Unser Überraschungsempfang am Frankfurter Flughafen hatte mich mit
einem Schlag aus den melancholischen "Ende der Reise"-Gedanken
gerissen und in das Hier und Jetzt katapultiert. Wir sind zu Hause und unsere
Freunde holen uns ab. Wie schön!
Meine Eingewöhnung verlief in drei Phasen. In der ersten
betrachteten wir alles mit großen, staunenden Augen. Vom Flughafen ging es
durch den Feierabendverkehr nach Frankfurt. Ich fand es fast beängstigend, wie
schnell man auf deutschen Autobahnen fährt und hielt mich unauffällig am
Türgriff fest. Ich und vor allem mein Magen mussten sich aber nicht an die
Achterbahnfahrt gewöhnen, denn kurz danach standen wir bereits im Stau. Alles
blieb ordentlich, kein Gehupe, kein wildes Rumrangieren.
Auch in den folgenden Tagen fiel uns immer wieder auf, wie sauber
und ordentlich es ist und wie ruhig und gesittet alles abläuft in Deutschland.
Im Park schieben Mütter päarchenweise ihre Kinderwagen oder diskutieren
sachlich mit ihrem dreijährigen Nachwuchs, Herrchen gehen Gassi und entsorgen
fachgerecht die Hinterlassenschaften ihres Hundes in Plastiktüten. In den
Geschäften wird man freundlich und professionell bedient, die Preise stehen an
den Waren und sind nicht verhandelbar. Auf den Straßen und selbst in den Wohnvierteln
sieht man weitaus mehr Autos als Leute. Kein Geschrei, kein Gehupe, keine
rumlungernden Leute (bis auf die vier kiffenden Jugendliche auf der Parkbank,
um die die älteren Damen einen großen Bogen machen, die bei mir allenfalls ein
Gefühl der Fürsorge auslösen)... . Der Streik der Deutschen Bahn passte
natürlich nicht in unser grade ersonnenes Bild des perfekt organisierten
Deutschlands. Thorben musste zur Arbeit - wie so oft auf unserer Reise - einen
Fernbus nehmen, der auch prompt fast eine Stunde zu spät kam. Das kriegen die
Entwicklungsländer besser hin. Und als Thorben unseren Telefonanbieter drei mal
anrufen musste und es eineinhalb Wochen dauerte, bis die Störung unseres
Festnetzes wieder behoben wurde, kamen uns weitere Zweifel. Meine Bank hat es
auch nach vier Anrufen, einer Email und zwei Wochen Zeit nicht geschafft mir
einen Pin zu schicken. Was ist nur los? Laufen die Dinge eigentlich doch nicht
so rund, wie in unserer verklärten Erinnerung? Jetzt mal ganz im Ernst:
Deutschland ist sicher, sauber, verlässlich und effizient. Nach einem knappen
Jahr in neun Entwicklungsländern können uns solche Kleinigkeiten wirklich nicht
schocken.
Unsere Wohnung kam mir nach unserer Heimkehr nicht nur übertrieben
groß, sondern auch luxiorös vor. Das Auspacken der Kisten mit unseren
Anziehsachen war zwar noch wie Weihnachten: Ach, der Pulli sieht ja toll aus und
die Hose gefällt mir aber gut... . Schnell zog ich meine abgenutzten
Reiseklamotten aus und spielte Modenschau. Nach der anfänglichen Begeisterung
wurden wir aber rasch genervt. Das ganze schien kein Ende zu nehmen. Wir
brachten Kisten um Kisten in unsere Wohnung und fragten uns, was um Himmels
willen wir mit diesem ganzen Zeug sollten. In den letzten elf Monaten waren wir
mit knapp 30 kg Gepäck und meist weniger als 10 m² ausgekommen. Und auf einmal
hatten wir ein Vielfaches an Hausrat und Platz. Ich war erstmal geplättet und
empfand unseren Besitz irgendwie als belastend.
In der überlappenden zweiten Phase meiner Eingewöhnung besuchten
uns Freunde und wir besuchten unsere Familie. Darauf hatten wir uns sehr
gefreut und wir genossen diese Zeit. Richtig gute Gespräche führen mit uns
vertrauten Personen. Sich verwöhnen lassen und wieder Kind sein. Nicht ständig
eine Situation oder Leute anaysieren und bewerten müssen. Obwohl wir auch unter
Freunden und in der Familie nicht ganz davon befreit waren. Denn ich spürte,
dass alle versuchten herauszufinden ob/wie wir uns verändert hatten. Das
Auffallendste für mich war, wie wenig sich hier verändert hatte. Alle sehen
noch genauso aus wie vorher, alle machen noch die gleichen Sachen und haben die
gleichen Ansichten. Hier und da eine Veränderung, natürlich. Aber meist nichts
Gravierendes. Selbst die Wege in der Stadt fühlen sich noch vertraut an und auch
die Mode ist noch die gleiche wie im Vorjahr. Es ist, als sei man nie weg
gewesen.
Dann kam die dritte Eingewöhnungsphase, in der ich mich zur Zeit
befinde: neuen Handyvertrag aussuchen, Anstreicher auftreiben, Steuererklärung
machen, Putzen, Kochen, Waschen, Einkaufen, nach einem Fitnessstudio fahnden,
Formulare ausfüllen, Dinge beantragen... . Ich habe eigentlich schon ziemlich
viel organisiert. Dabei habe ich die Hälfte meiner Zeit im Internet mit Recherechen,
die andere in irgendwelchen Warteschleifen verbracht und zwischendurch diverse
Haushaltsmaschinen bedient. Aber so richtig zufrieden bin ich nicht. Ich habe
das Gefühl, mehr Zeit damit zu verbringen, mein Leben zu verwalten, zu
organisieren und zu optimieren als tatsächlich zu leben. Ich hatte mich darauf
gefreut viel Zeit mit meinen Freunden, meiner Familie und meinen Hobbies zu
verbringen. Stattdessen verbringe ich die meiste Zeit vorm Computer. Das liegt
natürlich daran, dass die Familie weit weg wohnt und die Freunde arbeiten und
keine Zeit haben, sage ich mir. Aber eigentlich treibe ich mich selber an. Ich
habe das Gefühl keine Zeit zu haben, weil ich ja noch sooo viel organisieren
muss, bevor ich wieder arbeite und zehn Stunden meines Tages von der Arbeit
aufgefressen werden.
Kaum ist man wieder in seiner vertrauten Umgebung, seiner
Komfortzone, schlüpft man in seine alten Gewohnheiten und Marotten wie in
seinen alten, bequemen Lieblingspulli. Ich hatte mir vor drei Wochen, auf
Sansibar, nicht vorstellen können, wie schnell dieser Prozess geht. Ich hatte
mir gewünscht etwas mehr Leichtigkeit und Spontanität in mein Leben bringen zu
können. Etwas weniger Bequemlichkeit und mehr Mut. Aber vielleicht schlummern
diese Eigenschaften ja noch in mir und kommen zur Entfaltung, nachdem ich mich
eine Zeit lang in der vertrauten Heimat eingenistet habe wie eine Raupe in
ihren Konkon.
Wie dem auch sei. Jetzt bin ich erstmal krank. Und da gibt es
nichts Besseres als zu Hause zu sein.
Wir sind sehr glücklich, dass ihr wieder zu Hause seid. Sigrid
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