Donnerstag, 2. Januar 2014

Weil ich ein Mädchen bin

Ein Thema verfolgt uns hier immer wieder. In Diskussionen mit unseren Freunden, und den Schülern, in Filmen und in jedem Winkel des Alltags:




In Indien ist es nicht leicht ein Mädchen zu sein.

Das kommt vor allem daher, dass Mädchen verheiratet werden und dann bei ihrer Schwiegerfamilie wohnen und nichts mehr zum Haushalt der eigenen Familie beitragen. Zudem muss man für eine Tochter, nachdem man sie großgezogen, hat auch noch ihre Hochzeit und, je nach Brauch, eine Mitgift bezahlen. Ist die Tochter dann verheiratet, dürfen ihre Eltern keine finanzielle Unterstützung von ihr annehmen. Im Norden Indiens dürfen die Eltern ihre Tochter noch nicht einmal besuchen. Ein Sohn hingegen bleibt zu Hause wohnen und kümmert sich um die Eltern, wenn sie alt sind.

Aus dieser Tradition entsteht der Wunsch einen Sohn zu haben und eine Tochter abzutreiben, insbesondere bei armen Familien die keinerlei finanzielle Vorsorge treffen können. Um Abtreibung und Vernachlässigung von Mädchen zu begegnen, bekommen Eltern hier im Bundesstaat Karnataka die hohe Summe von 1200€ zur 18. Geburtstag einer Tochter sowie ein Fahrrad, wenn das Mädchen bis zur 8. Klasse in der Schule bleibt.

Das Ansehen einer Frau in der Gesellschaft steigt, wenn sie verheiratet ist. Wieso das der Fall ist, habe ich noch nicht verstanden. Sie trägt ein goldene Kette mit schwarzen Steinen als Zeichen ihres Status. Wenn eine Frau Witwe wird sinkt ihr Ansehen jedoch rapide. Nach der Tradition, darf sie keine farbige Kleider mehr tragen und nicht mehr heiraten. Auf Hochzeiten ist sie nicht erwünscht, da eine Witwe als schlechtes Omen gilt. Insgesamt sollte sie sich zurückziehen um keine Unruhe unter den Männern zu stiften. Sprich, um zu verhindern, dass Männer die Witwe attraktiv finden und bedrängen, soll sie sich zurückziehen. Im Norden Indiens war es sogar Tradition, dass sich die Frau in das Feuer in dem der Leichnam des Manns verbrannt wird wirft um bei lebendigem Leib zu verbrennen.



Bei einer Scheidung sieht es nicht viel besser aus für die Frau. Soziale Ausgrenzung ist zu befürchten. Eine Freundin von Rama lebt getrennt von ihrem Mann. Das wird uns aber nur hinter vorgehaltener Hand erzählt. Die Freundin ist glücklich eine Rebellin zu sein und erklärt lachend, dass sie eine gefallene Frau sei. Anfangs hatte sie sogar Schwierigkeiten eine Wohnung zu mieten weil sie alleine lebt.

In den letzten Jahren gibt es jede Menge Gesetzesinitiativen, die Frauen unterstützten sollen. Damit versucht man jedoch nur die Symptome zu bekämpfen: mehr Schulbildung für Mädchen, finanzielle Absicherung der Frau im Falle einer Scheidung, Vereinfachung des Scheidungsprozess für die Frau. An dem grundsätzlichen Problem, dass Frauen oft geringer wertgeschätzt werden als Männer aendert das aber nichts. Ich kann mir vorstellen, dass eine gesetzliche Rente eine hohe Wirkung zeigen könnte, da diese die Bedeutung des Sohns im Alter reduziert. Insgesamt ist es sehr  kompliziert Frauen in Indien zu emanzipieren da es hier nicht nur um die Beziehung von Mann und Frau handelt sondern um ein ganzes Familien-, Generationen-, und Traditionsgeflecht handelt.

Andererseits - Auch ein Junge zu sein ist in Indien nicht einfach. Zwar gibt es einige Privilegien für Männer, letztlich sind sie aber für das Wohl ihrer Eltern,ihrer Schwestern, ihrer Frau und Kinder verantwortlich. Das ist eine Menge Verantwortung, Druck und Erwartung die auf ihnen lastet.

4 Kommentare:

  1. Hallo,
    ich bin zufällig auf Euren Blog gestoßen und lese interessierte Eure vielfältigen Berichte. Habt Ihr als Lehrer an der Schule gearbeitet und wie seid Ihr an die Gastfamilie gekommen?

    Viele Grüße und eine gute Reise

    Heike

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    1. Hallo Heike,
      Sorry, hab ganz vergessen, dass ich dir noch antworten wollte. Ja, an der Schule waren wir sowas wie Lehrer. Obwohl wir damit wenig bis keiner Erfahrung haben... Aber es gibt auch freiwillige, die andere Sachen machen: Fundraising, Admin oder so.

      Die Schule hat ein Appartement für Freiwillige. Die Familie kennen wir über Freunde/Familie. War Zufall, dass die da ganz in der Nähe wohnen.

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  2. Toller Bericht, ich lerne jeden Tag mit euch dazu!

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  3. Ich lese euren Blog heute zum ersten Mal und finde alles sehr spannend, was ihr erzählt.
    Und euer Motto gefällt mir sehr. Ein leeres Gefäß sein und offen zu sein für alles was euch begegnet.
    ich bin gespannt auf weitere Berichte von euch,
    Anneli

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