Montag, 24. März 2014

Ja spreche ich denn chinesisch?

Unser Abenteuer China haben wir mit einem 2-wöchigen Sprachkurs in Kunming begonnen. Zum Einen hat uns das noch mal die Gelegenheit gegeben, ein paar Tage hintereinander im gleichen Bett zu schlafen und und unser Gehirn heraus zu fordern, zum Anderen hatten wir auch gehört, dass nur wenig Leute in China englisch sprechen. Um also reisen zu können, wären ein paar grundlegende Sprachkenntnisse nicht schlecht. Es stellte sich schnell heraus, dass die Einschätzung richtig war. Ein wenig hilflos fühlt man sich schon, wenn man gar nichts versteht und vor allem auch gar nichts lesen kann.

Unser Sprachkurs fing eigentlich schon vor dem Unterricht an, wenn wir 90min mit dem Bus quer durch die ganze Stadt fuhren und sogar einmal umsteigen mussten. Die Umsteige-Haltestelle fanden wir nur mithilfe vom Google Maps und indem wir aufpassten wie die Luchse. Einmal sagte uns der Fahrer beim Einsteigen etwas und zeigte auf ein großes Schild. Da wir nichts verstanden und die Nummer stimmte, sind wir trotzdem eingestiegen. Erst als der Bus nach ein paar Kilometern auf eine andere Strecke als normal abbog hatten wir dann so eine grobe Idee, was das Schild wohl bedeutet hatte. Gerettet hat uns dann unsere Geheimwaffe: Geld. Wir nahmen ein Taxi nach Hause - indem wir dem Fahrer die Email mit der Adresse auf chinesisch unter die Nase hielten.

Ein anderes mal stiegen wir an der gewohnten Haltestelle um. Der Anschlussbus kam prompt und der Fahrer zeigte auch nicht auf ein Schild. Alles gut, dachten wir. Der Fahrer wollte uns zwar kein Busticket verkaufen, ließ uns aber trotzdem einsteigen. Wir hatten ein komisches Gefühl, waren aber noch guter Dinge da wir in die richtige Richtung fuhren. Eine gute halbe Stunde später waren wir dann fast wieder an der gleichen Stelle, weil der Bus gedreht hatte. Wir waren richtig sauer. Warum versucht denn keiner uns darauf hinzuweisen, dass der Bus anders fährt als normal? Wir liefen zurück zur Hauptstrasse um den nächsten Bus zu nehmen. Zu unserer Verwunderung fuhr aber nicht der Anschlussbus 96 sondern nur der Ausgangsbus 160 hier lang. Mit unserem 6 Tage alten Chinesisch fragten wir ein altes Paar wo denn der Bus 96 fahre. Sie wussten es nicht, sagten aber gefühlte 100 Wörter, von denen wir drei verstanden. Wir sagten ihnen wo wir hin wollten, woraufhin sie mit uns zum Fahrplan liefen und uns erklärten, dass wir den Ausgangsbus 160 nehmen sollten. Wir glaubten, dass das keine gute Idee sei, stiegen aber trotzdem ein. Erst nach einer Viertelstunde, als der Bus richtig zu fahren schien fielen die Puzzlesteine in unserem Kopf zusammen. Der Ausgangsbus war Bus 96 und nicht 160 und wir waren am Ende der Bushaltestelle ausgestiegen und am Anfang der Bushaltestelle wieder in den selben Bus eingestiegen. Deswegen wollte der Busfahrer auch kein Geld und deswegen saß der Alte, der bereits im ersten Bus gesessen hatte bereits wieder im Bus als wir abgehetzt einstiegen. Wir haben so gelacht! Wir kamen zwar zu spät zum Unterricht, aber hatten ja schon etwas chinesisch geübt.

Aber zurück zur Sprache selber: wir hatten natürlich gehört, wie unglaublich schwer Chinesisch zu lernen sei: Wegen der 30.000 Schriftzeichen und wegen der Tonhöhen, die die Bedeutung eines Worts so verändern kann, dass man den gegenüber tödlich beleidigt obwohl man nichts Böses im Sinn hat. Aber soweit kamen wir erstmal gar nicht. Die ersten Lektionen waren, Pinyin zu lernen. Pinyin ist eine Art offizielle Lautschrift für chinesisch, die das lateinische Alphabet nutzt. Das brauchten wir, um überhaupt etwas notieren zu können, denn die chinesischen Zeichen haben wir direkt vom Lehrplan gestrichen. Jetzt könnte man sich fragen, warum wir Pinyin erst lernen müssen. Das lateinische Alphabet sollten wir doch hin bekommen. Das liegt daran, dass das chinesische ein paar Laute hat, die wir so nicht kennen, und daher werden in Pinyin einfach ein paar Buchstaben umgewidmet. Am meisten Spaß machen dabei die Zischlaute. Davon gibt es nämlich 10 Stück: j, q, x, zh, ch, sh, z, c, s und r. Und manche davon klingen für uns fast gleich, für Chinesen aber total unterschiedlich.

Unser Bemühen, die verschiedenen Laute nach zu machen und auch beim Hören auseinander zu halten, war ein wenig so, als müsste ein Chinese lernen, ein r auszusprechen, als müsste ein Amerikaner lernen, ein r zu rollen oder ein Franzose den Unterschied zwischen Halt! und alt erkennen. Die Chinesen haben mit dem Englischen ganz ähnliche Probleme, wenn es Laute hat, die es auf chinesisch nicht gibt. Und das hat uns dann auch manchmal beruhigt, wenn wir das Gefühl hatten, uns doof anzustellen. Lustig ist zum Beispiel, dass sie gerne bei Mài dàn lao einen Ham bao bao essen (Übersetzung gibt es auf Anfrage ☺, kleiner Tipp: es hat mit einer bekannten Amerikanischen Fastfoodkette zu tuen.).

Nach 2-3 Tagen ging das mit den Zischlauten und dem sonstigen Pinyin ganz ok. Damit konnten wir also die ersten Worte lernen. Und man glaubt kaum, wir schwer das ist, einfach weil die Worte nichts ähneln, was man kennt. Man kann ein Wort minutenlang anstarren, nachsprechen, sich vor das innere Auge halten oder was auch immer. Manchmal ist es 10 Sekunden später einfach wieder weg. Wer es nicht glaubt, einfach mal ausprobieren. "Nice to meet you", heißt "Hen gao xing ren she ni", oder etwas einfacher: Taxi ist Chu Zu Che. So, jetzt bitte lernen und mal gucken, ob ihr es am Ende des Textes noch wisst...

Aber auch hier kommt man mit etwas Fleiß und viel Wiederholung weiter. Man lernt halt einfach langsamer, als man es bei europäischen Sprachen tun würde. Dafür kommen jetzt die positiven Überraschungen. Die erste: das mit den Tonhöhen tut nicht weh. Jedenfalls wenn man sie mit dem Wort einfach mit lernt, wie im Deutschen oder Französischen die Artikel. Barbara hatte am Anfang beschlossen erstmal die 10 Zischlaute hinzubekommen und sich dann mit den Tonhöhen zu beschäftigen. Sie wurde später davon eingeholt, dass es die gleichen Wörter mit unterschiedlichen Tonhöhen und unterschiedlichen Wortkombinantionen vollkommen andere Bedeutungen erhalten. Thorben kriegte die Tonhöhen aber ganz gut hin. Jedenfalls wenn er sie nicht vergisst, oder probiert, einen Satz zu bauen. Dann überlagert unsere Satzmelodie nämlich gerne die richtigen Tonhöhen. Aber mit etwas Übung klappte auch bei Barbara. Die nächste positive Überraschung ist die Grammatik. Die ist nämlich sehr einfach. Es gibt keine Konjugation (ich gehe, ausgedrückt.) und keine Deklinationen (das Auto, des Autos, ...) nicht mal der Plural verändert ein Wort, es bleibt einfach, wie es ist. Die Vergangenheit wird einfach durch ein Zeitwort wie gestern eingeleitet oder wird durch "le" nach dem Verb ausgedrueckt.

Neben dem Chinesischen lernten wir auch ein paar kulturelle Eigenheiten in der Sprachschule. So sind die Chinesen seehr Abergläubig was Zahlen angeht. Die acht steht für Reichtum und die vier hat mit dem Tod zu tuen, da das Wort für vier und für Tod ähnlich klingen. Preise enden also häufig mit einer 8 und wenn man Geldgeschenke sollten man nicht mit 4, 7 oder 3 anfangen oder aufhören. Die chinesische Sprache verwendet oft sehr bildliche Ausdrücke um komplexere Dinge auszudrücken. So bedeuten die Zeichen für Widerspruch wörtlich über setzt "Schild-Speer", ein Widerspruch.

Interessant fanden wir auch, dass man im Restaurant bestellt in dem man sagt: "Ich will gebratenen Reis mit Rindfleisch." Wir kamen uns ziemlich unhöflich vor und fragten was wie man denn sagt: "Ich hätte gerne gebratenen Reis." Unsere Lehrerin meinte, dass man in China so bestellen würde wie wir es gelernt hatten. Das erklärt vielleicht, warum Chinesen bei uns oft etwas unhöflich rueberkommen. Warscheinlich übersetzen sie einfach aus ihrer Sprache. So etwas wie: Bitte, oder Ich wünsche dir ein schönes Wochenende... sagt man im Chinsischen auch nicht. Auch die etwas schroffe Satzmelodie, die uns manchmal denken lies, dass sich unsere Gastgeber stritten obwohl sie sich nur unterhielten, ist nicht so gemeint sondern kommt meist von den Tonhöhen und Zischlauten.

Nachdem wir nach 12 Tagen den sicheren Hafen der Sprachschule und George und Sofies Wohnung verlassen hatten, musste sich unsere etwa 200 gelernten chinesischen Worte bewähren. Abgesehen von den Leuten in den Hostels spricht kaum jemand Englisch und sogar westliche Touristen sehen wir sehr selten. Wir werden also immer auf Chinesisch angesprochen oder müssen auf Chinesisch nach dem Weg fragen, Essen bestellen oder ein Busfahrticket organisieren. Glücklicherweise sprechen Chinesen halbwegs deutlich. Im gefühlten Wortbrei der fremden Sprache können wir jedenfalls die Worte, die wir gelernt haben, meistens ganz gut wieder finden und manchmal daraus schließen, was gemeint ist. Im Gegensatz zu uns, sind die Chinesen aber nicht sehr gut darin aus unserer limitierten Wortwahl und wahrscheinlich mangelhaften Aussprache zu erraten, was wir möchten. Selbst dann nicht, wenn es unserer Meinung nach etwas Offensichtliches ist. Manchmal kommt es uns aber auch entgegen, dass keiner Englisch spricht. Uns versucht niemand etwas aufzuschwatzen. Im Gegenteil, die Verkäufer verstecken sich regelrecht, wenn wir in den Laden kommen, weil sie Angst haben englisch sprechen zu müssen.

Was hier im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern in denen wir gereist sind nicht so gut klappt, ist die non-verbale Kommunikation. Für gewöhnlich schlagen wir uns ganz gut mit Händen und Füßen und einem großen Lächeln durch. Hier erntet man dafür nur blanke Gesichter in denen keinerlei Zeichen des Verstehens zu erkennen ist. Wir fragen uns warum die Chinesen unsere Gebärdensprache nicht verstehen. Vielleicht weil sie so wenig Ausländer treffen, dass sie es nicht gewöhnt sind sich ohne Chinesisch zu verständigen. Vielleicht weil sie selber kaum Mimik oder Gestik verwenden oder weil unsere Zeichensprache anders ist als ihre. Zum Beispiel wäre für uns ein Zeichen für Restaurant entweder die rechte Hand zum Mund zu führen oder beide Hände wie beim Essen mit Messer und Gabel zu bewegen. Chinesen würden wohl eher die linke Hand zu einer Schüssel formen, sie an den Mund halten und dann mit imaginären Stäbchen in der rechten Hand alles in den Mund schaufeln. So jedenfalls stellen wir uns das vor. Gesehen haben wir es noch nicht, weil hier ja kaum jemand gestikuliert.

Ein Grund mehr, die Sprache irgendwann vielleicht einmal richtig zu lernen. Ach ja... Wisst ihr noch was Taxi heisst??

Babala und Tübin

2 Kommentare:

  1. mein anfängliches unverständnis für eure lange reise schlägt langsam in bewunderung und hochachtung um. macht weiter so, aber bleibt vorsichtig. PAPA

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  2. Danke für die liebe Nachricht! Wir bleiben vorsichtig :)

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