Mittwoch, 25. Juni 2014

Im und am Amazonas

Auf unserer Tour durch den Amazonas im kolumbianisch-peruanisch-brasilianischen Grenzgebiet durften wir eine Tier-, Pflanzen und Menschenwelt sehen, die auf der Erde einzigartig ist. Bei den Tieren gehörten dazu Aras, Adler, Reiher und hunderte andere Arten von Vögeln, unglaublich viele Ameisen, Termiten, Schmetterlinge, Stabinsekten, Gottesanbeterinnen und andere Insekten, verschiedene Affenarten, ein Ameisenbär und vor allem graue und rosa Flussdelfine. Man muss die Tiere (außer den Insekten) zwar teilweise etwas suchen, weil man sich in dem riesigen Wald halt gut verstecken kann, aber die Vielfalt im Amazonas war beeindruckend. Auf der anderen Seite stehen dann natürlich die etwas unfreundlicheren Zeitgenossen - immerhin läuft im Dschungel die Evolution im Turbomodus. Kaimane, Taranteln, Wolfspinnen, Piranhas, Boas und Giftschlangen haben wir gesehen. Aber die aggressivsten Zeitgenossen, denen wir begegnet sind, waren zweifelsfrei die Mücken.
Dieses nette Exemplar saß im Dachstuhl unserer Hütte.
Schwer zu sehen, aber da ist eine Ameisenbär


Die kleinen Mistviecher sind überall und zwar in Mengen, die man sich kaum vorstellen kann. Tagsüber geht es noch, vor allem wenn man sich zu Fuß oder per Boot bewegt, aber sobald man stehen bleibt geht es los. Und ab der Abenddämmerung bis zum nächsten morgen übernehmen sie komplett die Macht. Wer es in dieser Zeit wagt, sich aus seinem Moskitonetz heraus zu trauen wird mit Mückenstichen nicht unter 50 Stück pro Minute - gerne auch durch Klamotten hindurch - bestraft. Mildernde Umstände verschafft einem höchstens das Wundermittelchen Deet. Das gute Zeug ist zwar so scharf, dass es Textilien mit denen es in Berührung kommt ausbleicht oder gleich ganz auflöst, aber es ist eben auch ein ganz gutes Nervengift gegen Moskitos. Wir haben in 4 Tagen eine ganze Flasche in der höchsten Konzentration verbraucht, die man hier kriegen kann. Was das mit der Haut anstellt - egal. Wie man ohne Deet aussieht konnten wir uns nämlich immer an den Stellen anschauen, die wir vergessen hatten, einzusprühen - und wir haben immer eine Stelle vergessen. Naja, immerhin wissen wir jetzt, dass auf ein Knie mehr als 30 Stiche passen. Natürlich darf kein Bericht über nervige Insekten ohne einen Hinweis auf ihre wichtige Rolle im Ökosystem auskommen. Im Falle der Mücken erklärte unserer Guide uns, dass das vor allem die Begrenzung der Humanpopulation ist. Hut ab, das machen sie gut. Freiwillig würde wohl kaum einer von uns hier einwandern.
Die Strafe dafür, dass ich morgens ohne Mückenzeug das Moskitonetz verlassen hab


Aber genug gejammert. Neben unseren geflügelten Freunden und den anderen Tieren hat der Amazonas zwei Dinge in wirklich beeindruckenden Mengen: Wald und Wasser. Klingt nicht so überraschend, aber man muss wohl wirklich dort gewesen sein, um es sich vorstellen zu können. Der Wald besteht nicht nur aus Bäumen, sondern vor allem auch aus Lianen, Schlingpflanzen, Farnen, Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen und so weiter. Der Kampf um Nährstoffe ist so hart, dass viele Pflanzen nicht auf dem Boden wachsen, sondern aufeinander. Wenn mal ein Baum stirbt, wird er so schnell einer Anschlussverwendung zugeführt, dass er gar keine Zeit hat, zu Humus zu werden. Deswegen gibt es im Wald auch kaum Mutterboden, sondern fast nur nährstoffarmen Sandboden und alle Biomasse liefert sich einen Kampf um Licht und Nährstoffe neben dem der Taunus wie ein verdörrtes kahles Blumenbeet wirkt. Was das Wasser betrifft mussten wir uns auch an ganz andere Dimensionen gewöhnen. Der Amazonas selber ist an vielen Stellen bis 6km breit, und das ist nur jeweils von den Bäumen am Ufer aus gemessen. Auf ein paar Kanutouren konnten wir uns aber davon überzeugen, dass Bäume nicht immer im Trockenem stehen. Im Gegenteil: etwa die Hälfte des Jahres über sind gigantische Gebiete meterhoch überschwemmt. Die Ufer sind also gar keine Ufer, sondern nur der Übergang von offenem Fluss in Fluss mit Bäumen. Diese Wasserlandschaften sind ein ganz eigenes besonderes Ökosystem, in dem sich das tierische Leben entweder in den Baumkronen (Affen, Vögel, Ameisenbären) im Wasser (Fische, Schlangen, unbekannte Monster) oder auf kleineren Ästen dazwischen (Insekten, Spinnen!!!) abspielt. Sehr spannend, da wir einen Führer hatten, der nicht nur mit dem Kanu das Labyrinth beherrschte, sondern auch die vielen Details zeigen konnte, die uns bestimmt entgangen wären. Barbara haben natürlich die Flussdelfine am besten gefallen, die als wir in einem See badeten bis auf wenige Meter an uns ran schwammen. Ich habe vergebens ein Faultier gesucht - die haben sich wohl doch zu schnell aus dem Staub gemacht.



Und der letzte spannende Aspekt unserer Tour waren zwei verschiedene Gemeinden der Indigenen Bevölkerung die wir besuchten. In den ersten zwei Tagen hatten wir als Glücksgriff unseren Guide Elvis, der die verschiedenen Stämme der Gegend seit 25 Jahren kennt und gute Beziehungen mit ihnen pflegt. Er hatte zwei Nächte bei zwei verschiedenen Gemeinschaften organisiert - eine, die auf trockenem Boden lebt und eine andere direkt an einem der größeren Flussarme. Für uns war es spannend zu sehen, wie diese Familien zwischen ihren traditionellen Strukturen und der modernen Welt leben, deren Einflüsse nur sparsam in ihr Leben aufnehmen. Sie haben zwar Radios und Boote mit Benzinmotoren, hören aber weiter auf den Familienpatriarch und jagen mit Blasrohren. Sie wissen auch weiterhin sehr viel über die sie umgebenden Pflanzen und Tiere.

Vor allem die erste Gemeinschaft bei der wir schliefen lebte noch recht traditionell. Sie lebte um eine "Maloka", eine riesige Holz- und Strohhütte, in der Gäste (wie wir) empfangen und Feste gefeiert werden. Diese Gruppe wurde von einem Familienpatriarchen dominiert, der uns ein wenig launisch erschien und seine Gunst nur erteilte, wenn man ihn angemessen ehrfürchtig behandelte. Der Chef hatte mehrere Frauen, die grade zur Vorbereitung seiner Geburtstagsfeier in der Maloka Yuka in riesigen Mengen pressten, stampften und zu einem Brei verarbeiteten. Der Brei hat ganz schön gestunken, aber interessant anzusehen war es auf jeden Fall. Am liebsten wären wir aber bei der Feier dabei gewesen zu der sämtliche Stämme aus der näheren und weiteren Umgebung geladen waren und in traditionellen Kostümen erscheinen würden.

Hängematten mit Moskitonetz. Eigentlich wirklich gemütlich


Wir hatten uns mit Elvis Hilfe wohl richtig benommen und so saßen wir abends mit dem Alten und drei weiteren, teils traditionell geschminkten, Männern zusammen und bekamen die rituellen Hilfsmittel verabreicht, mit denen man dort eine gute Unterhaltung einleitet. Zum einen ist das eine besondere Art Tabak, die als feines Pulver gemahlen wird. Der Gastgeber sammelte davon etwas in eine kleine Röhre aus einem hohlen Hühnerknochen auf. Dann setzten wir uns ein Ende an die Nase und er blies es uns direkt bis in Gehirn (so fühlt es sich jedenfalls für Nichtraucher an). Dazu gab es ein Pulver das sich im Mund auflöst, das aus gemahlenen Kokablättern besteht - hört sich aber alles härter an als es ist, weil Kokablätter kaum Rauschmittel enthalten und der Tabak auch nur ein paar Sekunden lang dröhnte. Auf jeden Fall war der Abend eine sehr interessante Erfahrung, die nur von den aggressivsten Anwesenden getrübt wurde - den Mücken. Wir hatten den Eindruck, dass die Kräfte der Natur überhaupt außer als Nahrung oder Medizin gerne auch als Rauschmittel verwendet werden. Kaum ein Baum, der nicht gut gegen Bauchschmerzen/Gallensteine/Impotenz/Fieber hilft, als Gift zum Jagen oder für eine gepflegte Halluzination (auch wenn sie eher von "Vision" reden) gebraucht werden kann. Wobei die Grenzen zwischen diesen Gebräuchen durchaus fließend sind - interessant fanden wir zum Beispiel den Baum, dessen Saft man sich in das Auge tropft. Das brennt dann furchtbar, dafür kann man in der nächsten Nacht im Dunkeln sehen, als wäre es taghell.

Die zweite Gemeinde erschien uns etwas moderner. Das Stammesoberhaupt war sehr freundlich (bis auf seine wenig charmante Bemerkung, dass er noch nie einen so dicken Deutschen wie mich gesehen habe, gefolgt von einem Lachanfall) und nahm sich weniger wichtig. Er lebte auch mit seiner Familie in einer Dorfgemeinschaft die man bequem mit dem Boot erreichen kann und nicht so abgeschottet wie die erste Familie zu der man 2h durch den Urwald laufen musste. Der Opa, dort eine sehr respektable Bezeichnung, ging auch mit uns auf Nachtbootsfahrt und fing mit uns einen kleinen Kaimanen. Wir dachten, dass wir ihn wieder aussetzen würden, aber der Opa nahm ihn als Haustier mit und versprach ihn gross zu ziehen damit wir ihn in zwei Jahren, wenn wir ihn erneut besuchten, essen könnten. Beide Opas, so unterschiedlich wie sie waren, haben sich über unseren Besuch gefreut und uns am Ende noch umarmt.

Was uns am Besten an unseren Besuchen gefallen hat, war, dass Elvis von den Gemeinden wie ein Familienmitglied behandelt wurde und uns dementsprechend auch schnell vertrauen entgegengebracht wurde. Vor allem gab es keine peinlichen Tanzaufführungen oder Korbflecht-Demonstrationen, die üblicherweise den Basar eröffnen. Insgesamt haben wir in kurzer Zeit einen recht vielseitigen Eindruck vom Leben im Amazonas bekommen. Nach vier Tagen hatten die Mücken ihre Aufgabe aber erfüllt und uns den Abschied nicht allzu schwer gemacht.






Freitag, 20. Juni 2014

Von Kolumbiens tropischen Stränden bis zum wüsten Ende der Welt

Nachdem wir bereits drei verschiedenen Stränden um Santa Marta herum gesehen hatten, waren wir wenig beindruckt von kolumbianischen Stränden. Wir erwägten deswegen auch den Parque Tayrona zu streichen. Gut, dass wir es nicht getan haben. Und als genauso gut erwies sich die Entscheidung das Wüstengebiet um Cabo de la Véla nicht im Rahmen einer geführten Tour sondern auf eigene Faust zu erkunden.



Zusammen mit der Gruppe mit der wir die Verlorene Stadt erwandert hatten, machten wir uns auf den Weg zu einigen der schönsten Strände die wir je gesehen haben. Dorthin kamen wir nach einer Fahrt mit dem lokalen Bus und danach einer 2-stündigen Wanderung durch den Regenwald und über ziemlich wilde Strände mit Mörderwellen. Da es heiß war und wir Pausen machten kamen wir im Endeffekt erst nachmittags an unserem Schlafquatier an. Wir ergatterten sieben von 12 Hängemattenschlafplätzen in einem kleinen Aussichtsturm auf einem Hügel über zwei wunderschönen Stränden. Der Turm steht auf einem Felsen, der über eine kleine Sandbank mit dem Land verbunden ist. Von dort oben hatten wir den schönsten Ausblick den ich je von einem Schlafplatz hatte. Wir hüpften fast vor Freude über unsere Unterkunft.
Am Strand mit unserem Schlafplatz im Hintergrund


Ausblick von unserem Schlafplatz
Die Nacht war stürmisch und unsere Hängematten bewegten sich im Wind. Da ich alle Kleidung trug, die ich mithatte, war mir nicht kalt. Aber der Rand der Hängematte flatterte mir ständig ins Gesicht. Weil ich nicht schlafen konnte ging ich aus unserer Pergola raus und schaute in den Himmel. Die Milchstraße war deutlich zu erkennen und auch sonst sah ich so viele Sterne wie selten. Dazu brachen sich die Wellen an riesigen Felsen direkt unter mir. Es war wunderschön.

Das beste am Parque Tayrona ist seine Abgeschiedenheit. Da man mit seinem Gepäck bis zum Schlafplatz wandern muss, gibt es hier nur Individualturisten. Es gibt aber auch längst nicht so viele Backpacker wie an vergleichbar schönen thailändischen Stränden. Da die Preise im Park durchaus moderat sind, kommen sowohl Ausländer als auch Kolumbianer hierher. Der Park hat eine entspannte, fast hippiehafte Atmosphäre. Toll.

Unsere Wandergruppe machte sich bereits nach der ersten Nacht auf den Rückweg. Wir blieben noch eine weitere Nacht. Ein paar Argentinier brachten mir bei wie man mit einem Taschenmesser und einem Stein Kokosnüsse aufmacht. Und so verbrachten wir die Tage neben lesen, schwimmen und andere Leute kennenlernen damit, Mangos und Kokosnüsse zu suchen und zu essen.

Nach soviel Entspannung war es Zeit für etwas mehr Abenteuer. Thorben und ich wollten vom grünen Regenwald zur staubigen Wüste. Auf der Haupstrasse vor der Einfahrt zum Park hielten wir einen Bus an, der auf dem Weg von Santa Marta nach Riohacha war. Von Riohacha fuhren wir in einem Sammeltaxi nach Uribia und von dort auf der Ladefläche eines Pickups nach Cabo de la Vela. Die Landschaft in Cabo de la Vela ist bizarr und sehenswert. Wirklich interessant hat den Ausflug aber erst unsere Reise dorthin und wieder zurück gemacht.

Direkt im Sammeltaxi lernten wir Dario und Ruben, zwei kräftige Kolumbianer Ende Fünfzig, kennen. Die beiden hatten das selbe Endziel und so ließen wir sie die Preisverhandlungen für unseren Pickup machen. Sie kamen aus Medellin und die Medelliner haben hier den Ruf passionierte Verhandler zu sein. Mit den üblichen Gepflogenheiten der Fahrer kannten sie sich aber nicht aus. Wir fuhren, ander als versprochen, natürlich nicht sofort los, sondern warteten fast eine Stunde auf mehr Passagiere und Fracht. Am Ende waren wir aber trotzdem nur zu siebt auf der Ladefläche des Pickups und hatten genug Platz. 

Unter den Passagieren war ein Schildkrötenforscher, der uns von seiner Arbeit und seinem Leben in der Region erzählte. Er bezahlte seine indianischen Angestellten nur zu 70% mit Cash. Der Rest wurde in Lebensmittelmarken ausgezahlt. Die Indianer würden sonst alles vertrinken, weil es dort kaum Ablenkung gäbe. Ein mitreisender Wayuu-Indianer wiederum erklärte uns, dass die Hütten, die wir auf dem Weg sahen nicht aus Holz seien sondern aus Kaktuskernen erbaut wurden. Diese hielten bis zu 25 Jahre. Außerdem zeigte er uns zerstörte Güterwaggons, die am Wegesrand rumlagen. Sie waren die traurigen Überreste eines Terroranschlags der FARC vor einigen Jahren. Unsere gut einstündige Fahrt wurde mehrfach unterbrochen um zu tanken. Getankt wurde jedoch nicht Bezin sondern Bier. Außer mir saßen nur Männer im Auto und alle tranken reichlich. Mir wurde jedoch erst mulmig als ich sah, dass auch der Fahrer kräftig mittrank - zum Glück bemerkte ich das erst kurz vor der Ankunft.

Cabo de la Vela
Trotz unserer Stopps kamen wir wohlbehalten in Cabo de la Vela an. Die Stadt machte auf uns den Eindruck einer Geisterstadt, bzw  eines Geisterdorfs. Niemand war auf der einzigen Straße zu sehen, der Staub wurde vom Wind hochgewirbelt und das einzige Zeichen von Leben waren ein paar Hunde die träge im Schatten dösten. Wir kamen in einer hostelähnlichen Posada unter, die einer Wayuu-Familie gehörte. Wir ruhten uns etwas in unserem Bett, genauer gesagt in der hier üblichen Chinchorro-Hängematte, aus und machten uns dann trotz der immer noch starken Hitze um vier Uhr nachmittags auf den Weg zur Hauptattraktion der Gegend: Ein Strand umgeben von Klippen. Wir hatten gelesen, dass man dorthin wandern kann. Die Instruktionen unseres etwas unmotivierten Wayuu-Gastgebers waren jedoch wage. Und als ich die von ihm skizzierte Wegbeschreibung herausholte wurde mir klar wie nutzlos sie war. Es gab nämlich keine richtigen Wege. Es gab nur Sand, vertrocknete Büsche und ein paar Autospuren, die sich aber nicht an einen Weg hielten. Wir wanderten also mehr oder weniger Querfeldein. Thorben hatte Angst, dass wir uns in der Wüste verlaufen würden und nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück wären. Ich hatte Angst vor streunernden Hunden. Aber unsere Sorgen waren umsonst und nach einer Stunde erreichten wir den Zuckerberg. Die Wanderung war alles andere als schön gewesen, hatte uns aber beeindruckend gelehrt, wie trostlos und kräftezehrend eine Wüste ist.



Der Ausblick vom Zuckerberg war dafür spektakulär. Wüste, Küste und Meer wohin das Auge sah. Kein Zeichen von Zivilisation. Wir hatten das Gefühl nicht nur am Ende der Welt sondern auch am Ende, oder besser gesagt am Wendepunkt, unserer Reise angekommen zu sein. Von hieraus würden wir (mit kleinem Umweg) zurück nach Hause in die Zivilisation fahren. Nachdem wir noch die Abendröte über den Klippen bewundert hatten, konnten wir, zusammen mit Deva die wir im Hostal kennengelernt hatten, glücklicherweise eine Gruppe Kolumbianer, die mit einem Minivan unterwegs waren, überreden uns mit zurück zum Dorf zu nehmen. Sie waren Künstler aus dem Umland und veranstalteten einen Literaturabend am Strand, zu dem sie uns einluden.

Auf einem ausgetrocknetem Salzsee auf dem Rückweg
Der Rückweg nach Santa Marta verlief ebenso ereignisreich wie der Hinweg. Irgendwie hatten es Dario und Ruben geschafft einen Pickup für 7:30 zu organisieren. Alle anderen Autos fuhren bereits um 4:30 morgens los. Diesmal quetschten sich 16 Leute ins Auto. Zwei Indianerinnen, zwei Amerikanerinnen, zwei Deutsche, zwei Ziegen und der Rest Kolumbianer, wie Dario vergnügt kommentierte. Die armen Ziegen lebten noch und waren vor Schock über ihre Gefangenschaft wie gelähmt. Obwohl unsere späte Abfahrt angenehm war, hatte sie einen Nachteil. In Uribia, der Hauptstadt der Wayuu Indianer, wollte uns keiner mehr nach Riohacha bringen. Wir nutzte die Wartezeit um über den Markt zu gehen wobei mein kurzes Sommerkleid die Aufmerksamkeit der männlichen Marktteilnehmer auf sich zog. Als wir nach längerem Warten immer noch kein Transportmittel hatten, liesen wir uns an eine vielbefahrene Kreuzung bringen von der wir hofften einen Bus anhalten zu können. Zu unserem Glück machte dort kurze Zeit später ein Bus halt der uns nach Santa Marta brachte.
Unsere "Reisegruppe"

Was mir wirklich gut an unserem Ausflug nach Cabo de la Vela gefallen hat, ist, dass wir so viele nette Menschen kennengelernt haben und so viel vom dortigen Leben mitbekommen haben. Diese Art zu reisen ist die, die ich mir vorgestellt hatte auf einer Weltreise. Man fährt los und schaut wie man weiterkommt. Dabei trifft man interessante Leute und macht vielleicht einen Umweg. Aber man kommt immer an, denn der Weg ist das Ziel.

Montag, 9. Juni 2014

Ciudad Perdida oder The Hunger Games

Viel Wandern, den ganzen Tag an der frischen Luft, schöne Landschaft, am Ende eine Stadt aus einer laengst vergangenen Zeit. Das alles klang vielversprechend. Ich glaube am meisten hatte ich mich allerdings darauf gefreut mich vier Tage lang um nichts kümmern zu müssen. Nach einer Vorbesprechung mit einem wenig sympatischen Verkaufstypi starteten wir unsere 4-tägige Expedition zur Verlorenen Stadt. Wir hatten jeder einen kleinen Rucksack mit: Seidenschlafsack, drei Paar Socken und Unterwäsche, zwei Funktionshirts, ein langärmeliges Oberteil, eine Dreiviertelhose, Sonnencreme, Bikini, Waschzeug und Moskitorepellent. Nach zwei Stunden Autofahrt waren wir in den Bergen. Dort trafen wir unsere Wandergruppe: Kat, Ri und Tammy sind drei Ärztinnen aus England, sowie Jort und Remco aus Holland auch Arzt und Evakuierungsspezialist bei der Bahn. Unser Wanderführer Giovanni war in der Gegend der Verlorenen Stadt aufgewachsen und kannte nicht nur die Gegend sondern auch alle Einwohner bestens. Wir fühlten uns also in guten Händen.

Irgendwie hatte ich mir den Weg zur Verlorenen Stadt djungeliger und weniger hügelig vorgestellt. Statt uns mit der Machete den Weg zu bahnen, liefen wir unzählige Berge rauf und runter und oft fühlte ich mich statt an die Tropen an die Eifel oder Voralpen erinnert. Nur der nachmittags einsetzende Regen war den Tropen wirklich würdig. In der ersten Nacht schliefen wir in einem Hängemattenlager. Das war das erste Mal, dass ich eine ganze Nacht in einer Hängematte verbringen würde. Und ich war skeptisch. Ich brauchte ziemlich lange bis ich es mir gemütlich gemacht hatte. Erst musste ich die Decke unter mich legen, weil es wohl von unten kalt reinzieht. Dann musste ich in meinen Schlafsack kriechen ohne die Decke wieder runterzuwerfen. Das alles unter einem Moskitonetz, das fast auf meiner Nase auflag und einem schaukelnden Untergrund. Irgendwann war ich aber fertig. Dann fiel mir auf, dass ich meine Ohrenstöpsel vergessen hatte. Da ich aber keine Lust hatte die ganze Prozedur zu wiederholen, beschloss ich, dass ich auch ohne sie schlafen könnte. Das war ein Fehler. Ich hörte komische Geräusche, die mich ziemlich an das Brüllen einer Kuh erinnert haben und es wahrscheinlich auch waren. Der Regen prasselte in Strömen auf das Blechdach und neben mir schnarchten Leute, Thorben um genau zu sein. Als ich irgendwann doch einschlief wurde ich wach, weil ich auf Toilette musste. Also doch aus der Hängematte raus? Und dann im Dunkeln zur Toilette auf der sich abends riesige Käfer, Kakerlaken und Kröten getummelt hatten? Nein, ich hielt aus. Und schlief ziemlich wenig diese erst Nacht. Zu meiner Überraschung tat mir aber zumindest nicht der Rücken weh.

Nachtlager in der Hängematte mit Moskitonetz


Am nächsten Tag ging es genauso steil bergauf weiter wie es am letzten Tag aufgehört hatte. Wir schwitzten in der Hitze und kämpften uns hoch. Gut, dass es überall Flüsse gab in denen wir schwimmen und uns abkühlen konnten. Nach dem Mittagessen änderte sich dann die Landschaft. Die Eifel machte einem Regenwald Platz. Und statt Kühen und Eseln sahen wir eine Schlange, Tukane und viele andere tropische Vögel. Es kamen uns auch öfter Gruppen von Indigenen Koguis entgegen. Da die Regierung nach wie vor Probleme hat, die staatliche Autorität im ganzen Land zu sichern, ist es den Indigenen hier relativ einfach möglich, so zu leben wie sie es wünschen. Sie leben ziemlich traditionell und die Kinder müssen noch nicht mal in die Schule gehen. Glücklicherweise werden sie am Geld das mit den Touristen gemacht wird beteiligt. Wir wanderten 14km in acht Stunden. In der zweiten Nacht hatten wir Betten. Die stanken allerdings nach der konstanten Feuchtigkeit die im Regenwald herscht. Jeden Nachmittag wurden wir zur Verwunderung unseres Wanderführers vom Regen "überrascht". Mir kam der Regen ziemlich berechenbar vor, aber unser Guide wollte lieber ausgedente Schwätzchen mit seinen Freunden führen statt vor dem Regenguss beim Schlafplatz anzukommen. Aber das nur nebenbei. Die Betten stanken also nach einem Gemisch aus Feuchtigkeit und Schweiss. Da ich aber ziemlich müde war und meine Ohrstöpsel in Gebrauch hatte, schlief ich ziemlich gut und ziemlich früh. Unser sehr bemühter Guide hatte sich Mut angetrunken um die Geschichte der Entdeckung der Verlorenen Stadt zu erzählen. Weil er aber kein mitreißender Erzähler ist und immer jemand seine Geschichte übersetzen musste, für diejenigen die kein Spanisch sprachen, wurde sie ziemlich langatmig. Kollektiv verabschiedeten wir uns um acht Uhr ins Bett. 


Am dritten Tag war es endlich so weit. Wir erreichten die Verlorene Stadt. Nachdem wir einen Fluss überquert und ca. 1200 Stufen hochgelaufen waren, kamen wir an. Irgendwie kam uns alles ziemlich surreal vor. Und Ri, eine der drei Englischen Ärztinnen, brachte es auf den Punkt: es kam einem vor wie die Kulisse von The Hunger Games. Auf einer Bergspitze gelegen und umgeben von anderen satt grünen Bergen mit Palmen und exotischen Pflanzen, breiteten sich vor uns die Überreste der Verlorenen Stadt aus. Kreisförmige Mauerreste, von Pflanzen überwuchert. Und in dieser surrealen Umgebung hörten wir das donnernde Flappern eines Propellors. Kurz darauf sahen wir einen riesigen Militärhubschrauber. Er sah genauso aus wie der Hubschrauber der in den Hunger Games die "Gefallenen" einsammelt. In unserem Fall brachte der Hubschrauber jedoch Nachschub für die auf der Verlorenen Stadt postierten Soldaten. Der Anblick der Soldaten brachte uns auch wieder in die Realität zurück. Denn obwohl es uns in Kolumbien so gut gefällt und unsere Tour fernab der Wirklichkeit zu sein schien, gibt es hier immer noch bewaffnete Auseinandersetzungen. Das wir in aller Sicherheit durch den Regenwald trekken konnten, verdankten wir einer massiven Militärpräsenz in der Gegend. 1500 Soldaten war in der Gegend stationiert, 100 direkt in der Verlorenen Stadt. Irgendwie machte die Militärpräsenz den Ort noch spezieller. Was aber am beeindruckensten war, war wie wenig Leute mit uns dort waren. Außer uns waren 5 andere Touristen dort. Später würden noch mehr kommen. Insgesamt aber nicht mehr als 40 Leute. Um zur Verlorenen Stadt zu kommen muss man eben wandern. Man kann nicht mit dem Bus hierher fahren. Und das macht dieses Erlebnis so besonders.



Der Rückweg verlief auf dem gleichen Weg wie der Hinweg. Und obwohl die Landschaft sehr schön war, war die Luft irgendwie raus. Wir freuten uns auf unser Hostel, ein bequemes Bett, eine Dusche und Anziehsachen die nicht stanken. Trotz aller Strapazen... die Tour war fantastisch. Und wir hatten uns so gut mit unserer Tourgruppe verstanden, dass wir in den nächsten Tagen mit ihnen weiterziehen würden.

Santa Marta und die Karibikküste

Wir haben eine Weile lang nichts mehr veröffentlicht und das liegt daran, dass wir hier in Santa Marta so etwas, wie ein kleines zu Hause gefunden haben. Aber von Anfang an.

Als wir aus der Kaffeeregion kamen, sind wir erst um halb 11 abends hier gelandet und hatten schon ein Hotel vorgebucht. Ein absoluter Reinfall. Die Zimmer waren nicht nur in gestrichen, kahl und hässlich, sondern wir brauchten auch 3 Anläufe, um eines zu finden, dass halbwegs schimmelfrei war. Naja, die Nacht haben wir überlebt - so was gehört halt zum Reisen manchmal dazu. Dafür hatten wir am nächsten Tag eine Glückssträhne: wir checkten aus und machten uns auf die Suche nach einer neuen Bleibe für die nächste Nacht und nach einem Guide für einen Trek zu machen.

Aber erstmal frühstückten wir in Ruhe, und dabei sprachen uns im Café ein paar Spanier an, die uns eine Hostel zeigten. Mit Pool und Palmen im Innenhof, Sitzsäcken, einer Küche zum selber kochen, und vor allem nagelneuen, blitzsauberen Zimmern ist die La Villana Hostel (Link) zum halben Preis genau das, was wir gesucht hatten. Manchmal muss man sich eben einfach nur nicht anstrengen, damkt es klappt. Und da wir ein bißchen reisemüde waren, haben wir hier in den letzten 2 Wochen unser Basiscamp aufgeschlagen und waren irgendwie viel zu entspannt, um das Gefühl zu haben, dass wir wahnsinnig spannende Sachen Posten könnten.

Stimmt aber gar nicht. Zum einen ist so eine Hostel ja an sich schon interessant - jedenfalls, wenn eine Gruppe 18-Jähriger Engländer sie unsicher macht - und zum anderen haben wir zwei Trips von hier aus gemacht. Die harte 4-Tage-Wanderung zur Ciudad Perdida (verlorenen Stadt) und 5 Tage an denen wir die tropischen Strände im Nationalpark Tayrona und die Wüste am Cabo de la Vela erkundet haben. Naja, das sind aber jedenfalls eigene Geschichten mit eigenen Posts hier

 und hier.

Bei unseren Stationen in Santa Marta genossen wir ein wenig Zuhause-Gefühl,  ließen die Wäsche waschen und kochten in der Hostelküche. Sogar ein Filmabend war drin. Und zum Schluß haben wir es dann gestern Abend sogar geschafft, feiern zu gehen. Und dann hat sogar die Musik noch zu dem Zuhause-Gefühl beigetragen.  Die hier in Nordkolumbien populäre Musik klingt nämlich mit ihrem stampfenden Rhythmus und dem Akkordeon ein bisschen nach der südamerikanischen Version österreichischer Hüttenmusik.

Morgen früh müssen wir Santa Marta dann zum dritten und letzten mal verlassen.  Es geht gestärkt und neu motiviert nach Leticia in den Amazonas-Jungle und von dort dann weiter nach Brasilien.