Samstag, 15. November 2014

Ein Abschied

 WIR SITZEN AM FLUGHAFEN von Sansibar und warten auf unseren Flug nach Deutschland. Es dämmert mir so langsam, dass unsere Reise zu Ende ist, aber so richtig kann ich es nicht fassen. An dem ein oder anderen Tag habe ich mich nach Hause gewünscht, haben uns die Touristenabzocker genervt, oder in fremden Ländern nichts zu verstehen, Transport und Unterkunft zu suchen und in schlechten Betten zu schlafen. Ich freue mich sehr auf meine Familie, meine Freunde, unsere Wohnung, das Ankommen ohne bereits die nächste Station zu planen. Aber mittlerweile wird mir auch bewusst, dass dies nicht nur ein nach Hause kommen ist, sondern auch das Ende unserer Reise. Und das stimmt mich wehmütig. Vorbei die Zeit, in der wir jeden Tag etwas anderes unternehmen, keinen Alltag kennen, keine Hausarbeit machen, keine Routine haben, Zeit haben zu reflektieren über das Erlebte, neue interessante Menschen kennenlernen und großartige Landschaften, Tiere oder Monumente bestaunen. Ein Traum von mir geht zu Ende.

Ich bin mehr als glücklich, meinen Traum gelebt zu haben. In elf Monaten hat sich die Welt für mich verändert. Wenn ich heute an Indien, Myanmar, China, USA, Kuba, Kolumbien, Brasilien, Südafrika und Tansania denke, dann denke ich an vollkommen andere Länder als vor unserer Reise. Jedes dieser Länder hat unglaublich spannende Traditionen, Landschaften, Menschen und Geschichten. Ich habe den Reiz des Exotischen kennengelernt, aber auch dahinter schauen können. Während ich vor der Reise dachte, dass ich weltoffener nach Hause kommen würde, habe ich heute das Gefühl, mehr zu differenzieren. Dinge die für mich in Stein gemeißelt waren, fingen an zu bröckeln. So bin ich nicht mehr der Meinung, dass Demokratie eine absolute Voraussetzung für Entwicklung ist. Das Ein-Parteien-Land China direkt nach der Demokratie Indien zu sehen, hat mir vor Augen geführt, dass die unterdrückerischen Methoden der chinesischen Regierung viele Menschen aus der Armut gehieft haben. Auch über die in Indien übliche arrangierte Hochzeit denke ich nun positiver, jedenfalls wenn es nicht um Minderjährige geht. In Myanmar und Kuba habe ich gelernt kritisch über westliche Embargos nach zu denken, die meiner Meinung  nach mehr den dortigen Menschen als den Regierungen geschadet haben. Während ich die anfänglichen Erfolge des Komunismus in Kuba zu schätzen lernte, konnte ich nicht nur den Verfall der Häuser und Fabriken sondern auch der Moral in diesem sich nicht weiterentwickelnden Staat beobachten. In Kolumbien und Brasilien habe ich wenig von der dort angeblich alltäglichen Gewalt mitbekommen und viel mehr die Herzlichkeit der Menschen gespührt. In Südafrika war ich einerseits beeindruckt von der Infastruktur und der Effizienz des Landes aber auch erschrocken über den immer spürbaren Konflikt zwischen Schwarz und Weiß. In Tansania wurden mir die Grenzen der Entwicklungshilfe und die Allgegenwärtigkeit der Korruption deutlich. Wobei die Korruption das Hauptproblem in sämtlichen von uns besuchten Laendern ist - mit Ausnahme der USA. Nach diesem Jahr habe ich meine rosarote Brille der Toleranz für sämtliche Kulturen abgesetzt. Während ich weiterhin versuchen möchte vorurteilsfrei fremden Menschen und anderen Traditionen gegenüber zu stehen, habe ich mir doch erlaubt einige Dinge nicht hinnehmen zu wollen. Ganz weit oben dabei ist der Umgang mit Frauen, vor allem in Indien aber auch in Tansania. Natürlich lernt man in der Ferne auch sein eigenes Land zu schätzen. Am meisten schätze ich unsere funktionierende Demokratie und unsere nichtbestechlichen Beamten. Es gibt mir das nun zu schätzen gelernte Gefühl, ein mir angetanes Unrecht nicht tolerieren zu müssen.

Aber ich habe auf dieser Reise nicht nur etwas über die Welt sondern auch etwas über mich gelernt. Das ist natürlich sehr persönlich und nicht der rechte Ort hier. Aber ganz grob gesagt, tut mir etwas mehr Gelassenheit und etwas weniger preußische Strenge gut. Außerdem bin ich besser darin geworden, zu merken was ich möchte und was nicht. Es hört sich banal an, ist es aber nicht. Natürlich lernt man auf so einer Reise in der man Tag und Nacht fast 24h zusammen ist, auch ganz schön viel über seine Beziehung. Dazu nur so viel: Wenn man nach so einer intensiven Zeit, in der man mehr als einmal mit den Nerven am Ende war, immer noch zusammen ist, dann ist das ein gutes Zeichen. Neben der persönlichen Weiterentwicklung haben wir auch eine Menge praktische Dinge zu unterschiedlichem Grad gelernt: meditieren, Apnoe-tauchen, Chinesisch, Salsa Tanzen, Yoga, Tai Chi, Kitesurfen, Wellenreiten und ein paar Worte Portugisisch und Kisuaheli. In jedem Fall kommen wir bereichert nach Hause. Und um nichts in der Welt möchte ich diese Erfahrung, diese Weltreise missen wollen. Wenn ich die Reise nocheinmal machen könnte würde ich alles wieder genauso machen. Denn unsere Reise hat meine hohen Erwartungen noch übertroffen.

Barbara






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