Dienstag, 4. März 2014

Bootcamp für den Geist: 7 Tage Meditation

Im letzten halben Jahr habe ich von Freunden und in Büchern über die positive Wirkung von Meditation gehört bzw gelesen und es war etwas was ich unbedingt auf unseren Reise ausprobieren wollte. Die ersten beiden Meditationsstuden in Bangalore, Indien, waren ehr weniger inspirierend, weil der Lehrer so schlechtes Englisch gesprochen hatte, dass ich überhaupt nicht wusste, was ich machen sollte. Mehr ist besser, dachte ich mir und meldete mich für einen siebentägigen Meditationskurs im Dipabhavan Meditationszentrum (http://dipabhavan.weebly.com) an. Das Zentrum ist wunderschön auf einem Berg inmitten des Urwalds von Koh Samui gelegen. Koh Samui, weil Thorben sich hier bestens alleine beschäftigen kann, aber davon wird er noch berichten.

Am späten Abend auf der Insel angekommen sollte ich am nächsten Tag zwischen 13 und 16 Uhr bereits im Meditationszentrum sein. Natürlich wollte ich die Zeit am Strand mit Thorben maximieren und um 15:30 am Pick-up Point sein. Da wir aber unsere Uhr nicht von Myanmar Zeit auf Thai Zeit um eine halbe Stunde vorgestellt hatten kam ich auf dem letzten Drücker an. Das hatte unter anderem zur Folge, dass ich  mir weder den Schlafplatz noch den "Gemeinschaftsdienst" aussuchen konnte. Also durfte ich jeden Morgen die Toiletten im Frauenschlafsaal säubern und konnte dann direkt damit weitermachen die Speisereste und die Köttel meiner Zimmergenossin wegzufegen. Die Speisereste waren Mottenflügel, die anscheinend ungenießbar sind, und die Zimmergenossin eine Fledermaus.

Die Unterkunft war spartanisch. Im ersten Stock schliefen ca. 35 Frauen. Die Spätankommer bekamen Betten im Erdgeschoss, dessen einer Trakt von zwei Nonnen bewohnt wurde und dessen anderer Trakt kaum bzw nur als Notunterkunft genutzt wurde. Dementsprechend wohl fühlten sich Fledermäuse hier. Auch eine riesige Kakalake haben wir entfernt und komische Kokons die wir nicht identifizieren konnten. Wir schliefen also zu fünft bzw. zu viert im Spukkabinet. Die Fünfte verlies schon nach der ersten Nacht das Meditationszentrum. Vielleicht wegen der Matraze bzw der beiden Bastmatten die diese ersetzen sollten oder des Holzklotzes welches das Kopfkissen ersetzen sollte. Ich war noch nie so froh ein Reisekopfkissen und einen Seidenschlafsack zu haben. Der Grund für die spartanische Unterkunft war die letzte der acht Regeln die üblicherweise von Meditierenden in einem Meditationszentrum eingehalten werden sollen: nicht in luxuriösen Betten zu schlafen.

Die erste Regel besagt, dass man kein Lebewesen töten soll. Aus diesem Grund wurden Moskitos nicht erschlagen sondern weggepustet und das Essen war natürlich vegetarisch. Was uns zur nächsten Regel bringt: Zwischen Mittag und Sonnenaufgang soll man versuchen nichts zu essen. Also gab es um 8:30 und um 11:30 etwas zu essen. Um 17:30 gabs nur noch Bananen und trockenen Toast für die Hungrigen, mich eingeschlossen. Das Essen, wie könnte es in Thailand anders sein, war aber meist gut.

Eine weitere dieser Regeln besagt, dass man andere nicht mit Worten verletzen soll oder lügen soll. Auch hierfür wurde mit der Holzhammermethode gesorgt. Man durfte nach der Einführungsveranstaltung während des gesamten Retreats nicht mehr sprechen. Natürlich sollte das Sprechverbot in erster Linie die Meditation erleichtern. Aber es ist schon ziemlich skuril wenn 60 Leute gemeinsam essen, schlafen und meditieren und keiner dabei ein Wort sagt. Den ganzen Tag nicht und die ganze Nacht nicht. Die weiteren der acht Regeln waren: nicht zu stehlen; sich jeglicher sexueller Aktivitäten zu enthalten; keine Rauschmittel irgendwelcher Art (einschl. Tabak und Alkohol) zu sich zu nehmen; auf sinnliche Vergnügungen, wie singen, tanzen, Musik hören sowie Körperschmückungen zu verzichten. Ach ja, das Meditationszentrumsgelände durfte man auch nicht verlassen.

Die Tage waren genau geplant: 4:30 läutete die Glocke um uns aufzuwecken. VIER UHR DREISSIG MORGENS... Könnt ihr euch das bei mir vorstellen?! Zu der frühen Stunde kam mir das Schweigen sehr entgegen. Danach ging es wie folgt weiter:

05.00        Morning Reading
05.15        Sitting meditation
05.45        Yoga / Exercise
07.00        Sitting meditation
07.30        Breakfast & Chores
09.30        Dhamma talk
10.30        Walking or standing meditation
11.00        Sitting meditation
11.30        Lunch & chores
14.00        Meditation instruction & Sitting meditation
15.00        Walking or standing meditation
15.30        Sitting meditation
16.00        Walking or standing meditation
16.30        Chanting & Loving Kindness meditation
17.30        Tea
19.30        Sitting meditation
20.00        Group walking meditation
20.30        Sitting meditation
21.00        Bedtime
21.30        LIGHTS OUT

Hört sich erstmal alles ziemlich gefängnismäßig an und mit Recht darf man fragen: warum macht man sowas freiwillig mit wenn man am Traumstrand von Koh Samui liegen, tauchen gehen und Beachvolleyball spielen könnte. Die Antwort ist einfach: weil es sich lohnt. Auch wenn ich in den ersten Tagen Zweifel hatte möchte ich die Erfahrung nun nicht mehr missen.

Durch die Meditation wurde mir klar wie wenig ich in der Gegenwart denke und wie wenig Kontrolle ich über meine Gedanken habe. Statt selber zu entscheiden, worüber ich nachdenken möchte, übernimmt der Autopilot die Kontrolle und fährt mit meinen Gedanken Achterbahn. Die Kontrolle über die Gedanken kann man aber genauso trainieren wie Bauch/Beine/Po - mit Meditation.

Die Aufgabe beim Vipassana meditieren ist einfach: "breath in and breath out." Das Schwierige dabei ist, dass man NUR an seinen Atem denken soll. Andere Gedanken sollten wir zur Kenntnis nehmen und als "planen/erinnern" kategorisieren wenn sie sich um die Zukunft/Vergangenheit drehen oder als "umherwandern" wenn man einfach an irgendwas denkt. Insbesondere das Planen passiert wirklich ständig in meinem Kopf ohne das ich es will. Ich saß also 30min am Stück auf einem Kissen in der burmesischen Sitzhaltung, die gar nicht so unbequem war wie ich befürchtet hatte und atmete, während meine Gedanken umherschossen und ich die ganze Zeit kategorisierte: "planning",  "planning", "planning". Mit der Zeit gelang es mir aber mehr und mehr meine Gedanken bzw den Autopilot unter Kontrolle zu bekommen und wirklich nur an das zu denken auf das ich mich konzentrieren wollte: meinen Atem. Da ich oft unbewusst ins Grübeln komme und gerne gedanklich abschweife, ist die Meditation ein wunderbares Werkzeug für mich.

Neben der Meditation lernte ich auch etwas über den Buddhismus, was ich sehr spannend fand. Schliesslich meditierten wir zusammen mit buddhistischen Mönchen und ich hatte mir in Myanmar viele Pagoden die Buddha gewidmet waren angeschaut und die Gläubigen bei Ihren Anbetungen beobachtet. Mein Interesse war auf jeden Fall geweckt und da ich auch sonst wenig Ablenkung hatte lauschte ich gespannt dem täglich standfindenen einstündigen "Dhamma talk".

Der Hauptgedanke im Buddhismus scheint der zu sein, dass alles vergänglich ist. Glück und Erfolg kommen und gehen, aber auch Unglück und Misserfolg kommen und gehen. Darum sollte man sich nicht von solchen Zuständen oder materiellen Dingen einnehmen lassen sondern gelassen mit ihnen umgehen. Sie sind vergänglich.

Ein weiterer simpler Gedanke ist der, dass sich die Vergangenheit nicht ändern lässt  und die Zukunft höchst ungewiss ist. Wieso sollten wir also verpassten Chancen oder alten Fehden hinterherhängen und Pläne schmieden oder Angst vor Ereignissen haben die wahrscheinlich eh nicht eintreten. Natürlich muss man im normalen Leben planen, aber man sollte sich bewusst dafür Zeit nehmen und nicht dem Autopiloten oder Unterbewusstsein wertvolle Energiereserven dafür bereitstellen.

Das Ziel des Meditationsretreats ist es einen ruhigen Geist zu bekommen. Sich nicht von jeder Woge des Schicksals aus der Bahn werfen zu lassen und sich auch im täglichen Leben weniger leicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Mit so einem ruhigen Geist lässt es sich auf jeden Fall viel leichter leben. Nach 7 Tagen bin ich natürlich noch einen weiten Weg entfernt davon einen ruhigen Geist zu haben, aber ich fühle mich erholt und voller Energie und habe Lust auf mehr Meditation bekommen.

Übrigens... wenn die Domain nicht schon vergriffen gewesen wäre, würde unser blog "im hier und jetzt" heissen. Das ist es, was Thorben und ich uns für unser Jahr in der Weltgeschichte vorgenommen haben. Und nirgendwo sonst auf dieser Reise war ich mehr im hier uns jetzt als in diesem Meditationszentrum. Das Gute ist, dass ich dieses Wissen einpacken kann und mitnehmen kann an all die wundervollen Orte die wir noch besuchen werden und schliesslich mit nach Hause.

Barbara

1 Kommentar:

  1. Liebe Barbara, dieser Teil Ihrer Reise schreit danach, dass ich endlich mal kommentiere. Ich lese begeistert den Blog, vor allem Ihre politische, gesellschaftskritische Auseinandersetzung auf der Weltreise fasziniert und fesselt mich. Das Sie nun wirklich eine Vaipassana-Meditation mitgemacht haben und so erlebt haben, wie beschrieben, freut mich in ganz besonderem Maß. Meine Neugier auf Ihre Texte auf der Homepage wächst und wächst und ich freue mich, dass ich so ein bisschen dabei sein kann!!! Ganz liebe Grüße und weiterhin viel Glück auf der Reise! LG, Nora J.

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