Montag, 13. Oktober 2014

Die Schätze der Deutschen in Tansania

Wir haben uns Tansania nicht ausgesucht, weil es eine der wenigen deutschen Kolonien war, aber irgendwie verbindet so eine gemeinsame Vergangenheit schon. Bisher waren es immer die Briten, die Portugiesen und die Spanier, deren kulturelle und architektonische Überreste wir bestaunt haben. In Tansania waren also die Deutschen, wenn auch nur 30 Jahre, und haben etwas aus unserer Heimat hierher gebracht.

In den Usambara Bergen, genauer in Lushoto, und an der Küste, in der ehemaligen deutsch-ostafrikanischen Hauptstadt Bagamoyo sahen wir deutsche Häuser, Friedhöfe, Kirchen und sogar eine deutsche Burg, die allerdings eindeutig einen arabischen Einschlag hatte. Lushoto ist ein ehemaliger Kurort deutscher Offiziere, damals Wilhelmstal genannt. Dort sahen wir die ersten deutschen Häuser und erkannten wir sie ohne dass es uns jemand hätte sagen müssen. Die mittlerweile 100 Jahre alten Häuser sahen noch immer um einiges stabiler aus als die neuen Gebäude im Städtchen. Sie waren aus Stein gebaut und standen grade. Die Deutschen lieben eben Qualität :) Nicht nur die Architektur der Häuser sondern auch die Wege und die Landschaft der Usambara Berge erinnern in mancherlei Hinsicht an Deutschland, vielleicht an die Eifel. Es gibt sanfte Hügel mit fruchtbarem Boden, auf dem vorwiegend Kartoffeln angebaut werden. Die alten Häuser dort sind aber nicht der Schatz der Deutschen.



Viel eher könnte man die teils mit den Deutschen teils auch später noch gekommenen Missionare als Schatz bezeichnen. Ich bin bestimmt kein großer Fan von dem Gedanken, die andersgläubige Welt zu "bekehren". Für mich hat das etwas überhebliches, weil man der Meinung ist, das der Glaube einer anderen Kultur weniger wert sei als der eigene. Ich finde die fremden Glaubensrichtungen und Rituale viel interessanter als einen Einheitsbrei. Dementsprechend kritisch stehe ich der Missionarsarbeit gegenüber. Was ich aber in Tanzania gesehen habe, lässt mich diese Position überdenken. In den Usambara Bergen übernachteten wir in einem Kloster und lernten dort eine Nonne kennen: Schwester Mary Thomas. Wir trafen sie als sie, wie wir auch, auf dem Weg vom Markt zum Kloster war und sich unter einem Baum von den Strapazen ausruhte. Eigentlich waren es nur 500m, aber wir boten ihr an ihre Einkäufe zu tragen.


Mary Thomas ging mit winzigen Schritten und mit unzähligen Pausen, wahrscheinlich um unsere Gesellschaft so lange wie möglich auszukosten. Denn sie nutzte die Zeit um uns ihre gesamte Lebensgeschichte zu erzählen: sie wurde als Waisenkind von deutschen Nonnen aufgezogen, erhielt eine gute Ausbildung, von der ihr exzellentes Englisch zeugte, und entschied sich Lehrerin zu werden. Am Ende ihres Studiums wurde sie dann auch Nonne und muss zu ihrem Leidwesen bis zum heutigen Tag als Lehrerin arbeiten. Sie fand, dass die mit Anfang sechzig ein Anrecht auf Gartenarbeit statt Schulunterricht hatte. Irgendwie erinnerte sie mich an meine liebe Oma, die auch gerne ungefragt Geschichten in voller Länge erzählt und sich nur selber unterbricht um rethorische Fragen zu stellen. Insgesamt beeindruckte mich ihre Geschichte aber, denn sie erzählte von einem Mädchen, dass ohne die Nonnen wahrscheinlich nur als Hausmädchen oder Schlechterem hätte überleben können, und die nun stattdessen andere Kinder unterrichtet.

Das ganze ehemals deutsche Kloster hätte auch in Deutschland sein können. Alle Nonnen liefen emsig umher, arbeiteten, beteten und lernten. Der einzige Unterschied ist, das in Deutschland wohl 80% der Nonnen über 60 Jahre alt sind, während sie hier 80% der Nonnen unter 30 Jahre alt waren. Der heute tansanianische Konvent schien genauso geschmiert und organisiert zu laufen wie in Deutschland, ohne jegliche deutsche Nonnen vor Ort. Und das finde ich, nach mehreren Wochen in Afrika, ziemlich beeindruckend. Denn bisher hatte ich den Eindruck, dass viele von Ausländern gestartete Projekte zunächst vielversprechend anlaufen, aber nach einer Zeit fehlschlagen, weil die Geräte oder Gebäude nicht gewartet werden. Hier aber war eine funktionierende Gemeinschaft geschaffen worden, die ohne fremde Hilfe die nächste Generation ausbildet und einen wirklichen Mehrwert für die Gesellschaft schafft.

In Matema, dem ehemals deutschen Langenburg am Malawi-See, schliefen wir in einem von schweizer Missionaren aufgebauten Gasthaus. Die Häuser und die Möbel sahen aus wie in der Schweiz, und wir hatten lange keine solche Handwerkskunst mehr gesehen. Wie uns der Sohn einer Missionarsfamilie, der dort Urlaub machte, erzählte, waren aber alle Sachen in der Region hergestellt worden. Bereits der Urgrossvater des 18-Jährigen war in den Südwesten Tansanias als Missionar gegangen und alle seine Nachfahren nach ihm. Die Eltern waren jeweils mit ihren Kindern wieder in die Schweiz gegangen damit diese eine Lehre dort machen konnten. Sie sprachen alle perfekt Kisuaheli und brachten den Menschen der Region ihre verschiedenen Handwerke bei: Schreiner, KFZ-Mechaniker, Maurer ect. Das Gasthaus wird mittlerweile von Tansanianern geführt. Auch der langanhaltene und nachhaltige Einsatz dieser Familie beeindruckte mich sehr. Die Missionare sollen es auch gewesen sein, um den Punkt abzuschließen, die die gemeinsame Sprache - das Kisuaheli - in dem Viel-Stämme-Land Tansania verbreitet haben.

Von ganz anderen Schätzen der Deutschen, Truhen voller Geld und Edelsteinen, hörten wir ebenfalls im Südwesten Tansanias. In Matema sollten sich verschiedene deutsche Schatztruhen befinden: im See eines Wasserfalls und in unmittelbarer Ufernähe des Malawi Sees. Heute ist Matema ein Urlaubsort für Tansanianer und in Tansania lebende Ausländer. Dieser Ort ist wirklich ein "hidden gem", ein schwer zu findender und auf Grund schlechter Straßen schwer erreichbarer Schatz. Mit einem Sandstrand, teilweise sogar surfbaren Wellen und jeder Menge einheimischem Leben. Man bekommt wirklich viel mit, da das Leben vor allem am oder auf dem Wasser stattfindet. Die Männer gehen spät Abends und früh morgens in kleinen Boten, welche ausgehöhlte Mangobäume sind, fischen. Den Rest des Tages verbringen sie am Strand mit Netz flicken und Boot ausbessern. Die Frauen waschen sich und ihre Wäsche am Strand, während die Kinder im Wasser spielen. Da die Tansanianer hier, im Gegensatz zur Küste, keine Muslime sind und selber (halb) nackt dort baden, fühlt man sich auch nicht unwohl im Bikini ins Wasser zu gehen. Auf unserem Schnorchelausflug fanden wir jedoch keinen Schatz, dafür aber viele tolle blaue und gelbe Fische, die man sonst nur aus dem Aquarium kennt.


Matema wurde von den Deutschen aufgrund von Malaria aufgegeben und sie gründeten das höher gelegene Neu-Langenburg, das heutige Tukuyu. Dort wurde uns berichtet, dass die Deutschen eine Schatztruhe im Kratersee Masoko versenkt hätten, als sie auf der Flucht vor den Engländern waren. Viele tansanianische Taucher hätten vergeblich versucht, den Schatz zu finden oder seien beim Versuch ihn zu bergen gestorben. Denn der Schatz werde von einer siebenköpfigen Schlange bewacht und nur ein Deutscher könne den Schatz bergen. Als wir uns von Tukuyu mit dem Fahrrad auf dem Weg zum See machten, führen wir an Hängen mit Tee- und Bananenplantagen vorbei. Am Ufer des Sees fanden wir einige Mamas die im See ihre Wäsche wuschen und jede Menge Kinder die badeten. Doch obwohl das Wasser glasklar war, sahen wir weder den Schatz noch die Schlange. Das einzige was uns fast umbrachte war der Rückweg, da es unter sengender Hitze und ohne Gangschaltung über 13km steil bergauf ging.


Einen Schatz den man bis heute besichtigen kann, haben die Deutschen in Form von Infrastruktur hinterlassen. Denn eine der beiden großen Bahnlinien wurde von den Deutschen vor hundert Jahren gebaut und ist bis heute im Einsatz. Auch eine der beiden großen Passagierfährenauf dem zweitgrößten See Afrikas, dem Tanganjikasee See, wurde in Deutschland gebaut und hierher gebracht. Mit etwas Glück werden wir in ein paar Tagen damit fahren können, denn vor zwei Wochen wurde die MS Liemba (ehemals MS Graf von Götzen) von deutschen Ingeneuren gewartet und kann nach einem Monat Pause wieder fahren. Da man im Vorraus aber nie sicher weiß, wann die Fähre fährt, kann man mit ihr auch nicht wirklich einplanen. Die Deutschen hatten zu ihrer Zeit übrigens wenig von ihren Investitionen, weil sie kurz nach in Betriebnahme im ersten Weltkrieg von den Engländern "abgelöst" wurden. Aus diesem Grund hatten sie die MS Graf von Götzen 1916 auch demontiert und versenkt.

Einen letzten vermeintlichen Schatz haben die Deutschen in Form des noch immer angebauten Sisals hinterlassen. Ich wünschte nur, sie hätten auch die Brot- und Käseproduktion eingeführt. Aber auf den Genuss muss ich wohl noch warten bis wir wieder zu Hause sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen