Samstag, 29. März 2014

Chinas konsumierbare Natur

Authentisch, unverfälscht, unberührt, natürlich... das sind Worte die wir gerne gebrauchen um besonders schöne Gegenden, Dörfer, Täler oder Begegnungen zu beschreiben. Das sind aber ganz bestimmt nicht die Worte die wir wählen würden, wenn wir vom chinesischen Touristen Büro als "Scenic areas" ausgezeichnete Gegenden beschreiben wollen. Egal ob es sich um ein Dorf oder ein Gebirge handelt, sobald chinesische Touristen dorthin kommen, hört das ursprüngliche Leben auf. Dorfbewohner ziehen weg und machen Platz für kostümierte Verkäufer die örtliche Spezialitäten verkaufen, die wahrscheinlich in einer Fabrik irgendwo anders produziert wurden. Selbst für Berge, Schluchten und Parks muss man Eintritt bezahlen. Im Tausch für Yuan gibt es dann Sicherheit und konsumierbare Natur. Berge werden mit Gondeln einfach zugänglich gemacht, Schluchten werden einbetoniert, bekommen Handläufe und werden mit Wegweisern versehen um ein Verlaufen auszuschliessen, Parks sind einfach nur Parks für die man bezahlen muss. Uns passt es offensichtlich nicht, dass wir dafür Eintritt bezahlen müssen, dass die Natur weniger schön ist, als wenn man sie einfach so belassen hätte. Aber würde es keine Eintrittsgelder geben, wäre das schöne Stück Natur mit Sicherheit bereits an einen Investor verscherbelt worden. Im kommunistischen China regiert nämlich wie in keinem anderen Land, das wir kennen, das Geld. Wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag.

Daher können wir uns also eigentlich glücklich schätzen, dass mehr und mehr Chinesen ihr Land erkunden wollen und in Busladungen zu den ausgezeichneten Scenic Spots gefahren werden. Dort angekommen machen sie mit ihren superteuren Kameras begeistert Fotos vor der Hauptattraktion, egal ob dies ein Berg, eine Pagode oder eine Frau in einem Minderheitenkostüm ist. Danach geht es schnell wieder in den Bus, ins Restaurant oder zum Einkaufen. Das Gute ist, dass die Scenic Areas dadurch erhalten bleiben. Und weil die chinesischen Touristen fast alle - nein wirklich alle - nur auf den als Attraktion ausgewiesenen Pfaden wandeln, bleibt der Rest fast gespenstisch leer. Dort können wir uns in Ruhe umschauen, wenn wir genug vom chinesischen Konsumwahn haben.

Unsere erste Erfahrung in Sachen konsumierbare Natur machten wir direkt in Kunming, beziehungsweise im 100km entfernten "Stone Forest". Dort zahlte jeder von uns erstmal 24 Euro Eintritt. Zu sehen gab es Karstberge, die dün und hoch wie Bäume aus dem Boden kamen und in denen man sich verlaufen konnte. Na ja, man könnte sich verlaufen, wenn nicht an jeder Ecke ein Wegweiser gestanden hätte. An jeder zweiten Ecke war eine Überwachungskamera und an jeder dritten Ecke saßen zwei Ranger, die einem in einer Gefahrensituation weitergeholfen hätten. Verletzen konnte man sich auch nicht, da man auf Grund der allgegenwärtigen betonierten Wege und Treppen nicht zwischen den Steinen umherklettern konnte. Die meisten Chinesen kriegten davon jedoch nichts mit, da sie immer nur vom Elektrobus zur Aussichtsplattform und zurück gingen. Immer hinter einer Frau mit Fahne hinterher, die in der Tracht der örtlichen Yi-Minderheit gekleidtet war.

Im wunderschönen Dali, welches im Norden von Yunnan zwischen Bergen und einem See liegt und ursprüglich von der Bai-Minderheit bewohnt wurde, bogen wir mitten in der überfüllten Altstadt nur einmal in eine Nebenstrasse ab und fanden uns ganz alleine vor einer alten katholischen Kirche im Bai-Stil wieder. Die chinesischen Touristen flanierten auf der Hauptstrasse oder wurden von Elektrobussen durch die Stadt kutschiert. Von der zwar hübschen aber eben nicht authentischen Stadt gelangweilt mieteten wir uns Fahrräder. Nur 1km außerhalb der Altstadtmauern fing das wirkliche Leben an. Kleine Felder auf denen mit viel Handarbeit Bohnen, Knoblauch und anderes angebaut werden und dank des nahen Sees sehr gut gedeihen. In den auffallend sauberen Dörfern durch die wir fuhren saßen alte Frauen und Männer in blauen Maoanzügen zusammen, verkauften Gemüse oder warteten vor der Schule auf ihre Enkel während deren Eltern auf dem Feld oder in der Altstadt arbeiteten. Wenn auch die in Myanmar zu spührende Begeisterung für Westler fehlt, so waren wir doch eine Attraktion. Von Erwachsenen wurden wir nur unauffällig aus den Augenwinkeln angeschaut, während Kinder uns manchmal mit offenem Mund hinterher schauten.

Unsere nächste Station, die Tiger Leaping Gorge, eine wunderschöne Schlucht die auf der einen Seite von schneebedeckten 5000 m hohen Gebirge und auf der anderen Seite von mit Terrassen bewirtschafteten 3000m hohen Hügeln umgeben ist, ist eine der Hauptattraktion in China. Für die chinesischen Touristen werden fleißig riesige Parkplätze für Busse neben das Flussbett betoniert und hässliche Aussichtstürme gebaut. Natürlich hat alles seinen Preis. Um zum besten Aussichtspunkt zu kommen muss man zunächst 65Yuan Eintritt für die Schlucht zahlen. Dann nochmal 10Y für das Stück Abstieg zum Fluss und nochmal 10Y, um auf dem berühmten Stein selber stehen zu dürfen und nochmal 10Y falls man das fotografieren will. Insgesamt also etwa 12 Euro - zum Vergleich, eine Stunde Massage kostet hier 4-10€. Die wunderschöne aber eben auch anstrengende Wanderung, die auf etwa 3000m Höhe führt und von der aus man immer den schönen Ausblick auf Fluss und die schneebedeckten Hügeln hat, machen nur etwa 30 Leute am Tag, davon 5 Chinesen. Die Chinesen, die wir unterwegs getroffen haben, sprachen alle auffällig gut Englisch und wir saßen abends noch mit ihnen zusammen.

Kurz vor Ende des offiziellen Wegs, bogen wir nochmal ab um zu einer Gaststätte zu wandern. Diese war das Highlight unserer Wanderung. Nach einem unerwartet anstrengenden und unwegsamen Aufstieg zum Naxi-Dorf, einer der Minderheiten in Yunnan, wurden wir herzlich von den Dorfbewohnern begrüßt die uns den Weg zur Gaststätte wiesen. Dort angekommen waren wir die einzigen Gäste und schnell wurde eine Bank herangebracht von der aus wir die Sonne und die Aussicht auf den Berg genießen konnten. Eine alte Frau, vermutlich die Mutter der Gastwirtin, war besonders angetan von unserem Besuch und versuchte mit uns zu sprechen. Wir packten also unsere gesamten Sprachkenntnisse aus, fragten nach Namen und Alter und sagten aus welchem Land wir kommen und wie uns die Gegend gefällt. Dieser Abschluss unserer Wanderung gefiel uns jedenfalls wesentlich besser als es der Abstieg bis zum Scenic spot direkt am Fluss gekonnt hätte.

Unser Fazit: Es lebe der chinesische Massentourismus der mit seinen Yuan schöne Orte erhält und unsere kleinen Tricks um ihm zu entkommen.

Barbara

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