Mittwoch, 25. Juni 2014

Im und am Amazonas

Auf unserer Tour durch den Amazonas im kolumbianisch-peruanisch-brasilianischen Grenzgebiet durften wir eine Tier-, Pflanzen und Menschenwelt sehen, die auf der Erde einzigartig ist. Bei den Tieren gehörten dazu Aras, Adler, Reiher und hunderte andere Arten von Vögeln, unglaublich viele Ameisen, Termiten, Schmetterlinge, Stabinsekten, Gottesanbeterinnen und andere Insekten, verschiedene Affenarten, ein Ameisenbär und vor allem graue und rosa Flussdelfine. Man muss die Tiere (außer den Insekten) zwar teilweise etwas suchen, weil man sich in dem riesigen Wald halt gut verstecken kann, aber die Vielfalt im Amazonas war beeindruckend. Auf der anderen Seite stehen dann natürlich die etwas unfreundlicheren Zeitgenossen - immerhin läuft im Dschungel die Evolution im Turbomodus. Kaimane, Taranteln, Wolfspinnen, Piranhas, Boas und Giftschlangen haben wir gesehen. Aber die aggressivsten Zeitgenossen, denen wir begegnet sind, waren zweifelsfrei die Mücken.
Dieses nette Exemplar saß im Dachstuhl unserer Hütte.
Schwer zu sehen, aber da ist eine Ameisenbär


Die kleinen Mistviecher sind überall und zwar in Mengen, die man sich kaum vorstellen kann. Tagsüber geht es noch, vor allem wenn man sich zu Fuß oder per Boot bewegt, aber sobald man stehen bleibt geht es los. Und ab der Abenddämmerung bis zum nächsten morgen übernehmen sie komplett die Macht. Wer es in dieser Zeit wagt, sich aus seinem Moskitonetz heraus zu trauen wird mit Mückenstichen nicht unter 50 Stück pro Minute - gerne auch durch Klamotten hindurch - bestraft. Mildernde Umstände verschafft einem höchstens das Wundermittelchen Deet. Das gute Zeug ist zwar so scharf, dass es Textilien mit denen es in Berührung kommt ausbleicht oder gleich ganz auflöst, aber es ist eben auch ein ganz gutes Nervengift gegen Moskitos. Wir haben in 4 Tagen eine ganze Flasche in der höchsten Konzentration verbraucht, die man hier kriegen kann. Was das mit der Haut anstellt - egal. Wie man ohne Deet aussieht konnten wir uns nämlich immer an den Stellen anschauen, die wir vergessen hatten, einzusprühen - und wir haben immer eine Stelle vergessen. Naja, immerhin wissen wir jetzt, dass auf ein Knie mehr als 30 Stiche passen. Natürlich darf kein Bericht über nervige Insekten ohne einen Hinweis auf ihre wichtige Rolle im Ökosystem auskommen. Im Falle der Mücken erklärte unserer Guide uns, dass das vor allem die Begrenzung der Humanpopulation ist. Hut ab, das machen sie gut. Freiwillig würde wohl kaum einer von uns hier einwandern.
Die Strafe dafür, dass ich morgens ohne Mückenzeug das Moskitonetz verlassen hab


Aber genug gejammert. Neben unseren geflügelten Freunden und den anderen Tieren hat der Amazonas zwei Dinge in wirklich beeindruckenden Mengen: Wald und Wasser. Klingt nicht so überraschend, aber man muss wohl wirklich dort gewesen sein, um es sich vorstellen zu können. Der Wald besteht nicht nur aus Bäumen, sondern vor allem auch aus Lianen, Schlingpflanzen, Farnen, Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen und so weiter. Der Kampf um Nährstoffe ist so hart, dass viele Pflanzen nicht auf dem Boden wachsen, sondern aufeinander. Wenn mal ein Baum stirbt, wird er so schnell einer Anschlussverwendung zugeführt, dass er gar keine Zeit hat, zu Humus zu werden. Deswegen gibt es im Wald auch kaum Mutterboden, sondern fast nur nährstoffarmen Sandboden und alle Biomasse liefert sich einen Kampf um Licht und Nährstoffe neben dem der Taunus wie ein verdörrtes kahles Blumenbeet wirkt. Was das Wasser betrifft mussten wir uns auch an ganz andere Dimensionen gewöhnen. Der Amazonas selber ist an vielen Stellen bis 6km breit, und das ist nur jeweils von den Bäumen am Ufer aus gemessen. Auf ein paar Kanutouren konnten wir uns aber davon überzeugen, dass Bäume nicht immer im Trockenem stehen. Im Gegenteil: etwa die Hälfte des Jahres über sind gigantische Gebiete meterhoch überschwemmt. Die Ufer sind also gar keine Ufer, sondern nur der Übergang von offenem Fluss in Fluss mit Bäumen. Diese Wasserlandschaften sind ein ganz eigenes besonderes Ökosystem, in dem sich das tierische Leben entweder in den Baumkronen (Affen, Vögel, Ameisenbären) im Wasser (Fische, Schlangen, unbekannte Monster) oder auf kleineren Ästen dazwischen (Insekten, Spinnen!!!) abspielt. Sehr spannend, da wir einen Führer hatten, der nicht nur mit dem Kanu das Labyrinth beherrschte, sondern auch die vielen Details zeigen konnte, die uns bestimmt entgangen wären. Barbara haben natürlich die Flussdelfine am besten gefallen, die als wir in einem See badeten bis auf wenige Meter an uns ran schwammen. Ich habe vergebens ein Faultier gesucht - die haben sich wohl doch zu schnell aus dem Staub gemacht.



Und der letzte spannende Aspekt unserer Tour waren zwei verschiedene Gemeinden der Indigenen Bevölkerung die wir besuchten. In den ersten zwei Tagen hatten wir als Glücksgriff unseren Guide Elvis, der die verschiedenen Stämme der Gegend seit 25 Jahren kennt und gute Beziehungen mit ihnen pflegt. Er hatte zwei Nächte bei zwei verschiedenen Gemeinschaften organisiert - eine, die auf trockenem Boden lebt und eine andere direkt an einem der größeren Flussarme. Für uns war es spannend zu sehen, wie diese Familien zwischen ihren traditionellen Strukturen und der modernen Welt leben, deren Einflüsse nur sparsam in ihr Leben aufnehmen. Sie haben zwar Radios und Boote mit Benzinmotoren, hören aber weiter auf den Familienpatriarch und jagen mit Blasrohren. Sie wissen auch weiterhin sehr viel über die sie umgebenden Pflanzen und Tiere.

Vor allem die erste Gemeinschaft bei der wir schliefen lebte noch recht traditionell. Sie lebte um eine "Maloka", eine riesige Holz- und Strohhütte, in der Gäste (wie wir) empfangen und Feste gefeiert werden. Diese Gruppe wurde von einem Familienpatriarchen dominiert, der uns ein wenig launisch erschien und seine Gunst nur erteilte, wenn man ihn angemessen ehrfürchtig behandelte. Der Chef hatte mehrere Frauen, die grade zur Vorbereitung seiner Geburtstagsfeier in der Maloka Yuka in riesigen Mengen pressten, stampften und zu einem Brei verarbeiteten. Der Brei hat ganz schön gestunken, aber interessant anzusehen war es auf jeden Fall. Am liebsten wären wir aber bei der Feier dabei gewesen zu der sämtliche Stämme aus der näheren und weiteren Umgebung geladen waren und in traditionellen Kostümen erscheinen würden.

Hängematten mit Moskitonetz. Eigentlich wirklich gemütlich


Wir hatten uns mit Elvis Hilfe wohl richtig benommen und so saßen wir abends mit dem Alten und drei weiteren, teils traditionell geschminkten, Männern zusammen und bekamen die rituellen Hilfsmittel verabreicht, mit denen man dort eine gute Unterhaltung einleitet. Zum einen ist das eine besondere Art Tabak, die als feines Pulver gemahlen wird. Der Gastgeber sammelte davon etwas in eine kleine Röhre aus einem hohlen Hühnerknochen auf. Dann setzten wir uns ein Ende an die Nase und er blies es uns direkt bis in Gehirn (so fühlt es sich jedenfalls für Nichtraucher an). Dazu gab es ein Pulver das sich im Mund auflöst, das aus gemahlenen Kokablättern besteht - hört sich aber alles härter an als es ist, weil Kokablätter kaum Rauschmittel enthalten und der Tabak auch nur ein paar Sekunden lang dröhnte. Auf jeden Fall war der Abend eine sehr interessante Erfahrung, die nur von den aggressivsten Anwesenden getrübt wurde - den Mücken. Wir hatten den Eindruck, dass die Kräfte der Natur überhaupt außer als Nahrung oder Medizin gerne auch als Rauschmittel verwendet werden. Kaum ein Baum, der nicht gut gegen Bauchschmerzen/Gallensteine/Impotenz/Fieber hilft, als Gift zum Jagen oder für eine gepflegte Halluzination (auch wenn sie eher von "Vision" reden) gebraucht werden kann. Wobei die Grenzen zwischen diesen Gebräuchen durchaus fließend sind - interessant fanden wir zum Beispiel den Baum, dessen Saft man sich in das Auge tropft. Das brennt dann furchtbar, dafür kann man in der nächsten Nacht im Dunkeln sehen, als wäre es taghell.

Die zweite Gemeinde erschien uns etwas moderner. Das Stammesoberhaupt war sehr freundlich (bis auf seine wenig charmante Bemerkung, dass er noch nie einen so dicken Deutschen wie mich gesehen habe, gefolgt von einem Lachanfall) und nahm sich weniger wichtig. Er lebte auch mit seiner Familie in einer Dorfgemeinschaft die man bequem mit dem Boot erreichen kann und nicht so abgeschottet wie die erste Familie zu der man 2h durch den Urwald laufen musste. Der Opa, dort eine sehr respektable Bezeichnung, ging auch mit uns auf Nachtbootsfahrt und fing mit uns einen kleinen Kaimanen. Wir dachten, dass wir ihn wieder aussetzen würden, aber der Opa nahm ihn als Haustier mit und versprach ihn gross zu ziehen damit wir ihn in zwei Jahren, wenn wir ihn erneut besuchten, essen könnten. Beide Opas, so unterschiedlich wie sie waren, haben sich über unseren Besuch gefreut und uns am Ende noch umarmt.

Was uns am Besten an unseren Besuchen gefallen hat, war, dass Elvis von den Gemeinden wie ein Familienmitglied behandelt wurde und uns dementsprechend auch schnell vertrauen entgegengebracht wurde. Vor allem gab es keine peinlichen Tanzaufführungen oder Korbflecht-Demonstrationen, die üblicherweise den Basar eröffnen. Insgesamt haben wir in kurzer Zeit einen recht vielseitigen Eindruck vom Leben im Amazonas bekommen. Nach vier Tagen hatten die Mücken ihre Aufgabe aber erfüllt und uns den Abschied nicht allzu schwer gemacht.






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