Dienstag, 19. August 2014

Brasilien: unser Fazit

Brasilien ist so etwas wie das perfekte Urlaubsland. Es gibt unglaublich viele, tolle und verschiedene Landschaften. Vom Amazonas über Wüsten bis hin zu Bergen zum Wandern und natürlich DEN Wasserfällen von Iguaçu. Man müsste wohl mehrmals hin, um alles zu sehen. Den Pantanal zum Beispiel oder die Chapada Diamantina konnten wir trotz sechs Wochen Reisedauer aus Zeitmangel nicht sehen. Vor allem aber - und das ist ja für viele Urlauber am wichtigsten - hat Brasilien tausende von Kilometern Traumstrände. Es gibt windige Strände zum Kite- oder Windsurfen, welche mit Wellen zum Wellenreiten, Stadtstrände und einsame Inselstrände. Und dann gibt es natürlich noch die Städte. Vor allem Rio und Sao Paulo sind einen Besuch wert. Rio wegen der Sehenswürdigkeiten von Zuckerhut bis Copacabana und Sao Paulo wegen Restaurants und Museen. Warum es trotzdem so wenig Touristen im Land gibt ist eigentlich ein Rätsel, es führt aber dazu, dass man viele der tollen Landschaften und Strände fast für sich alleine hat. Alleine das ist ein Grund wieder zu kommen. Die Kehrseite der riesigen Auswahl ist natürlich, dass das Land riesig ist. Im dünner besiedelten Norden hört man schon mal Sätze wie: "Das ist nicht weit, zwei Stunden von hier. Mit dem Flugzeug...". Wir haben insgesamt 3 Nächte in Nachtbussen und eine im Flugzeug verbracht und auch einiges an Geld für Transport ausgegeben. Mit etwas mehr und frühzeitiger Planung hätte man das aber vermeiden können und sich mit den recht günstigen Inlandsflügen bewegen können.

Wenn man an Brasilien denkt, denkt man(n) auch an die hübschen Brasilianerinnen. Was und spätestens am Stand aufgefallen ist, waren die vielen Schönheits-OPs. Nicht nur Brüste werden vergrößert sondern auch Hintern aufgepolstert, Nasen modelliert und Bauchspeck abgesaugt. Erstaunt hat und auch wie offen die  Brasilianerinnen damit umgehen. So haben uns erstaunlich viele ungefragt von ihren kleinen oder großen Korrekturen erzählt. Was dazu passt, dass das Ergebnis meist ziemlich künstlich aussieht. Ich frage mich nur wie man auf so einem Silikonhintern sitzt... .

Das allererste was uns im Land aber aufgefallen ist - und das passt jetzt gar nicht dazu - war die Religiosität. Gleich als wir die Grenze vom kolumbianischen Leticia zum brasilianischen Tabatinga überquerten sahen wir viele verschiedene Kirchen. Es gibt Pfingstgemeinden, Methodisten, Baptisten, Evangelisten und natürlich katholische Kirchen. Überall sieht man Menschen mit der Bibel oder religiosen Büchern rumlaufen. Auch im Fernsehen laufen auf der Hälfte der Kanäle Gottesdienste und ein "Gottseidank" ist meist wirklich wörtlich gemeint. Dabei ist Brasilien nicht stramm katholisch, sondern jeder scheint sich aus der Vielzahl der Kirchen und Philosophien das für ihn passende heraus zu suchen. In Sao Paulo wurde als wir da waren grade eine evangelikale Kirche eingeweiht. Als Modell des historischen Tempels von Salomon - nur größer und mit über 10.000 Plätzen. Das alles, zusammen mit einer Messe, die wir im Städtchen Paraty bis in unser Zimmer hören konnten weil der Pfarrer so passioniert gepredigt und die Gläubigen
gejubelt hatten, weckte unser Interesse. Wir gingen zu einer Messe von "Show da Fé" (Show des Glaubens), einem Kirchen-Franchise mit Fernsehkanal, das für besondere Events auch schon mal das Maracanã anmietet. Wir wollten den Zauber selber erleben. Als wir es uns aus der Nähe ansahen, war die Messe im Prinzip nicht viel anders als unsere. Bis auf die Gitarre und das Schlagzeug, die die Gesänge begleitet haben, die Powerpointfolien und der Versuch religiöse Bücher zu verkaufen. Der Pfarrer war auch weniger interlektuelle Moralfigur und mehr passionierter Glaubensmanager.
Manche Gläubige allerdings waren wesentlich involvierter als zu Hause. Sie schluchzten teilweise während des Gottesdienst, hoben beim Beten die Arme zum Himmel oder machten sich Notizen während der Predigt. Wir hatten aber nicht den Eindruck bei einer Sekte zu sein, jedenfalls nicht mehr als zu Hause in der Kirche.

Ein weiteres Highlight war das Essen. Man bekommt immer viel. Meist sehr gutes Fleisch mit Reis, Bohnen und - ohne das ist keine Mahlzeit vollständig - Farofa. Farofa besteht aus Maniokmehl, das mit Butter und eventuell Speck und Zwiebeln gebraten wird. Als Pulver wird es über jedes Essen gestreut und trägt, unserer Meinung nach, gar nichts zum Geschmack bei. Es ist nämlich fast komplett geschmacksneutral. Trotzdem ist für Brasilianer ein Essen ohne Farofa einfach nicht komplett. Brasilien hat auch seine ganz speziellen Restaurants, dabei kommt man meist ziemlich schnell an sein Essen. So gibt es öfter Rodizio, wobei die Kellner mit verschiedenen Essen rumkommen und man sich etwas davon aussucht. Man kann sich solange nehmen bis man satt ist. Meist gehen die Kellner dabei mit großen Spießen auf denen gegrilltes Fleisch ist rum und schneiden auf Wunsch etwas davon ab. Das Konzept ist aber so beliebt in Brasilien, dass es nun auch Pizza-Rodizio oder ähnliches gibt. Eine genauso schnelle Alternative ist das Kilo-Restaurant. Dort nimmt man sich etwas vom Buffett und zählt pro Kilo.

Zu trinken gibt es dazu, oder auch ohne essen, immer und gerne Bier. Schon morgens und mittags sieht man Leute in der Sonne sitzen und ein Bier trinken. Und zwar immer eiskalt. Die Obsession für kaltes Bier geht mindestens so weit wie die für Farofa. Ein Barbesitzer, der etwas auf sich hält würde zum Beispiel niemals Cola und Bier im gleichen Kühlschrank lagern. Cola friert nämlich bei 0 Grad und Bier erst bei -4. Und genau das ist die optimale Temperatur, um ein brasilianisches Bier zu trinken. Ein paar mal fror mir das Bier nach dem Eingießen im Glas oder waren Dosen im Kühlschrank angefroren. Das geht so weit, dass die Temperatur des Bieres der beste Gradmesser für die Qualität einer Bar ist. Ein typische Unterhaltung geht dann so: "Ist nett hier." "Ja, das Bier ist kalt."

Um aber mal zum Wichtigsten zu kommen. So kalt wie das Bier ist, so warm sind die Leute. (Sorry für das schlechte Wortspiel) Wir haben wirklich überall unglaublich hilfsbereite, warme und liebe Menschen kennen gelernt. Ein Beispiel: Ich stand im Supermarkt an der Brottheke und verglich zwei verschiedene Packungen Brötchen. Da spricht mich eine alte Frau an, und zeigt auf einen Mitarbeiter des Supermarktes: "Der legt gleich neue hin, die sind frischer. Wie viele brauchst du denn?" Und dann zum Mitarbeiter: "Gib mir doch mal 4 und dem jungen Mann hier 5 Brötchen". Noch einen schönen Tag gewünscht, und weiter ging es. Solche kurzen Begegnungen machen das Leben einfach netter. Ich glaube ich fange das in Deutschland auch mal an. Und
das die Freundlichkeit nicht nur oberflächlich ist, sondern sehr ernst gemeint (den Vorwurf machen griesgrämige Deutsche ja gerne allen, die grundlos nett sind) konnten wir erfahren, als wir es wirklich brauchten. Wir hatten einen Bus nach Sao Paulo genommen um am gleichen Tag von dort einen Flug nach Florianopolis zu nehmen. Als wir aber am Flughafen einchecken wollten, merkte ich, dass ich unsere Pässe im Bus hatte liegen lassen. Bevor jetzt alle "typisch Thorben" sagen, möchte ich zu meiner Verteidigung sagen, dass wir vorher in fast 8 Monaten quasi nichts Wichtiges hatten liegen lassen. Wie auch immer, während ich mit dem Taxi zum Busbahnhof zurück fuhr, blieb Barbara am Flughafen und schrieb ein paar unserer neuen brasilianischen Freunde. Am Busbahnhof angekommen stieg der Taxifahrer mit aus und fragte für mich überall rum - leider ohne Erfolg, der Bus war bereits ins Depot gefahren. Zurück am Flughafen war der Flug natürlich ohne uns weg, aber dafür hatte brasilianische Hilfsbereitschaft zugeschlagen. Aus Manaus hatte Rodrigo eine Meldung bei der Busgesellschaft aufgemacht, aus Rio de Janeiro hatte Pablo schon beim deutschen Konsulat angerufen und Rafael, der in Sao Paulo wohnte bot uns einen Schlafplatz an. Als dann wenig später die Busgesellschaft sich noch bei Rodrigo meldete, dass die Pässe gefunden waren, war der Schreck vorbei und wir konnten uns beruhigen. Ich weiß nicht, wie die Geschichte ohne unsere Freunde ausgegangen wäre. Freunde, die wir alle erst seit ein paar Wochen kannten und die wir alle nur ein paar mal gesehen hatten.

Die Brasilianer sind im ganzen Land sehr gastfreundlich und dennoch gibt es starke regionale Unterschiede. Vor allem im Norden, Nordosten und im afrikanisch angehauchten Bahia sind sie oft so, wie Barbara sich die Kubaner vorgestellt hatte. Warm, emotional, Musik liebend, entspannt. Weiter im Süden, in Rio oder Sao Paulo, erscheint dann alles etwas europäischer. Man ist tendenziell etwas reservierter, alles läuft geordneter.  Unterschiede gibt es natürlich auch auf Grund der verschiedenen Hautfarben im Land. Brasilien hatte sehr viele Sklaven und damit heute eine Bevölkerung, die sehr gemischt ist. Und auch wenn immer noch die Schwarzen oft ärmer sind als die Weißen, gab es keinen sichtbaren Rassismus. Klar, wirklich gleich sind Schwarz und Weiß auch hier nicht. Die Zimmermädchen und Nannys sind fast ausnahmslos schwarz und die Leute aus der Mittel- bis Oberklasse, die wir kennen lernten, weiß. Trotzdem waren alle mit denen wir sprachen stolz darauf, dass es in Brasilien nicht wichtig sei, welche Hautfarbe man habe. Viele offensichtlich hellhäutige Leute betonten auch, dass sie ein wenig schwarzes und/oder indianisches Blut hätten. Und nicht zuletzt konnte man durchaus gemischte Paare sehen oder Feten auf denen Schwarz, Weiß und alles dazwischen zusammen tanzten. Dinge, die in vielen anderen Ländern kaum denkbar wären.

Wir haben Brasilien in den 6 Wochen sehr lieben gelernt, vor allem natürlich, weil wir in keinem anderen Land bisher so viele Freunde gemacht haben. Wir freuen uns darauf, eines Tages zurück zu kommen, oder den ein oder anderen in Frankfurt begrüßen zu können. Vielleicht Ricardo auf seiner Weltreise?!? Wenn wir an Brasilien denken, haben wir Saudade. Aber um zu wissen, was das ist, muss man wohl selber hin fahren. Worauf wartet ihr?

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