Montag, 7. April 2014

China, unser Fazit

China hat uns sehr überrascht. Das Land ist moderner, wohlhabender und weniger kommunistisch als wir dachten. Andere Vorurteile wurden hingegen bestätigt.

Was uns während unserer Reise aufgefallen ist und was auch von Alex so empfunden wird, ist dass sich hier vieles ums Geld dreht. Wer Geld hat, stellt es zur Schau. Wer keins hat, versucht irgendwelche Geschäfte zu machen. Vor allem den Leuten unserer Generation ist es sehr wichtig, dass sie möglichst viel Geld verdienen und Karriere machen. Aus dem Grund arbeiten sie oft von früh bis spät - auch wenn sie dabei nicht effizient sind. Um Geld zu verdienen, gehen junge Eltern oft in die Städte und lassen ihre Kinder bei ihren Großeltern im Dorf. Das scheint uns erstmal nicht erstrebenswert, hat das Land in den letzten 20 Jahren aus der Armut geholt.

Zu unseren Vorurteilen: Chinesen essen alles, sie haben keine Tischmanieren und sind unfreundlich. Um es kurz zu machen: es stimmt. In Yangshuo hat uns die Besitzerin unseres Hostels erzählt, dass ihr Hund der letzte aus seiner Familie sei. Grassiert eine Hundekrankheit in Südchina? Nein, Mutter und Geschwister des Hunds, die in der Nachbarschaft lebten verendeten nicht an einer Krankheit sonder verschwanden. Die Hunde wurden von Männern aus den umliegenen Dörfern geklaut um sie zu essen. Nicht weil sie am verhungern sind, sondern weil sie glauben Hundefleisch sei gut für sie. Auch der vorherige Hund der Hostelbesitzerin war diesen Leuten zum Opfer gefallen. Ich will mir nicht vorstellen was mein Vater mit demjenigen machen würde, der seinen Hund tötet. Um die Wogen etwas zu glätten: in den Städten passiert so etwas nicht und das Exotischste was wir auf einer Speisekarte gefunden haben waren Frösche, Hühnerkrallenund Lotusgemüse.

In Sachen Tischmanieren muss man den Chinesen zu Gute halten, dass man mit zwei Stäbchen einfach nicht ordentlich bzw. kniggereif essen kann. Wenn man trotzdem versucht die Stäbchen zum Mund und nicht andersherum zu führen, kleckert man sich insbesondere bei Nudelsuppen voll: Alle meine T-Shirts haben jetzt Flecken, die nicht mehr rausgehen. Entweder man beißt die Nudeln ab, dann fallen sie in die Suppe und machen Spritzer. Oder man saugt sie ein und kleckert sich dabei voll. Wenn man nicht beim Essen verhungern möchte, muss man die Schale an den Mund halten um den Reis in den Mund zu schaufeln anstatt ihn einzeln mit den Stäbchen aufzulesen und zum Mund zu befördern. Die meisten anderen Sachen sind zwar klein gehackt und man kann sie gut mit den Stäbchen essen, oft haben sie aber Knochen. Diese können wir mittlerweile kunstvoll mit den Stäbchen aus dem Mund holen, was nach chinesischer Etikette gar nicht sein muss... ausspucken würde auch gehen, dann liegen sie aber unappetitlich auf dem Teller oder auf dem Tisch. Da es nur kleine Schälchen gibt und man immer mehrere Gerichte bestellt um sich dann alles zu teilen, muss man das Essen nicht nur mit den Stäbchen vom eigenen Schälchen in den Mund sondern auch von den grossen Platten aufs eigene Schälchen befördern. Nach dem Essen sieht der Tisch also aus als hätte eine Wildscheinherde davon gegessen: alles ist voller Soyasoßenspritzer und Knochen. Na gut, vielleicht übertreiben wir, aber nicht viel. Am Besten haben uns hier übrigens Yunnan-Nudeln, Dim Sun und Peking-Ente geschmeckt. Ach ja, wenn wir schon bei Manieren sind: dezentes Rülpsen bei Tisch ist genauso wenig verpönt wie ausgiebiges und geräuschvolles Befreien der Luftwege von Schleim, sprich rotzen.

Zum letzten Vorurteil: Chinesen sind unfreundlich. Vor allem wenn man Chinesen mit ihren äußerst freundlichen Südostasiatischen Nachbarn vergleicht, sind Chinesen wirklich ehr unfreundlich. Aber ganz ehrlich: darf man sich als Deutscher darüber beschweren? Uns ist natürlich bewusst, dass man sich in einer 10 Millionenstadt nicht gegenseitig grüßt, das macht man wohl nirgendwo auf der Welt. Wenn man aber in einer Gegend ist in der man vielleicht 10 Leute am Tag trifft, rutscht uns schon mal ein erfreutes "ni hao" heraus, wenn wir jemanden begegnen. Das wurde oft mit einem regungslosen Gesichtsausdruck quittiert. Vieles kann man vielleicht auf die Sprachbarriere schieben. Unsere chinesisch sprechenden Freunde kamen eigentlich überall ins Gespräch. Und manchmal haben uns auch Leute mit ganz bösem Gesicht und auf ruppige Art sehr nett geholfen. Also nicht vom unfreundlichen ersten Eindruck abschrecken lassen, die Chinesen haben einen weichen Kern. Unsere Gasteltern und alle Leute in der Sprachschule in Kunming zum Beispiel waren großartig. Sie haben sich allergrößte Mühe gegeben, damit wir uns wohl fühlen. Eine grobe Regel, die Thorben gefunden hat ist, dass Menschen die arbeiten unfreundlich sind: Kellner, Busfahrer, Verkäufer... privat sind die Chinesen offener, wenn auch immer noch schüchtern.

Ganz krass ist aber das Drängeln. Chinesen haben gar kein Problem damit, in Schlangen vorzudrängeln und sich mit Ellebogen den Weg zu bahnen. Sie stellen sich auch schon mal einfach vorne an oder klettern über Absperrungen. Thorben war es am Ende so leid, dass er sich unter vollem Körpereinsatz Platz gemacht hat. Keiner hat auch nur einen Mucks gesagt. Vordrängeln gehört einfach dazu und ist anscheinend nicht verpöhnt.

Und noch eine letzte Gelegenheit bei der uns eine gewisse "Kulturlosigkeit" aufgefallen ist. Bei der tollen Licht- und Bühnenshow in Yangshuo kamen Leute zu spät,  blieben dann einfach stehen und unterhielten sich. Nachdem es anfing, kletterten einige auf die besseren Plätze und riefen von dort aus lautstark ihre Freunde weiter hinten.  Die ersten
10min der Show waren also etwas im Trubel verloren,  genau wie die letzten 10min. Dann gingen nämlich schon alle. Beim Abspann mit Verbeugungen und so waren wir dann im 5000-Leute-Stadion fast die letzten...

Wenn vielleicht über die Revolution oder die Aufholjagd der letzten 20 Jahre auch viel der reichen Kultur und des Kulturbewusstseins in China verloren gegangen sind, so haben sich die Chinesen ihre Hochachtung vor ihren Lehrern und Eltern/Älteren bewahrt. Selbst in der Großstadt Peking stehen Jugendliche für ältere Fahrgäste in der Metro auf. Ältere werden in Schlangen auch ohne Murren vorgelassen und selbst die unfreundlichen Schalterangestellten haben eine Engelsgedult mit ihnen.

Eine lustige "Tradition" der anderen Art, sind die hier üblichen untenrum offenen Hosen für kleine Kinder. Für Windeln ist das ganz praktisch, da sie dann schneller gewechselt werden können. Aber meistens laufen die Kleinkinder mit der blanken Futt herum, was wir sehr lustig finden. Wobei herumlaufen nicht ganz das richtige Wort ist. Denn meistens werden sie von ihren zierlichen Müttern herumgetragen bis sie drei Jahre alt sind. Aber das nur nebenbei.

Zuguterletzt: wie hat uns China als Touristenziel gefallen? China ist ein sehr sicheres Reiseland mit guter Infrastruktur. Das Hauptmanko ist, dass kaum jemand abseits der grossen Hotelketten und Backpackerhostels Englisch spricht. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass man kaum ausländische Touristen findet. Spräche man aber Chinesisch, so wäre China sehr einfach zu bereisen.

Die Touriattaktionen fanden wir ehrlich gesagt eher mäßig. Oft werden überhöhte Eintrittspreise für unauthentisch restaurierte oder unspektakuläre Sehenswürdigkeiten verlangt. Das liegt natürlich nicht daran, dass China keine großartige Geschichte und Kultur hat, sondern daran, dass während der Kulturrevolution oder im Bürgerkrieg sehr viel, sehr gründlich zerstört wurde. Selbst von der Verbotenen Stadt in Peking sind nur die Häuser übrig. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie es dort während der Kaiserzeit ausgesehen haben muss, da die meisten Häuser entkernt und schlecht restauriert wurden und viele Wertgegenstände im Bürgerkrieg von den Taiwanesen mitgenommen wurden.

Was das Land aber erlebenswert macht ist zum einen die wunderschöne Landschaft (z.B. Tiger Leaping Gorge bei Lijiang und Karstberge um Yangshuo) und die noch immer praktizierten Traditionen. Selbst in den modernen Städten finden sich insbesondere ältere Menschen zusammen, in Parks, auf Sportplätzen oder auf dem Parkplatz. Dort stellen sie ihre Musikboxen auf, tanzen gemeinsam eine Art Gruppentanz, machen Morgengymnastik, Thai-Chi, Kung Fu oder singen alte Volkslieder. Wir haben auch gesehen wie Leute einen Kreisel mit einer Peitsche angedreht haben und wie alte Männer mit einem überdimensionalen Pinsel und Wasser unsichtbare Poesie auf den Parkboden schrieben.

Das alles zusammen mit dem Erlernen einer komplett anderen Sprache und dem Beobachten einer riesigen Nation im Umbruch, von der wir fast nichts wussten, hat die Reise hierher mehr als lohnenswert gemacht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen