Mittwoch, 25. Dezember 2013

Häppchen: Ganz entspannt

Am Strand gefrühstückt, gelesen, Ananasshake getrunken, zu Mittag gegessen,  Yoga gemacht, Beachvolleyball gespielt,  zu Abend gegessen, Schach gespielt, Cocktail getrunken und Sterne geguckt. Nur den Strand verlassen um im Meer zu schwimmen. Entspannter geht's nicht.

Indien als Tourist

Nachdem wir schon viel Zeit in Bangalore, in der Schule und mit den bhats verbracht haben, war es jetzt mal an der Zeit, auch Indiens touristische Seite kennen zu lernen. Immerhin sind die Tempel, Märkte und Burgen viel
Zu berühmt um sich nicht an zu schauen. Wir haben also einen Wochenendausflug zu den Tempeln von Srvanabelagola (ja, ich kann den Namen auswendig - warum erklärt sich noch), Bellur und Hallebid sowie nach Mysore gemacht. Und die Weihnachtsferien haben mit einer Tour über Chattirdurga und Hampi an die Strände Goas eingeläutet.

Der wichtigste Eindruck ist: die Monumente und Tempel sind so beeindruckend wie ihr Ruf. Hampi hat seinen Weltkulturerbe-Status zurecht, den ganzen Tag wandert man zwischen Ruinen und Tempeln herum. Und mithilfe des Guides entsteht in der Vorstellung die Stadt wieder neu, die im 14. Jahrhundert Südindien beherrschte, mehr als eine halbe Million Einwohner hatte und über den Handel Technologie aus aller Welt kennen lernte. Aquädukte wie in Rom, chinesische Architektureinflüsse , arabische Mathematik und indische Elefanten. Alles schon da, während Europa eigentlich nur Hexenverbrennung und Ablasshandel perfektionierte. Bellur und Hallebid sind viel kleiner, haben dafür aber 10-tausende detaillierte Statuen und Skulpturen. Wunderschön und beeindruckend. Oder die 18m hohe monolithische Steinstatue von Srvanabelagola - Neues und Tolles, wo man hin kommt. Sogar in Chattirdurga, einer Stadt, die anscheinend so unwichtig ist, dass der Lonely Planet sie nicht mal erwähnt, gab es ein riesiges Fort und eine kleine Höhlenstadt, die in Europa wohl sehr bekannt wären.

Mysore and Temples (hier klicken)

Wie immer in Indien gibt es aber natürlich eine Kehrseite. Schon erstaunlich, wie viel Inkompetenz man hier teilweise findet. Unser Fahrer auf dem Wochenendtrip konnte kein Wort englisch und kannte den Weg kein bisschen. Ich glaube, er konnte auch nicht lesen - jedenfalls ist er zielstrebig an jedem Schild in Richtung Srvanabelagola vorbei gefahren. Auch unser etwa 100maliges insistieren half da gar nicht. Erst als wir dann den Travel Agent als Übersetzer angerufen haben, fuhr er grob in die richtige Richtung. Er verfuhr sich dann nur noch 3 mal, fuhr dann am Tempel vorbei (ist "Stop" kein international verständliches Wort?) und setzte uns pünktlich um 18:01 am Tempel ab. Der Tempel schließt um 18:00. Eigentlich, weil in Indien ja immer noch was geht. Wir durften also doch noch rein, um Laufschritt die 618 Stufen hoch und im Schnelldurchgang den Tempel anschauen, der grade in der Abenddämmerung sehr atmosphärisch war. Merke: nichts klappt wie geplant, aber improvisieren können Inder.

Unser Ausflug mit Rama, ihrem Sohn und drei Collegefreunden war einer unserer Highlights. Wir haben das Gefühl immer mehr von der indischen Kultur zu verstehen und merken wie grundsätzlich anders sie ist. Während in unserer Kultur Freiheit und Selbstbestimmung eine der höchsten Güter sind, so ist es hier die Familie und die Tradition die Ordnung in das ansonsten chaotische und korrupte Land bringt. Umso weniger der Staat für seine Burger sorgt umso wichtiger ist eine Gemeinschaft aus Familie und inoffiziell der Kaste. Immer kennt jemand jemanden der einem hilft. Und so sind Hochzeiten auch kein Bündnis zweier Personen sondern zweier Familien. Eltern aus guten Familien bestimmen auch die Wahl des Studiums. Eine Mutter die all diese Entscheidungen ihren Kindern überlässt ist eine verantwortungslosen Rabenmutter. Frauen sind also durchaus mächtig in Indien, halten es aber für selbstverständlich, dass sie sich um den kompletten Haushalt kümmern, die Kinder erziehen, die Alten versorgen und arbeiten. Während unseres Ausflugs hatten die drei Jugendfreundinnen ohne ihre Männer jedenfalls eine Menge Spass, und wir mit ihne n.
Chattirdurga und Hampi (hier klicken)

Als Tourist lernt man notgedrungen auch die indische Infrastruktur ganz gut kennen. Auf richtig guten Straßen schafft man schon mal einen Schnitt von 60kmh - was gar nicht so schlecht ist, immerhin muss man alle 2min eine Vollbremsung machen wegen 50cm hoher Drempel, wegen Kühen auf der Straße, oder einfach weil im Gegenverkehr jemand einen Lastwagen überholt und mit Lichthupe und Hupe deutlich mitteilt, dass man jetzt besser Platz macht. Es gibt allerdings auch Straßen, auf denen kaum mehr als 10kmh drin sind, weil die Lastwagen der illegalen Minen die Straße zerstört haben.

Noch eine Tatsache, die zwei Seiten hat: hier gibt es erstaunlich wenig Ausländer. Wir werden überall freundlich begrüßt, wir sehen, wie sich die Leute hier Freizeit vorstellen (am wichtigsten sind die Programmpunkte Foto und Essen) - genau das wollten wir ja, das Land kennen lernen und nicht nur seine Sehenswürdigkeiten. Und genre machen wir ein Foto mit einer Schulklasse oder mit einer Familie, für die wir die eigentlichen Sehenswürdigkeiten waren. Manchmal wird das dann aber auch zu viel. In Mysore sind wir am Ende aus dem Palastgelände geflohen, weil uns eine ganze Schule zu ihren persönlichen Celebrities gemacht hat und in einer Traube laut schnatterndhinter uns hergelaufen sind. Nach etwa 20 mal "What's your Name?" fasste der Rest der Kinder Mut - und es gibt viele indische Kinder... Ganz nervig wurde es dann an einem Strand in Nordgoa. Der war wohl ein beliebtes Ziel für indische Tagesausflügler. Da kamen dann Gruppen von Männern, die mal mehr mal weniger auffällig jede weiße Frau fotografierten, die sie finden konnten. Auch mehrere Familien kamen sich bei uns vorstellen, um ein Foto zu machen und uns zu sich nach Hause einzuladen. Schon schwierig, ein bisschen kann ich es ja verstehen. Die haben noch nie Ausländer gesehen, und schon gar nicht im Bikini. Trotzdem war irgendwann doch unsere Geduld am Ende.

Gestern an Heiligabend sind wir daher umgezogen an den Strand von Patnem in Südgoa. Zum ersten mal fanden wir die Beschreibung, dass dieser Teil Goas touristisch weiter entwickelt sei als der Norden, einen Grund für und nicht gegen diese Region. Nach drei Wochen unter Indern, es kommt uns schon wesentlich langer vor, hatte Barbara Lust endlich mal ein Sommerkleid statt züchtigen langen Hosen anzuziehen und in der Öffentlichkeit Händchen zu halten ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Entscheidung, wie sie kaum richtiger sein konnte. Wir liegen jetzt hier am Paradies unter Palmen. Zum Weihnachtsessen gab es frisch gefangenen und gegrilltem Fisch mit den Füßen im Sand, dazu Meeresrauschen und sogar ein Feuerwerk. Durchaus unkonventionell aber toll. Die Weihnachtsstimmung brachten dann die Santa-Mützen der Kellner und die Techno-Version von Feliz Navidad aus dem Nachbarcafé. Und jetzt Sitze ich im Strandcafe, genehmige mir einen Ananas-Shake, es läuft House of the Rising Sun, und ich kann ein Volleyball-Netz sehen. Vielleicht finden wir ja nachher wenn es etwas abkühlt dort wen zum spielen.
Goa (hier klicken)

Wir finden den Werbespruch von Indien bemerkenswert ehrlich und passend: Incredible India. Frohe Weihnachten.

                                           Thorben und Barbara

Dienstag, 24. Dezember 2013

Häppchen: Oh Palmenbaum

Den indischen Voyeuren, streunenden Hunderudeln und schimmeligen Zimmerwänden entkommen. In Süd-Goa gestrandet, mit Meerblick gegrillten Red Snapper und Garnelen geschlemmt und Feuerwerk bewundert. Dazu Kellner mit Weihnachtsmütze, die unsere Wünsche erfüllen, Livemusik und Meeresrauschen. Fehlen nur noch unsere Lieben aus der Heimat. Frohe Weihnachten!

Ein Grußvideo haben wir hier hochgeladen.

Montag, 23. Dezember 2013

Häppchen: Nachtbus

Wer hätte das gedacht - in Indien gibt es doch etwas,  das tadellos funktioniert: der Nachtbus. Pünktlich los gefahren und 11 Stunden später 10 min zu früh angekommen. Dazwischen ein recht bequemes Bett gehabt.

Häppchen: Geburtstag in Indien

Beim in den Geburtstag rein feiern haben wir schon um 11 schlapp gemacht. Trotzdem hab ich um 12 einen Kuchen bekommen, von dem ich den Rest am Strand in Goa Essen werde.

Samstag, 21. Dezember 2013

Häppchen: Chattirdurga? Nie gehört.

Dass Indien groß ist und beeindruckende Monumente hat, merkt man,  wenn das riesige Fort und eine ganze Höhlenstadt nicht mal im Lonely Planet verzeichnet sind. Eine Frage bleibt jedoch offen: ist das Fort die Attraktion oder sind wir es für die einheimischen, meist ländlichen, Besucher...?

Freitag, 20. Dezember 2013

Häppchen: Bollywood

Wow! Bollywood Filmpremiere mit fünf Freunden und 1000 Kinobegeisterten. Beim Auftritt des Heldens applaudierten die, größtenteils männlichen (!), Zuschauer und johlten laut. Die Menge musste zur Vorstellungseröffnung sogar von der Polizei unter Kontrolle gebracht werden, so aufgeregt waren sie. Wir sahen uns das Spektakel amüsiert an, genossen und bekamen Vorzugsservice mit interessanten Snacks und gesalzener Lime-Soda mit Schuss weil wir mit der Kinobesitzerin unterwegs waren. Ein super Abend! Danke Rama und Freunde!
PS. Die Bollywood-Heldinnen hatten lange Nasen. Ich bin hier eine Schönheit :)

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Not for profit: not efficient?!?

Jeder kennt die Fischmethapher: Ein Mann geht am Strand entlang, bückt sich, hebt einen Fisch auf und wirft ihn zurück ins Wasser. Er wiederholt die Prozedur mehrmals bis ihm jemand sagt: Das ist aussichtslos. Es sind tausende von Fische gestrandet. Das was du machst, macht keinen Unterschied. Doch der Mann hebt den nächsten Fisch auf und erwidert: Für diesen Fisch macht es einen Unterschied. Und wirft den Fisch zurück ins Wasser.


 Nur mit dieser Einstellung kann man für ein soziales Projekt in Indien arbeiten. Es gibt viele tolle Projekte die dafür sorgen, dass Kinder in Bangalore und im ganzen Land zur Schule gehen. Man holt die Kinder aus den Slums, gibt ihnen Essen, Trinken, medizinische Versogung und einen Ort an dem sie sicher heranwachsen können. Da es aber so viele Kinder in Bangalore gibt, die dennoch keine Chance auf eine Bildung erhalten und noch viele mehr in den entlegenden Gegenden und in ganz Indien, kann man schnell die Hoffnung aufgeben irgend einen Unterschied mit seiner Arbeit zu machen.

Am Samstag waren wir auf einer Konferenz zum Thema Zusammenarbeit verschiedener sozialer Initiativen fuer mehr Chancen auf Bildung in Bangalore. Die Konferenz war sehr interessant fuer uns. Zum Thema Zusammenarbeit wurde zwar nicht sehr effektiv diskutiert, dafuer habe ich aber einen guten Ueberblick ueber die verschiedenen Initiativen bekommen und vor allem wie diese NGOs arbeiten.

Generell kann man sagen, dass es sehr viele Menschen gibt die hier etwas bewegen wollen und dies auch schaffen. Viele kleine Organisationen helfen vielen aber nicht sehr vielen Kindern. Die Art wie sich die Organisationen auf der Konferenz vorstellten legte nahe, dass sie ehr konkurrieren, wahrscheinlich um Spenden, anstatt zusammen zu arbeiten. Srilatha Butliwala, eine erfahrene, intelligente Professorin die seit 40 Jahren in der Uni, bei der Regierung und auf der Strasse fuer bessere Bildungsmoeglichkeiten fuer arme Kinder arbeitet, hiel einen sehr interessanten Vortrag. Sie referierte, dass heutzutage viele Organisationen in Silos arbeiten wuerden. Sie wollten nichts von anderen Projekten hoeren und nichts aus frueheren Erfolgen und Misserfolgen lernen. Denn oft kaemen solche Initiativen von Geschaeftsleuten die irgendwann merkten, dass sie noch etwas anderes mit ihrem Leben anstellen wollen. Da sie aus der Geschaeftswelt kommen und sehen, wie ineffizient manche Hilfsorganisaitonen arbeiten, glaubten sie, dass es nur einen guten Manager brauche um das Problem zu loesen. Sie denken, dass sie die silberne Kugel haetten mit der sie alle Probleme loesen koennen. Erst spaeter realisierten sie, dass es viele Dinge gibt die nicht nach Plan laufen und dass die Dinge nicht so einfach zu loesen sind, wie sie dachten.

Thorben und ich haben uns bei all den guten privaten Initiativen doch immer gefragt warum die Regierung nicht ihrer Aufgabe gerecht wird die Kinder zu bilden. Schließlich würde das mit einem mal hunderttausende von Kindern erreichen anstatt "nur" einige hundert. Die Antwort der Professorin war einleuchtend: guten, erfolgreichen Projekten seien in der Vergangenheit Steine in den Weg gelegt worden, da Politiker Angst um ihren Machterhalt bekommen hatten. Denn gebildete Leute wählen anders als ungebildete.

Eine Initiative die dennoch vom Regierungssystem Gebrauch macht und für uns sehr vielversprechend klang ist Akshara. Diese Organisation stellt gratis Lehrmaterial zur Verfügung und bildet Lehrer weiter. Damit hoffen sie, die Unterrichtsqualität in den anscheinend meist schlechten öffentlichen Schulen zu verbessern. Was den Vorteil hat, dass nicht alles privat organisiert und finanziert werden muss und der Staat nicht aus seiner Verantwortung genommen wird. Was ich besonders gut finde ist die Tatsache, dass diese Organisation sich bemüht ihren Erfolg messbar zu machen. Etwas was viele Organisationen nicht machen. Vielleicht weil man auch nicht gerne sieht wenn man nicht so erfolgreich ist wie man es gerne wäre. Akshara sammelt Daten um ihren Erfolg zu evaluieren und stellt diese online zur Verfuegung. Ich habe direkt Lust bekommen mit den Daten zu spielen. Falls jemand von euch auch Lust bekommen hat  sich irgendwie zu engagieren, seht euch auf www.klp.org.in um! Ein Video von drei anderen sehr interessanten Organisationen, unter anderem Parikrama, die Schule an der wir arbeiten, findet ihr hier.

Am Anfang sagte ich, dass die Konferenz vor allem dadurch interessant für mich war, weil ich viel darueber gelernt habe wie Hilfsorganisationen arbeiten: mit ganz viel Herz aber nicht ganz so effektiv wie sie sein könnten. Diskussionen liefen vollkommen unfokusiert ab, Präsentationen die 20min dauern sollten dauerten 40 min und die Technik funktionierte auch nur so mittelgut. Insgesamt kamen mir die Organisationen relativ unprofessionell vor. Ich weiß, dass ich damit genau das von Batliwala vorgestellte Cliche eines Außenstehenden bediene, der glaubt alles besser machen zu koennen. Aber ich glaube wirklich, dass eine etwas rationalere, analytischer Perspektive gut tuen wuerde.

Trotzdem, ich bin und bleibe von der Arbeit dieser Menschen beeindruckt. Heute habe ich mit drei Zweitklaesslerinnen von Parikrma auf dem nach Hauseweg ein Spiel gespielt. Ich habe ihnen Matheaufgaben gestellt und sie haben sie um die Wette geloest. Die drei waren unglaublich fit und eifrig. Ohne Parikrama wuerden sie hoechstwahrscheinlich nicht zur Schule gehen und haetten keine Perspektive aus ihrem Slums rauszukommen. Für die drei Fische macht diese Organisation den Unterschied.

Dienstag, 17. Dezember 2013

Bigger is better?!? - Indische Hochzeit

Indische Hochzeiten sind so etwas wie deutsche Autos, französischer Wein oder italienische Mamas. Weltklasse, berühmt und gleichzeitig die Zusammenfassung der Landeskultur in einem Wort. Als wir daher jetzt mit unserer Gastfamilie zu einer Hochzeit gehen durften, war die Freude natürlich gross.
Fotos von der Hochzeit (Hier klicken)

Nach der ersten Freude stellte sich mir die Frage die sich sonst nur Frauen vor Hochzeiten stellen: Was will ich anziehen? Das schickste was ich mit habe sind Turnschuhe und Jeans, es muss also was Neues her. Am besten günstig, weil ich es ja wahrscheinlich nur einmal anziehen werde. Auf Anraten unserer Gastfamilie wurde es eine Kurta mit Pajamas - also quasi ein Nachthemd mit Leggins. Barbara hat auch Sachen gefunden - die ihr auch deutlich besser standen.

Los ging es also morgens um 10, die Hochzeit war draußen auf dem Gelände vor einem Palast in Bangalore. Erster Eindruck: in Sachen Dekoration haben die Inder es drauf. Zweiter Eindruck: die Hochzeit war schon seit längerem dran, während die Gäste herein tröpfelten. Bei 1500 Gästen auch eigentlich eine gute Idee, das so zu machen. Die ganzen Zeremonien fanden auf einem Podest statt, auf dem noch gefühlte 100 Familienangehörige standen. Da wir anderen Gäste also nichts sahen, konnte man sich prima unterhalten oder die wirklich prachtvollen Saris der Frauen bewundern. Ach ja - die Männer hatten übrigens fast alle verschiedene Versionen von Anzughose mit Hemd an - bis auf den einen großen, blassen Typ im Nachthemd mit Leggins.
Der Typ im Nachthemd

Irgendwann kam dann auch der Bräutigem mit Familie eingezogen und wurde von der Familie der Braut in Empfang genommen. Danach kamen weitere Zeremonien wie ein Band um beider Handgelenke zu binden oder sich gegenseitig eine Girlande um den Hals zu legen. das wurde uns jedenfalls gesagt, denn sehen konnten wir kaum etwas.

Während dann (angeblich) alle 100-200 Mitglieder der Brautfamilie Milch über die Hände des frisch verheirateten Paares schütteten, um es zu segnen, ging auch das Essen los. Und bei 1500 Gästen lief das natürlich in Runden ab. Man saß an langen Tischen und bekam auf einem Bananenblatt verschiedene Essen sortiert. dabei starrten die noch hungrigen Gaeste den Gluecklichen die bereits aßen auf das Bananenblatt. War eine Tischreihe fertig, so wurden Essensreste, Bananenblättern und schließlich die Papierdecke entfernt, und wieder neu eingedeckt, siehe Video. Sehr effizient, Indien!

Beim Essen konnten wir punkten, weil wir mittlerweile recht souverän mit den Fingern essen können. Ich hab daher direkt noch einen drauf gepackt und mit Rechts gegessen. Wer mich kennt, weiß: das ist mutig. wir wurden dabei auch ungefaehr 50 mal fotografiert und gefilmt! Wie eigentlich immer in Indien war es sehr lecker. Die verschiedenen Soßen, Reis, Rotis, Chutneys, und vieles mehr. Und vor allem natürlich 5 verschiedene Nachtische (nicht zur Auswahl sondern alle nacheinander). Danach ging es wieder nach Hause, um bei einem Nickerchen Kraft für die nächste Runde am Abend zu sammeln.

Abends wurde dann bei der Deko noch mal was drauf gelegt. Überall Blumen und alles wild beleuchtet - wirklich beeindruckend. Das Programm, des Abends war dagegen überschaubar - es bestand aus 2 Punkten. Zum einen musste jeder Gast dem Brautpaar auf einer Bühne gratulieren und mit ihm porträtiert werden, zum anderen gab es wieder Essen, diesmal als Buffet. Wobei das Brautpaar selber nur mit Punkt eins beschäftigt war. 1500 Gästen die Hand zu schütteln dauert nämlich seine 3 Stunden, und damit in etwa so lange wie der ganze Empfang. Um 23h war nämlich das essen fertig und damit alles vorbei.

Was bleibt ist also der Eindruck, dass es bei der indischen Hochzeit mindestens so sehr um die (Groß-)Familie geht, wie um das Paar, dass deutsche Hochzeiten zwar viel kleiner sind aber dafür persönlicher. Andererseits waren wir als Fremde mit eingeladen, was bei uns doch eher nicht der Fall gewesen wäre. Und den ganzen Tag über haben wir uns immer wieder mit verschiedenen Leuten unterhalten. Dabei haben wir uns immer sehr willkommen und wohl gefühlt - das bestätigt den Eindruck, das man bei Indern nur ein wenig durch eine rauhe Schale kommen muss, um ganz liebe Leute kennen zu lernen. In Indien sagt man: "der Gast ist Gott", und das meinen die Inder auch so.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Arrangiert, verlobt, verheiratet

Gestern habe ich eine Werbung für ein Smartphone gesehen, die nur in Indien ausgestrahlt werden kann und einiges über das Land verrät: Ein Mann und eine Frau Mitte Zwanzig sitzen sich gegenüber. Er erzählt ihr, wie erfolgreich er ist. Wie in einem Jobinterview. Die Frau ist offensichtlich nicht interessiert. Sie tippt auf ihrem Smartphone rum, zeigt dem Mann ihre Astrologie-App und sagt: "Our stars do not match". Das zeigt zwei Dinge die ich besonders interessant an Indien finde: das Konzept der arrangierten Hochzeit  und der Glaube an Astrologie.

Ich dachte, dass arrangierte Hochzeiten etwas ist, was es in Indien längst nicht mehr gibt und falls doch, dann eher in abgelegenen, weniger modernen Gegenden. Wir leben hier bei einer Familie der gehobenen Mittelklasse. Sie sind gebildet, haben ihren Sohn und ihre Tochter zu guten Privatschulen geschickt und sehen die indische Gesellschaft durchaus mit kritischen Augen. Sie sind eine moderne Familie, die gleichzeitig tief mit ihren Traditionen verwurzelt ist. Ihre Ehe und die ihrer Kinder wurden arrangiert.

Ich empfand die Idee einer arrangierten Hochzeit als zu tiefst verabscheuenswürdig. Ich stellte mir darunter vor, dass junge Mädchen gegen ihren Willen mit älteren Männern verheiratet werden und ihrem Mann und dessen Familie dann schutzlos ausgeliefert sind, da die Braut nach der Hochzeit zu ihren Schwiegereltern zieht. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass eine arrangierte Hochzeit auch heute noch in Indien so aussehen kann. In den modernen Familien sieht sie hingegen eher aus wie ein gut geplantes Projekt, in dem die Eltern das Wohl des Kindes im Blick haben.

Jungen und Mädchen dürfen im heutigen Indien zusammen zur Schule gehen  und sogar befreundet sein. Eine Romanze wird jedoch nicht akzeptiert, erklärten mir die Schüler von der Schule an der wir arbeiten. Ich kann mir vorstellen, dass ein Mädchen, das eine Romanze hat, einen schlechten Ruf bekommt und nicht mehr verheiratet werden kann. Unsere Gastmutter erklärt uns, dass die junge Generation verwirrt sei. Einerseits ist das Konzept einer Love  Marriage, wie die Schüler sie nannten, bekannt. Andererseits wüssten die jungen Leute auf Grund mangelnder Erfahrung gar nicht wie man "zusammen kommt". Wenn die Kinder also selber keinen geeigneten Partner finden, überlassen sie die Suche nach dem oder der Richtigen ihren Eltern, bzw ihren Müttern. Mir hat bisher keiner erklärt, was passiert wenn man zwar einen Partner findet, aber aus Sicht der Eltern keinen geeigneten Partner. Ich denke, dass die ein schwerwiegendes Problem in der Familie wäre, welches sogar dazu führen könnte, dass die Eltern nicht mehr mit ihren Kindern sprechen. Meist kommt es aber gar nicht erst soweit, weil die Kinder die Konsequenz fürchten.

Wie finden die Eltern also den perfekten Match? Früher gabe es Kataloge in denen sie ihre Kinder anpriesen und sich den Partner der Kinder aussuchten. Heutzutage gibt es dafür eine Webseite. Und so nutzen viele Mütter das Internet hauptsächlich dafür um den Ehepartner ihrer Kinder zu finden. Die Hauptkriterien dabei sind natürlich der soziale Status (immer noch meist durch die Kaste approximiert), die finanziellen Verhältnisse um den bisherigen Lebensstandard zu sichern, aber eben auch das Horoskop, wie in der Smartphone-Werbung.

Die Vorstellung, dass meine Mutter vor dem Computer sitzt und sich das Profil junger Männer anschaut um sie mit mir zu verkuppeln, finde ich höchst amüsant. Die Kinder dürfen dabei gewisse Kriterien einbringen, jedenfalls in modernen Familien. So wünschte sich die Tochter unserer Gastmutter einen Mann der groß ist, Hunde mag und in Bangalore lebt. Mit dieser Einkaufsliste, und natürlich den eigenen Vorstellungen setzte sich unsere Gastmutter an den Computer. Als sie dann einen geeigneten Kandidaten gefunden hatten, ganz traditionell über das Hörensagen von gemeinsamen Bekannten, durfte sich die Tochter mit ihm treffen um herauszufinden ob sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen möchte. Dieses erste Treffen ist genau das was in der Smartphonewerbung zu sehen ist. Bei diesem Treffen fragte sie ab ob der Kandidat möchte das seine Zukünftige zu Hause bleibt oder arbeitet ect. Nach verschiedenen Absagen war schließlich der Richtige dabei. Der Auserwählte steht ihr einen eigenen Kopf zu und  schien und auch sonst nett. Normalerweise müsste sie  nun auch die Eltern und die Schwestern empfangen, damit sich diese die Braut anschauen um dann gemeinsam mit dem Kandidaten zu bestimmen ob er der Hochzeit zustimmt. Vor dem Hintergrund, dass die Braut bei der Familie des Bräutigams leben würde, ist das durchaus verständlich. Da das Paar modern ist und zunächst alleine leben wird, war dies jedoch nicht nötig. Das Ehepaar lebt jetzt, glücklich und zufrieden, in Mumbai. Ende gut, alles gut.

Das aus der arrangierten Partnerschaft eine Liebe fürs Leben wird ist wohl ehr die Ausnahme. Ich habe jetzt schon mit zwei Frauen gesprochen, die mir sagten, dass weder sie noch ihre Männer schlechte Personen seien, dass sie aber dennoch gerne Dinge getrennt machen, da sie sehr unterschiedlich sind. Und sie finden das ganz gut so. Insgesamt sehen die Inder eine Ehe weniger romantisch und eher zweckmäßig. Wenn die Zukünftigen von einem ähnlichen Hintergrund stammen, werden sie schon zu einander finden. Natürlich, man wird sich anpassen müssen, aber das ist bei uns nicht anders. Denn selbst wenn man aus Liebe heiratet, so verändert man sich doch über die Jahre und nur wenn man aufeinander zu geht und sich anpasst, kann die Ehe glücklich werden/bleiben.  Auch die Suche nach dem passenden Partner ist bei uns nicht so verschieden wie man zunächst denken könnte. Wir suchen uns einen Partner den wir meist über Bekannte kennenlernen oder den Job. Dadurch wird eigentlich auch ein ähnlicher Hintergrund garantiert. Wenn es so  nicht klappt, nutzen mittlerweile auch bei uns Viele das Internet um jemanden kennenzulernen. Die arrangierte Hochzeit des modernen Indien ist also keine Versklavung der Frau, sondern eher eine  Art speed dating unter Aufsicht der Eltern. In der arrangierten Ehe geht es nicht um die Liebe des Lebens, sondern um eine stabile Partnerschaft. Irgendwie eine ganz interessante Idee.

Barbara

Sonntag, 8. Dezember 2013

In Indien ankommen

Jetzt sind wir schon eine Woche in Indien. Wir wohnen bei der Familie Bhat, die uns quasi adoptiert hat. Wir essen leckere, neue Sachen, reden viel und sind immer mal wieder in Bangalore unterwegs.

Das klingt jetzt vielleicht langweilig, aber - zum einen waren die letzten zwei Wochen schon sehr stressig und da ist es eigentlich auch nett, ein paar Tage so ganz ohne Verpflichtungen runter zu kommen. Dazu kommt, dass Bhats uns so viel von dem, was wir sehen erklären. Fast immer steht hinter allem ein wichtiger brauch und meistens hat der irgendwas mit Hochzeiten zu tun. Und wir reden ja immer noch über Indien, da ist eigentlich nichts langweilig.

Unser Sightsseeing hatte seinen Höhepunkt beim Besuch eines alten Erdnussmarkts, der gleichzeitig Tempelfest und Flohmarkt ist. In Indien ist so etwas natürlich ein Riesengedränge und Gehupe. Dazu roch es nach gedämpften, gerösteten und anderen Erdnüssen, nach anderen Essen und natürlich nach Kühen und Abgasen. Und wieder hatten wir die bestmöglichen Guides dabei, Rama und ihre Freundin Harsha haben uns alles gezeigt und das Handeln für uns übernommen. Wir wären selber wohl sogar gegen den 5-jährigen verloren gewesen, der Barbara Ketten und Armreifen anpries. Auf Hindi - oder auf Kannada? Oder Tamil? Ich weiß es nicht.

Erste Bilder aus Bangalore (Hier klicken)

Und dann waren wir auch schon in der Schule, wo wir die nächsten Wochen arbeiten werden. Morgen ziehe wir in eine Wohnung dort. Aber davon wird Barbara noch schreiben.

Thorben