Freitag, 28. März 2014

Willkommen in Zensuristan

Und noch ein Post ganz ohne Fotos. Das liegt nicht an uns, sondern an unseren Gastgebern, der chinesischen Regierung.

Es ist schon ein komisches Gefühl. Viele nutzen das Internet hier täglich, ja sogar minütlich auf ihren Handys, mehr noch als bei uns. Nebenher bemerkt: Die Telefone sind meist von Apple, Samsung oder Huawei, aber müssen eine ganz schlechte Qualität haben. Jedenfalls schreien beim Sprechen alle, als ob wären es Dosen-Telefone. Aber viele Seiten und Dienste sind gesperrt, und damit meinen wir nicht die Voice of America oder Amnesty International.

Geblockt sind neben politischen Inhalten auch fast alle Dienste, bei denen die User eigene Inhalte erzeugen: Blogger natürlich, Facebook und viele Seiten von Wikipedia. Auch der Fotodienst Picasa ist nur als Download verfügbar, selber Fotos hochladen geht nicht. Man kann das Internet eigentlich fast nur zum Konsumieren nutzen. Eigentlich ironisch, beim Kommunismus geht es ja eigentlich um die Ermächtigung der Massen. Das Internet mit seiner Vereinfachung von Zugang zu und Verteilung von Informationen ist ein unglaubliche Gelegenheit genau dafür, und sie wird komplett ignoriert. Naja, bei uns konsumieren auch viele Leute im Netz fast nur, aber wir fühlen uns trotzdem ein wenig entmündigt.

Mehr Freiheit hat man dann wiederum im privaten Bereich. Whattsapp und Skype funktionieren, sie sind ja auch beide mehr oder weniger für die 1:1-Kommunikation gedacht, die scheint also nicht so gefährlich zu sein. Für Facebook gibt es eine lokale Alternative, nämlich Wechat. Wechat wird von einer chinesischen Firma betrieben, und ist wahrscheinlich im Falle des Falles einfacher zu erreichen, als Mark Zuckerberg, wenn es um Sperrungen geht.

Erstaunlich ist, wie einfach und offen die Beschränkungen umgangen werden können. Hostels haben auf ihren PCs VPN-Tools installiert, mit denen man eine Art Tunnel in das Rest-der-Welt-Netz aufbauen kann, sogar auf dem Handy kann man das relativ einfach installieren. Eine Hostel wirbt sogar auf ihren Flyern mit "Internet- und Facebook-Zugang". Die Zensur ist also keine ganz harte. Sie setzt vielmehr auf die Bequemlichkeit der User und das  funktioniert. Dadurch, dass Facebook hier etwas unpraktischer ist als die chinesische Konkurrenz, nutzen es weniger Leute. Von da an machen Netzwerkeffekte ihre Arbeit und zack - ist Wechat in der marktbeherrschenden Position. Irgendwie doof, andererseits ist es bei uns kaum anders. Oder wer hat nach dem NSA Skandal von Whattsapp auf eine der verfügbaren ordentlich verschlüsselten Chat-Programme gewechselt?

Noch etwas weicher geht die Beeinflussung in manchen Bereichen vor, wo es um die Bevorzugung genehmer Firmen geht. Immer wieder fällt mir auf, dass Google und GoogleMaps hier sehr langsam sind. Das scheint eine bewusste Verlangsamung zu sein, denn sowohl die lokalen Alternativen (die mir nach 2 Wochen Sprachkurs nicht viel helfen) als auch Bing von Microsoft laufen viel besser. Ich habe gelesen, dass das immer mal wieder eingestreut wird, seit sich Google mit der Regierung angelegt hat und nicht mehr selber zensiert. Und wieder erreicht die Manipulation ihr Ziel. Unsere Chinesischlehrerin zB nutzt Google nicht so gerne, weil es zu langsam ist. Andererseits kann man das natürlich schwerer nachweisen als eine volle Zensur - sehr praktisch für das Image.

Die Mehrzahl der Leute hier merkt von alldem nichts. Wie bei uns auch, sind viele nicht politisch interessiert, und wenn doch, dann drückt sich das vor allem darin aus, das die Nachrichten des Regierungssenders CCTV (quasi die Tagesschau) geguckt werden. Kritische Gedanken sind einfach zu anstrengend. Letztens fragten uns zum Beispiel beim Wandern ein paar Chinesen, ob wir auch nach Tibet wollen, dort könne man so gut wandern. Als ich sagte, dass Ausländer dort nicht erlaubt sind, konnten sie es kaum glauben, und vor allem fiel ihnen beim besten Willen kein Grund dafür ein. Wir haben es dann dabei belassen.

Neben solch deutlichen Lücken im Wissen ist mir auch aufgefallen,  dass natürlich jede Nachricht immer einen Spin hat. Während ich auf SpiegelOnline und FAZ in den letzten Wochen die westliche Perspektive der Krim-Krise bekamen, zeigte der englische CCTV-Kanal ein ganz anderes Bild. Noch bevor sich die chinesische Regierung offiziell geäußert hatte, war klar, wo sie stehen. Bilder von pro-Russland-Demonstranten und eine ausführliche Beschreibung des Referendums mitsamt Bildern der Wahlurnen, Statistiken zur Wahlbeteiligung etc sprechen eine deutliche Sprache.

Alles in allem hat uns der Aufenthalt hier gezeigt, warum so viele Leute kaum Notiz von Zensur nehmen - es betrifft sie einfach im täglichen Leben nicht. Das ist zwar eine gute Nachricht für die Leute hier, macht mir aber auch Angst, dass es auch bei uns wohl keinen Widerspruch gegen die Aushöhlung aller Bürgerrechte im Internet geben wird, solange man nur weiter Smileys und Katzenbildchen verschicken kann.

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