Montag, 9. Juni 2014

Ciudad Perdida oder The Hunger Games

Viel Wandern, den ganzen Tag an der frischen Luft, schöne Landschaft, am Ende eine Stadt aus einer laengst vergangenen Zeit. Das alles klang vielversprechend. Ich glaube am meisten hatte ich mich allerdings darauf gefreut mich vier Tage lang um nichts kümmern zu müssen. Nach einer Vorbesprechung mit einem wenig sympatischen Verkaufstypi starteten wir unsere 4-tägige Expedition zur Verlorenen Stadt. Wir hatten jeder einen kleinen Rucksack mit: Seidenschlafsack, drei Paar Socken und Unterwäsche, zwei Funktionshirts, ein langärmeliges Oberteil, eine Dreiviertelhose, Sonnencreme, Bikini, Waschzeug und Moskitorepellent. Nach zwei Stunden Autofahrt waren wir in den Bergen. Dort trafen wir unsere Wandergruppe: Kat, Ri und Tammy sind drei Ärztinnen aus England, sowie Jort und Remco aus Holland auch Arzt und Evakuierungsspezialist bei der Bahn. Unser Wanderführer Giovanni war in der Gegend der Verlorenen Stadt aufgewachsen und kannte nicht nur die Gegend sondern auch alle Einwohner bestens. Wir fühlten uns also in guten Händen.

Irgendwie hatte ich mir den Weg zur Verlorenen Stadt djungeliger und weniger hügelig vorgestellt. Statt uns mit der Machete den Weg zu bahnen, liefen wir unzählige Berge rauf und runter und oft fühlte ich mich statt an die Tropen an die Eifel oder Voralpen erinnert. Nur der nachmittags einsetzende Regen war den Tropen wirklich würdig. In der ersten Nacht schliefen wir in einem Hängemattenlager. Das war das erste Mal, dass ich eine ganze Nacht in einer Hängematte verbringen würde. Und ich war skeptisch. Ich brauchte ziemlich lange bis ich es mir gemütlich gemacht hatte. Erst musste ich die Decke unter mich legen, weil es wohl von unten kalt reinzieht. Dann musste ich in meinen Schlafsack kriechen ohne die Decke wieder runterzuwerfen. Das alles unter einem Moskitonetz, das fast auf meiner Nase auflag und einem schaukelnden Untergrund. Irgendwann war ich aber fertig. Dann fiel mir auf, dass ich meine Ohrenstöpsel vergessen hatte. Da ich aber keine Lust hatte die ganze Prozedur zu wiederholen, beschloss ich, dass ich auch ohne sie schlafen könnte. Das war ein Fehler. Ich hörte komische Geräusche, die mich ziemlich an das Brüllen einer Kuh erinnert haben und es wahrscheinlich auch waren. Der Regen prasselte in Strömen auf das Blechdach und neben mir schnarchten Leute, Thorben um genau zu sein. Als ich irgendwann doch einschlief wurde ich wach, weil ich auf Toilette musste. Also doch aus der Hängematte raus? Und dann im Dunkeln zur Toilette auf der sich abends riesige Käfer, Kakerlaken und Kröten getummelt hatten? Nein, ich hielt aus. Und schlief ziemlich wenig diese erst Nacht. Zu meiner Überraschung tat mir aber zumindest nicht der Rücken weh.

Nachtlager in der Hängematte mit Moskitonetz


Am nächsten Tag ging es genauso steil bergauf weiter wie es am letzten Tag aufgehört hatte. Wir schwitzten in der Hitze und kämpften uns hoch. Gut, dass es überall Flüsse gab in denen wir schwimmen und uns abkühlen konnten. Nach dem Mittagessen änderte sich dann die Landschaft. Die Eifel machte einem Regenwald Platz. Und statt Kühen und Eseln sahen wir eine Schlange, Tukane und viele andere tropische Vögel. Es kamen uns auch öfter Gruppen von Indigenen Koguis entgegen. Da die Regierung nach wie vor Probleme hat, die staatliche Autorität im ganzen Land zu sichern, ist es den Indigenen hier relativ einfach möglich, so zu leben wie sie es wünschen. Sie leben ziemlich traditionell und die Kinder müssen noch nicht mal in die Schule gehen. Glücklicherweise werden sie am Geld das mit den Touristen gemacht wird beteiligt. Wir wanderten 14km in acht Stunden. In der zweiten Nacht hatten wir Betten. Die stanken allerdings nach der konstanten Feuchtigkeit die im Regenwald herscht. Jeden Nachmittag wurden wir zur Verwunderung unseres Wanderführers vom Regen "überrascht". Mir kam der Regen ziemlich berechenbar vor, aber unser Guide wollte lieber ausgedente Schwätzchen mit seinen Freunden führen statt vor dem Regenguss beim Schlafplatz anzukommen. Aber das nur nebenbei. Die Betten stanken also nach einem Gemisch aus Feuchtigkeit und Schweiss. Da ich aber ziemlich müde war und meine Ohrstöpsel in Gebrauch hatte, schlief ich ziemlich gut und ziemlich früh. Unser sehr bemühter Guide hatte sich Mut angetrunken um die Geschichte der Entdeckung der Verlorenen Stadt zu erzählen. Weil er aber kein mitreißender Erzähler ist und immer jemand seine Geschichte übersetzen musste, für diejenigen die kein Spanisch sprachen, wurde sie ziemlich langatmig. Kollektiv verabschiedeten wir uns um acht Uhr ins Bett. 


Am dritten Tag war es endlich so weit. Wir erreichten die Verlorene Stadt. Nachdem wir einen Fluss überquert und ca. 1200 Stufen hochgelaufen waren, kamen wir an. Irgendwie kam uns alles ziemlich surreal vor. Und Ri, eine der drei Englischen Ärztinnen, brachte es auf den Punkt: es kam einem vor wie die Kulisse von The Hunger Games. Auf einer Bergspitze gelegen und umgeben von anderen satt grünen Bergen mit Palmen und exotischen Pflanzen, breiteten sich vor uns die Überreste der Verlorenen Stadt aus. Kreisförmige Mauerreste, von Pflanzen überwuchert. Und in dieser surrealen Umgebung hörten wir das donnernde Flappern eines Propellors. Kurz darauf sahen wir einen riesigen Militärhubschrauber. Er sah genauso aus wie der Hubschrauber der in den Hunger Games die "Gefallenen" einsammelt. In unserem Fall brachte der Hubschrauber jedoch Nachschub für die auf der Verlorenen Stadt postierten Soldaten. Der Anblick der Soldaten brachte uns auch wieder in die Realität zurück. Denn obwohl es uns in Kolumbien so gut gefällt und unsere Tour fernab der Wirklichkeit zu sein schien, gibt es hier immer noch bewaffnete Auseinandersetzungen. Das wir in aller Sicherheit durch den Regenwald trekken konnten, verdankten wir einer massiven Militärpräsenz in der Gegend. 1500 Soldaten war in der Gegend stationiert, 100 direkt in der Verlorenen Stadt. Irgendwie machte die Militärpräsenz den Ort noch spezieller. Was aber am beeindruckensten war, war wie wenig Leute mit uns dort waren. Außer uns waren 5 andere Touristen dort. Später würden noch mehr kommen. Insgesamt aber nicht mehr als 40 Leute. Um zur Verlorenen Stadt zu kommen muss man eben wandern. Man kann nicht mit dem Bus hierher fahren. Und das macht dieses Erlebnis so besonders.



Der Rückweg verlief auf dem gleichen Weg wie der Hinweg. Und obwohl die Landschaft sehr schön war, war die Luft irgendwie raus. Wir freuten uns auf unser Hostel, ein bequemes Bett, eine Dusche und Anziehsachen die nicht stanken. Trotz aller Strapazen... die Tour war fantastisch. Und wir hatten uns so gut mit unserer Tourgruppe verstanden, dass wir in den nächsten Tagen mit ihnen weiterziehen würden.

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