sprich chaotisch) wachsenden Städten von Indien werden chinesische Großstädte geplant angelegt. Kunming zum Beispiel ist mittlerweile eine 7-Millionen-Stadt. Die Wohnungspreise sind in die Höhe geschossen und die Straßen sind nicht für die Menge Verkehr ausgerichtet. Als Antwort darauf siedelte die Regierung ihre Verwaltungsgebäude und eine Universität in ein 40km entferntes Neu-Kunming um. Dort gibt es 6-spurige Straßen, eine Metro, viele bereits verkaufte Wohnungen und noch kaum Menschen. Aber das wird sich sicher bald ändern. Die rasant gewachsenden und zentralistisch geplanten Städte bieten vielen Menschen eine zufriedenstellenden Lebensstandard, aber oft wird Altes zugunsten von Neuem abgerissen und die Städte haben keine Altstadt und somit keine Seele.

In den Dörfern wird ähnlich zentralistisch durchregiert. Laut unserem amerikanischen Wanderführer Adam, der seit 6 Jahren in China lebt, plant die Regierung nun viele kleine Dörfer "abzuschaffen". Das macht sie indem sie den Bewohnern ein Angebot macht, dass sie nicht ablehnen können. Einerseits bekommen sie in der Stadt eine Wohnung angeboten, andererseits werden im Dorf die Schule und Müllabfuhr geschlossen und Wasser und Strom abgestellt. Auf diese effiziente aber auch harte Methode sollen in den nächsten Jahren 200 Millionen Menschen urbanisiert werden.

Auch beim Tourismus, überlässt die Regierung nichts dem Zufall. Und damit meinen wir noch gar nicht mal die vielen Tourgruppen, die man überall sieht. In der Provinz Guangxi zum Beispiel, wurde zunächst Guilin als Touristenziel mit herrlichen Karstbergen am Li Fluss vermarktet. Guilin ist heute eine relativ grosse und hässliche Stadt von der aus man die Berge kaum noch sehen kann. Daraufhin wurde vor 20 Jahren Yangshuo als Touristenziel auserkoren. Auch Yangshuo ist mittlerweile von einem Fischerdorf zu einer mittelgrossen Stadt gewachsen und das Einkommen und die Immobilienpreise dort und in der Umgebung haben sich gesteigert. Nun wird ein Fischerdorf zwischen Yangshuo und Guilin zum nächsten Touristenziel aufgebaut. So verteilt sich das Geld der Touristen an mehreren Stellen in Guangxi. Hut ab.

Ein anderes Thema ist der Umweltschutz und da hat China ein ganz schlechtes Image.  Luft- und Wasserverschmutzung sind mit dem China-Bild eng verbunden. Umso erstaunter waren wir, als wir mitbekamen, dass es so etwas wie Waldschutz gibt. Auf einer Wanderung in der Nähe von Dali erklärte uns Adam, dass es viele Auflagen gibt, um den Wald zu schützen. Zum Beispiel dürfen Bauern die Zweige, die sie als Ranken für ihre Bohnen nutzen, nicht mehr überall abschneiden. Er versicherte uns, dass dies überall im Land der Fall sei. Uns kam zwar der Verdacht, dass der Naturschutz immer dann im Vordergrund steht, wenn grade keine großen wirtschaftlichen Interessen dagegenstehen, aber es ist immer hin ein Anfang.

Selbst in der Familienplanung redet die Regierung bekanntlich ein Wörtchen mit. Unsere Generation ist die der Einzelkinder in China. Sechs Erwachsene: Vater, Mutter, zwei Großväter und zwei Großmütter, kommen auf ein Kind. Kein Wunder, dass dieses dann ganz besonders verhätschelt wird, was den Einzelkindern den Spitznahmen "kleine Kaiser" eingehandelt hat. Genau wie in Indien ist hier der Sohn für seine Eltern im Alter alleine verantwortlich und erbt auch alles alleine. Daher wollen die Eltern einen Sohn und, weil sie ja nur ein Kind bekommen dürfen, werden viele weibliche Föten abgetrieben. Aus diesem Grund wird den Eltern, offiziell, das Geschlecht ihres Babys vor der Geburt nicht mitgeteilt. Dennoch gibt es in China momentan einen akuten Frauenmangel. Das hat zur Folge, dass Männer mittlerweile beträchtliche Summen für eine Frau zahlen müssen, sowie ein Haus, ein Auto und einen guten Job vorweisen müssen. Die Mutter von Orchid, unserer Chinesischlehrerin, hat in der Vergangenheit mehrere Ehen arrangiert indem sie wohlhabende Männer an Frauen aus ärmeren Regionen vermittelt hat. Sie hat auch Orchid bereits gefragt, wieviel ihr Freund denn für sie bezahlen würde. Auch ihr Bruder hat bereits die Erfahrung gemacht, dass ihn Frauen erstmal auf seine finanzielle Situation ansprechen bevor sie sich überhaupt mit ihm Treffen wollen.

Der allgegenwärtige Staat hat unter den Chinesen die Einstellung gefördert, dass sie sich für ihr Schicksal nicht selber verantwortlich fühlen. "Da kann man nichts machen", ist ein Satz den unser Studienfreund Alex und sein Mitbewohner häufig hören und der sie wahnsinnig macht. Die beiden leben seit über 3 Jahren in Peking. Sie regen sich darüber auf, wenn sich ihre wohlsituierten Freunde über die Kälte beschweren, weil die Zentralheizung noch nicht angeschaltet ist, anstatt einen Radiator zu benutzen. Die Menschen in China verlassen sich sehr auf ihre Regierung, was diese natürlich durch ihren Allmachtsanspruch gefördert hat.

Obwohl wir die Mittel zum Zweck weiterhin kritisch sehen, hat sich unser Bild von der chinesischen Regierung zum positiven verändert. Wir sehen wieviel sie in kurzer Zeit erreicht hat und welch große Verantwortung sie trägt. Mit Blick auf Indien wagen wir es sogar zu sagen - und das hätten wir vor unserer Reise niemals gedacht - dass es Sinn machen kann in einem Land zunächst die Bildungsrate zu erhöhen und erst danach demokratisch zu werden. Wir sind uns sicher, dass das chinesische Volk in Zukunft nach mehr Mitspracherecht verlangen wird und sind gespannt wie der chinesische Weg zu mehr Demokratie aussehen wird... chinesisch harmonisch oder unchinesisch rebellisch.

Barbara