Mittwoch, 25. Dezember 2013

Indien als Tourist

Nachdem wir schon viel Zeit in Bangalore, in der Schule und mit den bhats verbracht haben, war es jetzt mal an der Zeit, auch Indiens touristische Seite kennen zu lernen. Immerhin sind die Tempel, Märkte und Burgen viel
Zu berühmt um sich nicht an zu schauen. Wir haben also einen Wochenendausflug zu den Tempeln von Srvanabelagola (ja, ich kann den Namen auswendig - warum erklärt sich noch), Bellur und Hallebid sowie nach Mysore gemacht. Und die Weihnachtsferien haben mit einer Tour über Chattirdurga und Hampi an die Strände Goas eingeläutet.

Der wichtigste Eindruck ist: die Monumente und Tempel sind so beeindruckend wie ihr Ruf. Hampi hat seinen Weltkulturerbe-Status zurecht, den ganzen Tag wandert man zwischen Ruinen und Tempeln herum. Und mithilfe des Guides entsteht in der Vorstellung die Stadt wieder neu, die im 14. Jahrhundert Südindien beherrschte, mehr als eine halbe Million Einwohner hatte und über den Handel Technologie aus aller Welt kennen lernte. Aquädukte wie in Rom, chinesische Architektureinflüsse , arabische Mathematik und indische Elefanten. Alles schon da, während Europa eigentlich nur Hexenverbrennung und Ablasshandel perfektionierte. Bellur und Hallebid sind viel kleiner, haben dafür aber 10-tausende detaillierte Statuen und Skulpturen. Wunderschön und beeindruckend. Oder die 18m hohe monolithische Steinstatue von Srvanabelagola - Neues und Tolles, wo man hin kommt. Sogar in Chattirdurga, einer Stadt, die anscheinend so unwichtig ist, dass der Lonely Planet sie nicht mal erwähnt, gab es ein riesiges Fort und eine kleine Höhlenstadt, die in Europa wohl sehr bekannt wären.

Mysore and Temples (hier klicken)

Wie immer in Indien gibt es aber natürlich eine Kehrseite. Schon erstaunlich, wie viel Inkompetenz man hier teilweise findet. Unser Fahrer auf dem Wochenendtrip konnte kein Wort englisch und kannte den Weg kein bisschen. Ich glaube, er konnte auch nicht lesen - jedenfalls ist er zielstrebig an jedem Schild in Richtung Srvanabelagola vorbei gefahren. Auch unser etwa 100maliges insistieren half da gar nicht. Erst als wir dann den Travel Agent als Übersetzer angerufen haben, fuhr er grob in die richtige Richtung. Er verfuhr sich dann nur noch 3 mal, fuhr dann am Tempel vorbei (ist "Stop" kein international verständliches Wort?) und setzte uns pünktlich um 18:01 am Tempel ab. Der Tempel schließt um 18:00. Eigentlich, weil in Indien ja immer noch was geht. Wir durften also doch noch rein, um Laufschritt die 618 Stufen hoch und im Schnelldurchgang den Tempel anschauen, der grade in der Abenddämmerung sehr atmosphärisch war. Merke: nichts klappt wie geplant, aber improvisieren können Inder.

Unser Ausflug mit Rama, ihrem Sohn und drei Collegefreunden war einer unserer Highlights. Wir haben das Gefühl immer mehr von der indischen Kultur zu verstehen und merken wie grundsätzlich anders sie ist. Während in unserer Kultur Freiheit und Selbstbestimmung eine der höchsten Güter sind, so ist es hier die Familie und die Tradition die Ordnung in das ansonsten chaotische und korrupte Land bringt. Umso weniger der Staat für seine Burger sorgt umso wichtiger ist eine Gemeinschaft aus Familie und inoffiziell der Kaste. Immer kennt jemand jemanden der einem hilft. Und so sind Hochzeiten auch kein Bündnis zweier Personen sondern zweier Familien. Eltern aus guten Familien bestimmen auch die Wahl des Studiums. Eine Mutter die all diese Entscheidungen ihren Kindern überlässt ist eine verantwortungslosen Rabenmutter. Frauen sind also durchaus mächtig in Indien, halten es aber für selbstverständlich, dass sie sich um den kompletten Haushalt kümmern, die Kinder erziehen, die Alten versorgen und arbeiten. Während unseres Ausflugs hatten die drei Jugendfreundinnen ohne ihre Männer jedenfalls eine Menge Spass, und wir mit ihne n.
Chattirdurga und Hampi (hier klicken)

Als Tourist lernt man notgedrungen auch die indische Infrastruktur ganz gut kennen. Auf richtig guten Straßen schafft man schon mal einen Schnitt von 60kmh - was gar nicht so schlecht ist, immerhin muss man alle 2min eine Vollbremsung machen wegen 50cm hoher Drempel, wegen Kühen auf der Straße, oder einfach weil im Gegenverkehr jemand einen Lastwagen überholt und mit Lichthupe und Hupe deutlich mitteilt, dass man jetzt besser Platz macht. Es gibt allerdings auch Straßen, auf denen kaum mehr als 10kmh drin sind, weil die Lastwagen der illegalen Minen die Straße zerstört haben.

Noch eine Tatsache, die zwei Seiten hat: hier gibt es erstaunlich wenig Ausländer. Wir werden überall freundlich begrüßt, wir sehen, wie sich die Leute hier Freizeit vorstellen (am wichtigsten sind die Programmpunkte Foto und Essen) - genau das wollten wir ja, das Land kennen lernen und nicht nur seine Sehenswürdigkeiten. Und genre machen wir ein Foto mit einer Schulklasse oder mit einer Familie, für die wir die eigentlichen Sehenswürdigkeiten waren. Manchmal wird das dann aber auch zu viel. In Mysore sind wir am Ende aus dem Palastgelände geflohen, weil uns eine ganze Schule zu ihren persönlichen Celebrities gemacht hat und in einer Traube laut schnatterndhinter uns hergelaufen sind. Nach etwa 20 mal "What's your Name?" fasste der Rest der Kinder Mut - und es gibt viele indische Kinder... Ganz nervig wurde es dann an einem Strand in Nordgoa. Der war wohl ein beliebtes Ziel für indische Tagesausflügler. Da kamen dann Gruppen von Männern, die mal mehr mal weniger auffällig jede weiße Frau fotografierten, die sie finden konnten. Auch mehrere Familien kamen sich bei uns vorstellen, um ein Foto zu machen und uns zu sich nach Hause einzuladen. Schon schwierig, ein bisschen kann ich es ja verstehen. Die haben noch nie Ausländer gesehen, und schon gar nicht im Bikini. Trotzdem war irgendwann doch unsere Geduld am Ende.

Gestern an Heiligabend sind wir daher umgezogen an den Strand von Patnem in Südgoa. Zum ersten mal fanden wir die Beschreibung, dass dieser Teil Goas touristisch weiter entwickelt sei als der Norden, einen Grund für und nicht gegen diese Region. Nach drei Wochen unter Indern, es kommt uns schon wesentlich langer vor, hatte Barbara Lust endlich mal ein Sommerkleid statt züchtigen langen Hosen anzuziehen und in der Öffentlichkeit Händchen zu halten ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Entscheidung, wie sie kaum richtiger sein konnte. Wir liegen jetzt hier am Paradies unter Palmen. Zum Weihnachtsessen gab es frisch gefangenen und gegrilltem Fisch mit den Füßen im Sand, dazu Meeresrauschen und sogar ein Feuerwerk. Durchaus unkonventionell aber toll. Die Weihnachtsstimmung brachten dann die Santa-Mützen der Kellner und die Techno-Version von Feliz Navidad aus dem Nachbarcafé. Und jetzt Sitze ich im Strandcafe, genehmige mir einen Ananas-Shake, es läuft House of the Rising Sun, und ich kann ein Volleyball-Netz sehen. Vielleicht finden wir ja nachher wenn es etwas abkühlt dort wen zum spielen.
Goa (hier klicken)

Wir finden den Werbespruch von Indien bemerkenswert ehrlich und passend: Incredible India. Frohe Weihnachten.

                                           Thorben und Barbara

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